Europäisch-Japanisches Zukunftsprojekt zur Erforschung des Merkurs

Bepi-Colombo auf dem Weg zu neuen Welten, die nie ein Mensch gesehen hat

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Mond und Mars bekommen, was Besuchs- und Besiedelungs-Projekte und sonstige Zukunftsträume angeht, zur Zeit gerade sehr viel Aufmerksamkeit. Wer denkt da schon an den nächsten Schritt – beziehungsweise den nächsten Planeten? Im Hintergrund laufen aber schon weitere visionäre Programme an, eines davon ist das europäisch-japanische Gemeinschaftsprojekt Bepi-Colombo zur genaueren Untersuchung des Merkurs, der gerade mal durchschnittlich 150 Millionen Kilometer von uns entfernt ist.

Merkur, der nun kleinste Planet in unserem Sonnensystem, ist der Sonne am nächsten (mittlere Entfernung zur Sonne 57,9 Mio. Kilometer) und gehört neben Venus, Erde und Mars zu den inneren bzw. erdähnlichen Gesteins-Planeten. Landschaftlich ähnelt er unserem Mond mit seiner felsigen, kraterüberzogenen und stellenweise aber auch sehr glatten Oberfläche. Er besitzt fast keine Atmosphäre, die Sonnenstrahlung trifft ungehindert auf die Oberfläche, daraus resultieren seine enorm großen Temperaturunterschiede von bis zu 470°C am Tage und bis – 170°C in der Nacht.

Der Sonne am nächsten: Götterbote Merkur (Bild: NASA)

Dies sind nur einige der wenigen Informationen, die wir bisher über Merkur, der in der griechischen Mythologie unter dem Götterboten Hermes und Apollo bekannt war, wissen. Ein besonders Merkmal, das ihn von den anderen Planeten unterscheidet, ist seine hohe Dichte (5,43 g/cm3) im Bezug auf seine Größe. Man vermutet, dass Merkur einen Eisenkern besitzt, der etwa 70% des Planetenvolumens ausmacht, obwohl es für Eisen bisher noch keinen Nachweis gibt. Zudem wirft die Existenz eines konstanten Magnetfelds weitere Fragen bezüglich der Beschaffenheit des Merkurinnern auf. Demnach könnte zumindest ein Teil des Merkurkerns flüssig sein.

Mit voranschreitender Erforschung des übrigen Sonnensystems wird jedoch immer mehr die Sonderrolle Merkurs deutlich. Eine genauere Erforschung könnte somit Auskunft über die Entstehung des gesamten Sonnensystems geben. Erste Aufklärung erhofft man sich von der am 3. August 2004 gestarteten NASA-Sonde Messenger die, wenn alles nach Plan verläuft, schon 2011 den sonnennächsten Trabanten erreichen wird.

Mercury Magnetospheric Orbiter (Bild: JAXA)

Sehr viel weiter geht eine neue Mission der ESA und JAXA, die im August 2013 starten soll und den Namen BepiColombo erhalten hat. Sie wird aus zwei Orbitern bestehen, die Merkur umkreisen und aus zwei unterschiedlichen Höhen Daten über den Planeten sammeln sollen.

Schlüssel zu Merkur: Einsteins Relativitätstheorie

Die Astronomen des 19. Jahrhunderts machten sorgfältige Beobachtungen über die Parameter der Merkurbahn – sie war mit der klassischen Gravitationstheorie von Isaac Newton nicht vereinbar, denn sie zeigt nicht erklärbare Unstimmigkeiten – konnten aber diese mit der Newtonschen Mechanik nicht hinreichend erklären. Die winzigen Abweichungen zwischen den beobachteten und vorhergesagten Werten war für mehrere Jahrzehnte ein kleines, aber nagendes Problem.

Man dachte, dass ein anderer Planet, dem man den Namen Vulcan gab, in der Nähe von Merkurs Umlaufbahn für diese Abweichungen verantwortlich sein könnte. Die Lösung lag in Einsteins Relativitätstheorie. Ihre korrekte Vorhersage von Merkurs Perihelbewegung war ein wichtiger Faktor für die frühe Akzeptanz dieser Theorie.

Renommierter Wissenschaftler mit Spitznamen

Namensgeber dieser Mission ist der italienische Mathematikprofessor Giuseppe (Bepi) Colombo (1920-1984) in Anerkennung seiner Leistungen zur Erforschung des Merkurs. Der überwiegende Teil des heutigen Wissens über Merkur stammt von der NASA-Sonde Mariner 10 in den Jahren 1974 und 75, der ersten und einzigen zu diesem Planeten. Deren komplizierte Flugbahn wurde damals von Guiseppe Colombo erstellt. Er berechnete einen Orbit für das Raumfahrzeug, der einen dreimaligen Vorbeiflug an Merkur ermöglichte. Zudem konnte er als erster Wissenschaftler erklären, wie die außergewöhnliche Rotationsperiode des Merkurs funktioniert: Der Planet rotiert in zwei Sonnenumläufen dreimal um seine Achse.

