Europäische Investitionsbank soll wegen der Gasbohrungen vor Zypern Kredite an Ankara "prüfen"
Auch Verhandlungen zu einem Luftverkehrsabkommen mit der EU wurden auf Eis gelegt
Gestern beschlossen die EU-Außenminister Strafen für die Türkei, die der EU-Ratspräsident Donald Tusk letzte Woche bereits angekündigt hatte (vgl. Türkei bohrt vor Zypern - EU plant Strafen). Um was es sich handelt sickerte durch eine Indiskretion des österreichischen Außenministers Alexander Schallenberg bereits kurz vor den Verhandlungen durch: Im Wesentlichen geht es um ein Aussetzen der Verhandlungen zum Luftverkehrsabkommen mit der EU und um die "Prüfung" der Vergabe von Krediten durch die Europäischen Investitionsbank (EIB).
Führt diese Prüfung zu einem entsprechenden Ergebnis, könnte das Ankara derzeit mehr schmerzen als ein weiteres Warten auf günstigere Flugtickets, weil die Ratingagentur Fitch die Türkei gerade auf BB- herabgestuft hat. Das lag auch daran, dass der türkische Staatspräsident Reccep Tayyip Erdoğan am 6. Juli den Notenbankchef entließ, der den Leitzins nicht senken wollte (vgl. Erdoğan setzt Notenbankchef ab). Die Kompetenz dazu hat der Präsident, seit er die Türkei im letzten Jahr in ein Präsidialsystem umwandelte.
"Wir haben es", so Erdoğan zur Begründung, "für notwendig erachtet, unseren Freund, der sich hier in der Geldpolitik nicht an Anweisungen gehalten hat, auszutauschen": "Wenn die Zentralbank sich in der Wirtschaftspolitik an die Rolle gehalten hätte, die wir von ihr erwarten, wäre so ein Wechsel nicht nötig gewesen." Der AKP-Politiker ist nämlich der - vorsichtig formuliert - nicht von allen Ökonomen geteilten Meinung, dass ein niedrigerer Leitzins nicht nur die aktuell um 2,6 Prozent schrumpfende türkische Wirtschaft beleben, sondern auch die Inflation senken wird. Zumindest behauptet er, er glaube, dass das so laufen werde.
Mehr als "symbolische" Sanktionen?
Für Özgür Ünlühisarcıklı vom German Marshall Fund (GMF) in Ankara sind die gestern von der EU verkündeten Maßnahmen eher "symbolische" Sanktionen, die Brüssel verhängt, um das Mitgliedsland Zypern nicht vor den Kopf zu stoßen. Dass es bei einem Beharren der Türkei auf weitere Gasbohrungen vor Zypern nicht nur weitere symbolische, sondern wirklich bedrohliche Sanktionen geben wird, bezweifelt er. Manche Medien vermuten, dass Brüssel sich hier zurückhalten wird, weil Erdoğan sonst weitere Migranten nach Griechenland lassen könnte.
So eine Maßnahme könnte ihn auch innenpolitisch entlasten: Viele Beobachter gehen davon aus, dass seine AKP die Bürgermeisterwahl in Istanbul unlängst auch deshalb verlor, weil sich der siegreiche CHP-Kandidat Ekrem İmamoğlu für die Rückkehr von syrischen Arabern in ihre Heimat aussprach. Gegen die wurde in der Metropole in den letzten Jahren mehrmals demonstriert, wobei es teilweise zu Ausschreitungen kam.
Die türkische Staatsführung nennt für ihre Bohrungen von Zypern zwei Anspruchsgrundlagen, die sie ihrer Meinung nach dazu berechtigen: Die erste davon ist ein internationales Schiedsgerichtsurteil, dem zufolge die vor der Küste Neufundlands gelegenen Inseln Saint-Pierre und Miquelon Frankreich keinen Anspruch auf eine eigene 200 Seemeilen umfassende "Ausschließliche Wirtschaftszone" zu Lasten der kanadischen geben. Ob diese Entscheidung als Präzedenzfall für alle Inseln taugt, ist allerdings fraglich:
Saint-Pierre und Miquelon sind mit einer Fläche von gemeinsam 242 Quadratkilometern vergleichsweise winzig und nur von etwa 6000 Menschen bewohnt. Außerdem sind sie kein unabhängiger Staat, sondern ein französisches Überseegebiet. Zypern dagegen ist 9251 Quadratkilometer groß, von gut 850.000 Menschen bewohnt, und gehört nicht zu Griechenland, sondern ist ein unabhängiger Inselstaat wie Großbritannien, Japan oder Indonesien.
"Kompromissvorschlag": Nikosia soll Einnahmen mit Lefkoşa teilen
Allerdings kontrolliert die Regierung Zyperns seit 1974 nur mehr den Südteil der Insel, weil im Norden nach einer türkischen Militärintervention eine türkische Republik Nordzypern ausgerufen wurde (die jedoch nur von Ankara anerkannt wird). Diese türkische Republik Nordzypern sieht die türkische Staatsführung als zweite Säule ihrer Ansprüche: Denn erstens habe ihr deren Regierung mit Sitz in Lefkoşa Lizenzen zum Bohren in Küstennähe erteilt - und zweitens müsse die zyprische Regierung in Nikosia Einkünfte aus Gasförderverträgen mit ExxonMobil, Total und ENI mit der in Lefkoşa teilen. Diese Forderung bezeichnete Mustafa Akıncı, der Präsident der türkische Republik Nordzypern, am Samstag als Kompromissvorschlag und als "wichtige Chance", die man "ergreifen" solle.
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