EuGH: Betäubungsloses Halal-Schlachten mit Bio-Fleischkennzeichnung unvereinbar
Bei Bewußtsein ausbluten lassen "erfüllt nicht die höchsten Tierschutzstandards"
Gestern entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg unter dem Aktenzeichen C-497/17, dass Fleisch von betäubungslos halal-geschlachteten Tieren nicht gleichzeitig als Bio-Fleisch gekennzeichnet werden darf, weil so eine Tötung "nicht die höchsten Tierschutzstandards" erfüllt.
Anlass der Entscheidung war eine Vorlage des Cour administrative d’appel de Versailles, der über die Berufungsklage der französischen Tierschutzorganisation Oeuvre d’assistance aux bêtes d’abattoirs (OABA) zu entscheiden hatte.
Die Organisation war in die zweite Instanz gegangen, nachdem es die Zertifizierungsstelle Ecocert, der französische Minister für Landwirtschaft und Ernährung und ein Verwaltungsgericht vorher abgelehnt hatten, die Kennzeichnung von Hacksteaks mit dem Werbesiegel "ökologischer/biologischer Landbau" zu verbieten, wenn diese von Tieren stammen, die man in einer Halal-Schlachtung ohne vorherige Betäubung ausbluten ließ.
Kein explizites, aber ein implizites Verbot
Das Berufungsgericht wollte vom EuGH wissen, wie es bei seiner Entscheidung EU-Vorschriften auslegen und berücksichtigen soll: Die Verordnung über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen Nummer 834/2007 vom 28. Juni 2007, die dazugehörige Durchführungsverordnung Nummer 889/2008 vom 5. September 2008 und die Verordnung Nummer 1099/2009 über den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Tötung vom 24. September 2009. Der EU-Generalanwalt, dessen Einschätzung der EuGH in der Vergangenheit in den meisten Fällen folgte, riet den Richtern in seiner Stellungnahme, diese Vorschriften so auszulegen, dass auch Fleisch von betäubungslos halal-geschlachteten Tieren mit dem Bio-Siegel gekennzeichnet werden darf, nachdem er keine ausdrückliche Unvereinbarkeitsvorschrift fand.
Die Richter kamen jedoch zur Ansicht, dass die Verordnungen implizit eine solche Kombination ausschließen, weil "der Unionsgesetzgeber [darin] mehrfach seine Absicht betont, im Rahmen dieser Produktionsmethode, die sich durch die Beachtung strengerer Tierschutznormen an allen Orten und in allen Stadien dieser Produktion auszeichnet, […] ein hohes Tierschutzniveau sicherzustellen". Das, so die Richter, gelte für alle Bereiche, "in denen es möglich ist, das Tierwohl noch weiter zu verbessern" - also auch "bei der Schlachtung", zu der es in den Erwägungsgründen sogar explizit heißt: "Ein Leiden der Tiere, einschließlich Verstümmelung, ist während der gesamten Lebensdauer der Tiere sowie bei der Schlachtung so gering wie möglich zu halten."
Verbrauchervertrauen in die Kennzeichnung gefährdet
Von den Richtern konsultierte wissenschaftliche Studien haben ihrer Presseaussendung zufolge "gezeigt [...], dass die Betäubung die Technik darstellt, die das Tierwohl zum Zeitpunkt der Schlachtung am wenigsten beeinträchtigt". Durch sie wird ein Tier nämlich in eine "Wahrnehmungs- und Empfindungslosigkeit [versetzt], mit der Schmerzen, Stress oder Leiden erheblich verringert" werden.
Dieser Methode ist ein betäubungsloses Ausblutenlassen vom Tierschutzstandpunkt her gesehen auch dann nicht gleichwertig, wenn das Messer scharf und der Metzger speziell ausgebildet ist. Würde man das EU-Biowerbesiegel auch für Fleisch von sochen Tieren zulassen, wäre nach Ansicht des EuGH das Verbrauchervertrauen in diese Kennzeichnung gefährdet. In diesem Zusammenhang verweisen die Richter auch darauf, dass das betäubungslose Schlachten in der EU nur in Ausnahmefällen zur Wahrung der Religionsfreiheit erlaubt ist.
Wie der EuGH selbst ausführt, bindet seine Entscheidung auch "andere nationale Gerichte, die mit einem ähnlichen Problem befasst werden". Sie wird also nicht nur in Frankreich, sondern auch in Deutschland gelten. Hier verbieten das Tierschutzgesetz und die Tierschutzschlachtverordnung das betäubungslose Töten von Tieren durch ein Durchtrennen der Kehle, der Halsschlagader und der Luft- und Speiseröhre, erlauben aber Ausnahmen, wenn eine Religion dies "zwingend vorschreibt". Die Entscheidung, wann solch eine Ausnahme vorliegt, obliegt den Behörden, bei denen dafür Anträge gestellt werden müssen.
Schächtet jemand beispielsweise ein Schaf ohne die erforderliche Ausnahmegenehmigung, droht ihm theoretisch ein Bußgeld in Höhe von bis zu 25.000 Euro. In der Praxis waren die verhängten Strafen bislang allerdings geringer: So wurde beispielsweise der Betreiber eines Schlachtbetriebes in Salzgitter im Dezember 2016 vom örtlichen Amtsgericht im Dezember 2016 nur zur Zahlung von 1.350 Euro verurteilt.
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