Mission Merkur

BepiColombo wird mit den beiden Orbitern MPO (Mercury Planetary Orbiter) und MMO (Mercury Magnetospheric Orbiter) und einem Startgewicht von 2300 Kilogramm mit einer Soyuz 2-1B/Fregat-M-Rakete im August 2013 ihren langen Weg zum Planeten Merkur antreten. Erst nach Erreichen der finalen Orbitalposition August 2019 werden die beiden Hochleistungs-Orbiter in ihre unterschiedlichen Bahnen manövriert und ab September 2019 für ein bzw. zwei Jahre ihren Forschungsauftrag aufnehmen.

Die Sonde wird mit einem solar-elektrischen Antrieb – auch Ionenantrieb genannt – ausgestattet sein, was eine stetige Beschleunigung ermöglicht und eine enorme Treibstoffeinsparung gegenüber einem konventionellen chemischen Triebwerk bedeutet (die NASA-Sonde Messenger ist noch mit einem chemischen Antriebssystem ausgestattet). BepiColombo benötigt nach dem Start eine Gesamtflugzeit von etwa sechs Jahren. Dabei wird die Sonde durch mehrere Swing-by-Manöver an Erde, Venus und Merkur auf die nötige Geschwindigkeit beschleunigt. Messenger benötigt für dieselbe Strecke mehr als sechs Jahre, aber vor allem mehr Treibstoff.

MPO und MMO: Doppelt hält besser

Die Mission wird aus zwei Orbitern bestehen, die Merkur – anders als Mariner 10 – umkreisen sollen. Das Hauptraumfahrzeug Mercury Planetary Orbiter (MPO) wird von der ESA gebaut. Eine zweite Sonde, der Mercury Magnetospheric Orbiter (MMO), wird von der Japanischen Raumfahrtagentur (JAXA) geliefert.

Während der Mercury Planetary Orbiter (MPO) die Aufgabe hat, die Oberflächenstrukturen und Zusammensetzung Merkurs zu erkunden, wird der Mercury Magnetospheric Orbiter (MMO) das Magnetfeld und die Magnetosphäre des Planeten genauer erforschen, denn eine der Besonderheiten Merkurs ist sein Magnetfeld, was ihn von den terrestrischen Planeten unterscheidet. Zwar besitzt auch die Erde ein Magnetfeld, Mars und Venus jedoch nicht, obwohl diese sehr viel massereicher als Merkur sind.

Mercury Planetary Orbiter (Bild: ESA)

MMO wird von der japanischen Raumfahrtagentur JAXA gebaut. Er wird den Planeten in einem stark elliptischen Orbit in 400 bis 12.000 Kilometern Höhe umkreisen. An Bord werden sechs Instrumente auch die Interaktionen von Magnetosphäre und Sonnenwind untersuchen.

An Instrumenten des MPO ist auch das DLR beteiligt. Die neun Instrumente des Mercury Planetary Orbiter (MPO) sollen Merkur aus niedrigem Orbit untersuchen. Er wird den Planeten in 400 bis 1500 Kilometern Höhe in einer polaren ellipsenförmigen Umlaufbahn umkreisen und so eine genaue Kartierung der Oberfläche, die Erkundung ihrer Zusammensetzung und Rückschlüsse auf den Planetenkern ermöglichen.

Entschlüsselung der Geheimnisse unseres Sonnensystems

Die Planetenkerne von Merkur und Erde sind nach heutigem Wissen für die Beweisführung der planetaren Magnetfelder verantwortlich. Jedoch muss sich dafür ein Teil des Kerns in flüssigem Zustand befinden. Dies ist beim Merkur aufgrund seiner geringen Größe nur schwer vorstellbar, obwohl Mariner 10 ein schwaches, aber konstantes Magnetfeld nachweisen konnte. Die massereicheren Planeten Mars und Venus besitzen hingegen keine Magnetfelder.

MPO- und MMO-Umlaufbahn (Bild: JAXA)

Die Antwort auf die Frage nach dem Ursprung des Merkurmagnetfeldes wäre bedeutend für das Verständnis aller terrestrischen Planeten. Außerdem besitzt Merkur aufgrund der starken Sonnenwind-Einflüsse selbst keine eigene Atmosphäre. Somit steht die Magnetosphäre in direktem Kontakt mit der Oberfläche und hat dort Einfluss auf deren Zusammensetzung. Sie begünstigt außerdem die Existenz der Exosphäre, ein extrem dünnes Gasgemisch aus Sonnenwindpartikeln, Sauerstoff, Wasserstoff, Natrium und Kalium. Die Phänomene, die zwischen Sonnenwind, Magnetosphäre und Merkuroberfläche auftreten, sind bisher noch vollkommen ungeklärt, für mehr Verständnis könnte die BepiColombo-Mission sorgen. Auch könnte mit einer genaueren Messung Einsteins Relativitätstheorie überprüft werden, die Lösung der exzentrischen Merkurbahn Anfang des 20. Jahrhunderts.