Eukalyptus: Brotbaum, Problembaum
Seite 2: 39% des portugiesischen Territoriums sind bewaldet - Nummer eins: der Eukalyptus
- Eukalyptus: Brotbaum, Problembaum
- 39% des portugiesischen Territoriums sind bewaldet - Nummer eins: der Eukalyptus
- Der Baum: "Einzeln attraktiv, in Gruppen tolerierbar, in Massen abstoßend"
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Neuere Erhebungen zum nationalen Waldinventar kommen zum Schluss, dass der Blaue Eukalyptus seit 2010 die bestimmende Baumart in Portugal ist. Rund ein Viertel des Waldes bzw. 9% des Festland-Territoriums sind nun im Griff der exotischen Art. Sie hat die See-Kiefer abgelöst, deren Bestand seit den 1990er Jahren rückläufig ist. Seit dem Beitritt Portugals zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft hat das Land 400000 Hektar Kiefernwälder verloren. In einer Reminiszenz wird die Region um Pedrógão Grande heute zwar bisweilen immer noch "Pinhal Interior Norte" genannt, doch der besteht heute bereits zur guten Hälfte aus Eukalyptus.
Der Blaue Eukalyptus ist seit circa 1850 in Portugal bekannt. Die anfängliche Beschränkung seines Daseins als exotischer Blickfang in Parkanlagen wird schnell überwunden. Ab 1866 werden 35000 Eukalypten zu Bodenschutzzwecken an den Ufern des Rio Mondego bei Coimbra angepflanzt. Um 1870 experimentieren portugiesische Forstfachleute mit neuen Baumarten, die bei der geplanten Neubewaldung breiter Landstriche von Nutzen sein könnten. Hier verspricht der schnellwüchsige Eukalyptus einige Vorteile. Ein wichtiges Merkmal ist seine Nichtanfälligkeit gegenüber Krankheiten, denn seine natürlichen Schädlinge sind in der Neuen Welt geblieben - noch.
Seine Rinde wird in der Gerberei genutzt, und man beginnt über die Verwendung des Eukalyptus in der Papierherstellung nachzudenken. Seine hohe Wasseraufnahmefähigkeit schließlich führt zu seinem Einsatz bei der Trockenlegung sumpfiger Regionen. Die Einengung des Lebensraums der Brut der Anopheles-Mücke drängt die Malaria zurück, eine Wohltat, die dem Eukalyptus auch die Bezeichnung "Fieberbaum" einträgt.
Später werden einige 100 Eukalyptusarten auf ihre Eignung für eine Verwendung in Portugal geprüft, doch keine kann es mit dem Blauen Eukalyptus aufnehmen, der Art, die seit den 1880er Jahren in Staatswäldern kultiviert wird. Um diese Zeit ensteht bei Abrantes, 70 Kilometer südlich von Pedrógão Grande gelegen, ein 600-Hektar-Eukalyptusforst, "Nova Austrália", zu diesem Zeitpunkt die größte Eukalytusmassierung in Europa. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts ist der Eukalyptus schon überall im Land verstreut anzutreffen, die Portugiesen beginnen, sich an seine Gegenwart zu gewöhnen.
Eukalyptus-Holz findet frühzeitig Verwendung als Bauholz, zum Beispiel als Schienenschwellen bei der Eisenbahn oder als Kielholz im Bootsbau. Die Papierindustrie verhilft dem Baum letztendlich zu seinem Siegeszug.
Die Papierindustrie als treibende Kraft der "Eukalyptisierung" des Landes
1926 nimmt mit der Caima Pulp Company die erste auf Eukalyptus basierende Papierfabrik Portugals - und wahrscheinlich der Welt - ihren Betrieb auf. In Vorbereitung hat man Eukalyptus in der Gegend angepflanzt, der nun nach und nach die Kiefer aus dem Produktionsprozess der Fabrik verdrängt. Sie bleibt für die nächsten 25 Jahre die einzige Fabrik in Portugal, die das Eukalyptus-Holz mittels Sulfitverfahren in Zellstoff verwandelt - mit 5000 Tonnen im Jahr in noch bescheidenem Rahmen.
Noch in den 1940er Jahren ist die Zellstoffindustrie von der eigentlichen Papierindustrie in Portugal entkoppelt. Erstere exportiert fast die gesamte Produktion, während die Papierhersteller alle Rohstoffe einführen. Erst die durch den Zweiten Weltkrieg ausgelösten Engpässe führen zu einem Schulterschluss beider Segmente.
Der Papierkonzern Portucel Soporcel - oder neuer The Navigator Company - ist nach Volkswagen Autoeuropa der zweitgrößte Exporteur des Landes und trägt mit 1% zum portugiesischen Bruttoinlandsprodukt bei. Die größten Papierkonzerne bewirtschaften eigene Wälder, Portucel Soporcel allein 120000 Hektar. Die von der Industrie selbst angebaute Eukalyptusfläche entspricht etwa einem Fünftel der Eukalyptusfläche Portugals, die sich auf 812.000 Hektar beläuft. Der Anteil kleinerer Waldbesitzer an der Gesamtmenge ist beträchtlich größer - die Industrie hat das Risiko des Betriebs einer Eukalyptusplantage ausgelagert.
Die vorangetriebene "Eukalyptisierung" des Landes erfolgt heute korrekt, durch einen Eukalyptus, der unabhängig zertifiziert ist und aus nachhaltigem Anbau stammen soll - ein schlagendes Argument beim Marketing für qualitativ hochwertiges Büropapier. Die stetige Zunahme des Eukalyptusbestands reicht jedoch längst nicht aus, um den Bedarf der Zellstoffindustrie zu decken - 20% des Rohmaterials müssen importiert werden. 2011 entsprach das einem Wert von 97 Millionen Euro.
Der Papiersektor galt bisher als größtenteils immun gegenüber der Tendenz zur Auslagerung von Industrien, doch auch The Navigator Company hat Aktivitäten im Ausland angeschoben. In Mosambik sollen in den Provinzen Manica und Zambézia Eukalyptus-Plantagen von 360.000 Hektar entstehen, außerdem soll 2023 eine Zellstoffabrik vor Ort in Betrieb gehen, 2.3 Milliarden US-Dollar sollen mit Hilfe der Weltbank investiert werden.
2015 fand die Eröffnung der größten Eukalyptus-Baumschule in Afrika statt. Die wird künftig die benötigten Setzlinge liefern. Der Präsident des Unternehmens, Pedro Queiroz Pereira, der anlässlich der Feierlichkeiten in Mosambik weilte, betonte, dass diese Investition auch in Portugal hätte erfolgen können - wenn es dort nicht diese Abneigung gegen Eukalyptus-Plantagen gäbe. 2012 hatte das Unternehmen den Wunsch geäußert, eine weitere Fabrik in Portugal zu eröffnen - wofür weitere 40000 Hektar Eukalyptus notwendig geworden wären. Noch als Kolonialmacht hatte Portugal bereits zu Beginn der 1950er Jahre mit Eukalyptusanpflanzungen in Afrika begonnen.