Eukalyptus: Brotbaum, Problembaum
Seite 3: Der Baum: "Einzeln attraktiv, in Gruppen tolerierbar, in Massen abstoßend"
- Eukalyptus: Brotbaum, Problembaum
- 39% des portugiesischen Territoriums sind bewaldet - Nummer eins: der Eukalyptus
- Der Baum: "Einzeln attraktiv, in Gruppen tolerierbar, in Massen abstoßend"
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Der Eukalyptus gewinnt im Waldensemble das Rennen in die Höhe. Er wird beim Kampf ums Licht mit seinen Blätterkronen schnell zur dominierenden Art, während seine stark ausgebildeten Feinwurzeln den Pflanzen des Dickichts Wasser und Nährstoffe streitig machen.
Der Baum ist schnellwüchsig und gilt als pflegeleicht - im Plantagenbetrieb sind während der Wachstumsphase kaum Eingriffe nötig. Die Ernte kann je nach Standort alle acht bis zwölf Jahre erfolgen. Der größte Holzzuwachs wird in den ersten fünf Jahren verzeichnet. In günstigen Gegenden kann ein Hektar Eukalyptus nach 10 Jahren 4000 Euro erbringen. Besitzer eines Kiefernwaldes müssen in der Regel 35 Jahre bis zur Ernte warten, wenn sie es auf Qualitätsholz für die Möbelindustrie abgesehen haben.
Nach der Ernte treiben die verbliebenen Baumstümpfe neu. Mit dem Austreiben junger Triebe wird in Abständen eine Erneuerung des Bestands erreicht. Nach mehreren Zyklen verlieren die Stümpfe die Fähigkeit zu treiben. So verringert sich die Anzahl produktiver Bäume nach und nach. Irgendwann steht der Eigentümer vor der Wahl, die Stümpfe zu entfernen und eine neue Plantage anzulegen oder eine andere Form der Nutzung einzuleiten, oder den Betrieb weiterlaufen zu lassen, mit verminderter Produktivität.
Der Blaue Eukalyptus hat besonders im wintermilden mediterranen Klima eine hohe Produktivität, solange der mittlere Jahresniederschlag bei mindestens 700 mm liegt. Auf der iberischen Halbinsel ist das in den Küstenstreifen Portugals nördlich des Tejos und Galizien in Spanien gegeben. Schätzungen für küstennahe Gebiete im Zentrum Portugals kommen auf eine oberirdische Nettoprimärproduktion von 16 - 24 Tonnen Biomasse pro Jahr und Hektar für eine Erstanpflanzung von Eukalyptus mit mehr als vier Jahren, ohne Düngung. Die See-Kiefer kommt im gleichen Gebiet auf 14 Tonnen pro Jahr und Hektar. Zum Vergleich: ein Laubwald der gemäßigten Klimazonen schafft 5 - 7 Tonnen pro Jahr und Hektar.
Obwohl die Transpiration von Eukalyptus in ihrer Größenordnung vergleichbar mit der von anderer Waldvegetation ist, ist sein Wasserbedarf schon seit den 1930er Jahren ein Politikum in Portugal. Immer wieder beklagten Bauern zurückgehende Erträge von Äckern in unmittelbarer Nähe von Eukalyptusplantagen. Brunnen zur Wasserversorgung der Bevölkerung fielen stellenweise vollständig trocken, wie etwa nach einer großflächigen Eukalyptus-Anpflanzung in der Serra d’Ossa im Alto Alentejo. Deshalb wurde ein Gesetz erlassen, dass Mindestentfernungen für den Anbau von Eukalyptusplantagen regelt.
Rückblende: Gemeinsame EU-Agrarpolitik als Türöffner für Eukalyptusplantagen und Brandbeschleuniger für soziale Unruhen
Auch Veränderungen in der gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Gemeinschaft führten zu einer Ausdehnung der Eukalyptusplantagen und zur Entstehung von Konflikten. Es kam zu heftigen Protesten unter der betroffenen Landbevölkerung. Stellvertretend für die Unruhen mag der "Aufstand von Valpaços" 1989 stehen. Die EU-Agrarpolitik hatte aufgrund des europäischen Überschusses an Pflanzenölen die freiwillige Flächenstillegung von Olivenkulturen in der Nordost-Region von Tras-os-Montes promotet. Nun kassierten die Grundbesitzer Prämien, um dann die Landstücke nach dem Entfernen der Olivenbäume an eine dem Papierkonzern Soporcel nahestehende Firma zu verkaufen - und damit die Zukunft vieler Anwohner, die ihre Arbeit in den Olivenhainen verloren.
