Esst mehr Skippy!
Das Känguru als Klimaretter
Bei Rindern wird der Zellstoff aus dem Gras, das sie fressen, mittels Bakterien zerlegt, wobei Methan entsteht, ein 21 Mal "klimawirksameres" Treibhausgas als CO2. Berühmt wurde der Vergleich des Berliner Agrarökonomen Harald von Witzke, der in einer WWF-Studie die Klimaschädlichkeit einer Kuh mit der eines Kleinwagens gleichsetzte. In Australien werden Kühe und Schafe deshalb, ähnlich wie in Deutschland, für etwa zehn Prozent des Treibhausgasaufkommens verantwortlich gemacht.
Weil die Lebenszeit von Methan anders als die von CO2 nicht 100, sondern nur 8 bis 12 Jahre beträgt, gilt eine Reduktion der Produktion als besonders effektiver Ansatz, den Treibhauseffekt abzuschwächen. Versuche, die Verdauung von Kühen durch Zucht, durch Zugabe von Chemikalien oder durch einen Austausch der Bakterien so zu beeinflussen, dass sich der Methanausstoß signifikant verringert, brachten bisher noch keine allgemein anwendbaren und kosteneffektiven Ergebnisse.
George R. Wilson und Melanie J. Edwards vom Australian Wildlife Service veröffentlichten nun in der Fachzeitschrift Conservation Letters einen Artikel, in dem sie postulieren, dass ein Umstieg von Schaf- und Rind- auf Kängurufleisch potentiell positive Auswirkungen auf das Weltklima haben würde. Die Beuteltiere haben nämlich von Natur aus andere Mikroorganismen in ihren Mägen, was dazu führt, dass bei der Grasverarbeitung praktisch kein Methan produziert wird.
Die beiden Autoren rechnen darin vor, dass durch eine Verringerung der Zahl der australischen Rinder von jetzt 7,5 auf 0,5 Millionen und die der Schafe von 38,7 auf 2,7 Millionen Lebensraum für insgesamt 240 Millionen Kängurus geschaffen würde. Um die gleiche Menge an Fleisch zu produzieren, wie sie durch die weggefallenen Rinder und Schafe erzeugt werden könnte, reicht bei einer Abschussquote von jährlich 25 Prozent aber eine Erhöhung des Kängurubestandes von jetzt 34 auf 175 Millionen. Unter anderem anhand der Vermehrungsrate der Beuteltiere rechneten Wilson und Edwards mit einem theoretisch möglichen Erreichen dieses Ziels im Jahre 2020. Da Kängurus promisk sind, können zur Fleischgewinnung gezielt männliche Tiere geschossen werden, ohne dass die Geburtenrate der Tiere wesentlich sinkt.
Bei ihren Reduktionsvorstellungen haben die beiden Forscher vor allem die extensive Weidewirtschaft im Auge. Auf den dafür genutzten Flächen vermehren sich wildlebende Kängurus schon jetzt so gut, dass jährlich bis zu 15 Prozent des Bestandes geschossen werden müssen. Weil sich Kängurufleisch zwar mit weniger Aufwand produzieren lässt, aber auch weniger profitabel ist, als Rinder- und Schafszucht, schwebt den Forschern für die australischen Landwirte eine finanzielle Anreizsetzung über den Emissionshandel vor.
Das schon von den australischen Ureinwohnern gerne gegessene Kängurufleisch ist dunkelrot, hat relativ feine Fasern und einen sehr niedrigen Fettanteil. Aufgrund der geschmacklichen Ähnlichkeit mit Wildbret kam es in den frühen 1980er Jahren in Deutschland zu einem Skandal, weil Kängurufleisch als Hirschgoulasch verkauft wurde. Den Unterschied hatten nicht Konsumenten, sondern Lebensmittelkontrolleure bemerkt.
Als Hindernis für eine Umsetzung des Plans könnte sich herausstellen, dass die Tiere vielerorts als possierlich empfunden werden, was nicht nur ihrer direkten Absatzfähigkeit auf dem Fleischmarkt Grenzen setzt, sondern auch Boykottaufrufe von Tierschützern erwarten lässt, falls Australien den in der Zeitschrift dargelegten Plan etwa über Werbe- oder Prämienaktionen umzusetzen versucht. An solch kulturellen Grenzen dürfte auch ein weltweiter verstärkter Einsatz von Schweinefleisch scheitern, das sich ebenfalls weitaus klimafreundlicher produzieren lässt als Rindfleisch.