Seit Beginn des Programms 1987 waren bereits 1000 Hektar Oliven beseitigt wurden. Das führte zu Unruhen in der Gegend, die sich im März 1989 in Valpaços entluden, als 2000 Anwohner tausende Eukalyptus-Setzlinge aus dem Boden rissen und dafür von Polizeikräften niedergeknüppelt wurden. Nach den Unruhen erließ die portugiesische Regierung ein Gesetz, das die Anpflanzung von Eukalyptus regeln sollte.
Biodiversität, Bodenerosion, Brandgefahr: Primus inter pares?
Eukalyptuswälder sind für ihre geringe Biodiversität bekannt und berüchtigt. Die fast vollständig fehlende trophische Vernetzung mit anderen, heimischen Lebewesen wird den Eukalyptus noch auf hunderte Jahre fremd sein lassen. Das trifft insbesondere auf Plantagen zu, nur selten verirrt sich ein Vogel hierher.
Die Plantage bietet keinen Raum für ökologische Nischen. Nur eventuell vorhandenes Unterholz wirkt anziehend für andere Lebensformen, doch fehlt dieses zumeist, und die kurzen Rotationszeiten des Plantagenbetriebs laden nicht zur Ansiedlung anderer pflanzlicher oder tierischer Bewohner ein. Eukalyptus-Verfechter sehen das gelassen und verweisen auf die Biodiversität einer Stadt, die sei schließlich ähnlich mager.
Die PR-Abteilungen des Sektors sind sich des Imageproblems jedoch durchaus bewusst und steuern gegen. In Portugal verschwand der Begriff "exotisch" aus vielen technischen Dokumentationen zum Thema Eukalyptus. Im Gegensatz zu anderen Ländern mit Eukalyptus-Anpflanzungen ist der Baum nicht als invasive Art klassifiziert, auch nicht im Gesetz No.565/99, das das Ausbringen nichtheimischer Arten in Portugal regelt. Stattdessen wird suggeriert, dass alle Arten "gleich" seien.
Hin und wieder gibt es Versuche, massive Eukalyptus-Anpflanzungen aufgrund der CO2-Speicherfähigkeit des Baums schönzureden, doch die Bilanz ist unter den Bedingungen des Plantagenbetriebs ernüchternd. Zwar können die Plantagen CO2 schnell aufnehmen, schneller als jede andere Baumart, doch das Gas wird nur über kurze Zeit in Form des Holzes aus dem Kreislauf entfernt und zwischengeparkt. Im Boden selber wird über die schnelle Mineralisierung von gebildeter organischer Materie viel CO2 an die Atmosphäre zurückgegeben.
Der Blaue Eukalyptus produziert ätherische Öle, die den Baum - ähnlich der Kiefer - regelmäßig bei sommerlichen Temperaturen brandgefährlich werden lassen. Besonders problematisch beim Eukalyptus: in einer Feuersbrunst können sich brennende Rindenteile lösen, die mit dem Luftstrom bis zu drei Kilometer unter Funkenflug reisen und so zur schnellen Ausbreitung eines Waldbrands beitragen können.
Das mengenmäßig wichtigste etherische Öl des Eukalyptus ist 1,8-Cineol, das sich nach dem Laubabwurf am Boden anreichert und ihm wasserabweisende Eigenschaften überträgt und so eine Auffrischung wasserführender Schichten erschwert. Cineol hat gleichzeitig bakterizide Eigenschaften, deshalb werden abgeworfene Blätter vor allem durch Pilze zersetzt. Die Blätter selber sind alkalisch und nährstoffreich, mit besonders hohen Anteilen an Calcium, das der Eukalyptus vorher sehr effektiv dem Boden entzogen hat. Das Laub wird schnell mineralisiert und trägt kaum zur Akkumulation von organischer Materie und zur Humusbildung in den oberen Bodenschichten bei, wobei die verminderte Aktivität der Bodenfauna eine wesentliche Rolle zu spielen scheint.
Der Boden ist aufgrund seiner Struktur anfällig gegenüber Verwitterung, die von Regenfällen ausgelöst wird. Zusätzlich vergrößern die Form der Blätter und ihre Anordnung die Regentropfen, die auf den Boden treffen. Die Anpflanzung an Hängen gilt als besonders kritisch, da sie gerade im ersten Jahr den Boden extrem anfällig für Erosion macht. Bis zu 50 Tonnen Bodenmaterial pro Hektar können dabei abgetragen werden.
Dabei ließen sich viele negativen Auswirkungen des Baums durch das Anlegen von Mosaikwäldern und ökologischen Korridoren lindern, in denen sich von Eukalyptus bestandene Flächen mit heimischen Arten abwechseln - damit ließe sich auch die Brandgefahr mindern. Doch die Realität ist eine andere. In manchen Gegenden Portugals sind ganze Landkreise fast vollsändig mit Eukalyptus zugewachsen, wie etwa Mortágua und andere Distrikte des küstennahen Zentrums.
Zu verlockend, zu zwingend ist die Hoffnung vom schnellen Geld. Der Bürgermeister von Castanheira de Pêra, der ebenfalls in Mitleidenschaft gezogenen Nachbargemeinde von Pedrógão Grande, fand dafür eigene Worte: den Eukalyptus träfe keine Schuld an den verheerenden Bränden, deshalb solle man seine Anpflanzung auch nicht aufgeben. Die müsse nur in geordneteren Bahnen vor sich gehen.
Heiße Kartoffel Forstreform: Geeignete Gesetzgebung gesucht
Seit den 1980er Jahren gab es mehrere Reformen, die dem staatlichen Forstdienst nach und nach die Macht nahm, die Wälder zu managen - für Forstfachleute eine desaströse Entwicklung, die unter ihnen als eine wesentliche Ursache für die seit jener Zeit immer wiederkehrenden massiven Waldbrände gilt. Die hatten immer wieder neue Gesetze zur Folge.
So war es seit 1987 verboten, abgebrannte Waldflächen mit anderen Baumarten als jenen zu bepflanzen, die dort vor dem Waldbrand wuchsen: ein Schutzmechanismus, der verhindern soll, dass die Bepflanzung von Flächen mit Eukalyptus über gelegte Waldbrände erzwungen wird. Diese Regelung wurde mittlerweile aufgehoben. Ein 2013 im Rahmen von "Liberalisierungen" der Forstwirtschaft verabschiedetes Gesetz erlaubt nun die ungehinderte Anpflanzung von Eukalyptus, auch auf Flächen von weniger als zwei Hektar.
Traditionell kommen Vorstöße zu Änderung von Forstgesetzen immer im Gefolge von Sommern mit großen Waldbränden. Als schwierig für die Umsetzung gelten unter anderem die Besitzverhältnisse: 85% des portugiesischen Waldes sind in Privathand, wovon der überwiegende Teil Flächen kleiner als fünf Hektar ausmacht.
Unter dem Eindruck der 160.000 Hektar verbrannten Waldes des Jahres 2016 hatte die Regierung Costa noch im gleichen Jahr ein erstes Reformpaket zur Diskussion gestellt, das seit Februar 2017 in einer aktualisierten Fassung vorliegt. Ein Schwerpunkt betrifft den Eukalyptus: Künftig sollen neue Plantagen demnach nur noch dann entstehen, wenn sie bereits bestehende ersetzen. Die Pflanzungen sollen auf Gegenden begrenzt bleiben, die dem Eukalyptus optimale Bedingungen für sein Wachstum bieten. Damit soll die Eukalyptusfläche des Landes bis 2030 auf ihren jetzigen Stand eingefroren werden. Die Reaktion der Industrie kam prompt. Sie sieht die Zukunft einer Industrie bedroht, deren Geschäftsvolumen im Jahre 2015 mit 2.65 Milliarden Euro zu Buche schlug.
Die geplante Forstreform sollte eigentlich erst Ende 2018 das Parlament passieren, doch das könnte nun überraschend schnell geschehen. Präsident Marcelo Rebelo de Sousa hat gefordert, dass noch vor der Sommerpause ein Gesetzespaket im Parlament verabschiedet wird, das die während der Brandkatastrophe von Pedrógão Grande erkannten ursächlichen Probleme addressiert - Probleme, die zum Teil seit nunmehr Jahrzehnten auf ihre Lösung warten.