Europäische Kommission gibt verwaschene Stellungnahme zu Echelon ab
Freischein für Geheimdienste, während neue Enfopol-Pläne vorbereitet werden.
Die Aktivitäten der Nachrichtendienste lägen außerhalb der Kompetenz der Europäischen Kommission; die Kommission kann die Existenz von Echelon weder bestätigen noch verleugnen; der Rat arbeitet weiterhin an einer Aktualisierung der "Interception Requirements" (IUR) von 1995, Codename Enfopol.
EU-Kommissar Erkki Liikanen, zuständig für Unternehmen und Informationsgesellschaft, gab heute eine äußerst verwaschene Stellungnahme zu Echelon ab. Das Europäische Parlament hatte die Kommission gefragt, ob diese die Existenz von Echelon bestätigen könne, so wie im Bericht von Duncan Campbell beschrieben.
Herr Liikanen stellte zunächst fest, dass die Kommission bezüglich nachrichtendienstlicher Angelegenheiten keine Kompetenzen habe. Diese lägen in der alleinigen Verantwortlichkeit der Mitgliedsstaaten. Der Kommissar gab an, dass die Kommission das Vereinigte Königreich um Aufklärung über Echelon ersucht habe. In einer schriftlichen Antwort an die Kommission habe das Vereinigte Königreich laut Liikanen verlauten lassen, dass die britischen Geheimdienste innerhalb eines gesetzlichen Rahmens arbeiten, welcher explizit die Zielsetzungen für Abhörmaßnahmen vorgibt, namentlich den Schutz der nationalen Sicherheit, die Sicherstellung des ökonomischen Wohlergehens und die Verhinderung und Aufklärung schwerer Verbrechen.
Kommissar Liikanen verwies auch auf einen Brief der Vereinigten Staaten, den er einen Tag zuvor erhalten hatte. Laut Liikanen sagen die USA, ihre Geheimdienste würden keine Wirtschaftsspionage betreiben und würden keine proprietären, technischen oder finanziellen Informationen mit der Zielsetzung sammeln, damit amerikanischen Unternehmen zu helfen.
Kommissar Liikanen machte keine klaren Aussagen darüber, ob die Kommission denkt, dass Echelon existiert oder nicht. Er bemerkte nur, dass es in der Natur der Sache läge, dass es denjenigen, die an Geheimdienstaktivitäten beteiligt sind, nicht möglich ist, diese zu bestätigen oder zu leugnen. Liikanen gab zu, dass die technischen Möglichkeiten zum Abhören von Telekommunikation gegeben seien und fügte hinzu: "Es gibt keinen Grund zur Behauptung, dass vorhandene technische Möglichkeiten nicht benutzt werden würden".
Indem er unterstrich, dass die Kommission bezüglich Geheimdienstangelegenheiten keine Kompetenzen hätte, machte er klar, dass die Kommission bezüglich einer möglichen offiziellen Untersuchung damit bereits vorsorglich in Abwehrstellung geht. "Die Grünen möchten wissen, ob die EU-Kommission und der Rat genügend getan haben, um EU-Bürger davor zu bewahren, dass sie in ihrem privatem und Professionellem Leben bespitzelt werden", hatte der Grüne Europaparlamentarier Lannoye gestern bezüglich der Zielsetzungen einer Untersuchung über Echelon erklärt.
Der portugiesische Innenminister Gomez sagte in seiner Funktion als Vertreter der Ratspräsidentschaft, dass der Rat für Justiz und Inneres die Angelegenheit bei seiner nächsten Sitzung Ende Mai besprechen werde. Laut dem österreichischen Online-Magazin Futurezone habe Gomez die Existenz von Echelon bestätigt und verurteilt, doch ein Zitat dazu blieb der Internet-News-Kanal des ORF schuldig.
Wegen der Verunsicherung über Abhörmaßnahmen unterstrich Liikanen, dass die Europäische Kommission aktiv die Benutzung von Kryptographie zum Schutz von privater und geschäftlicher Kommunikation bewirbt. "Die Kommission ist der Ansicht, dass die Verstärkung der Sicherheit von Kommunikation über das Internet durch die Benutzung von Kryptographie hohe Priorität hat", erklärte Liikanen dem Parlament.
Er unterstrich aber auch die Notwendigkeit, ein gewisses Maß an Kontrolle über Verschlüsselung zu bewahren, indem er den Wassenaar-Vertrag und die Exportkontrollen der EU für Dual-use-Güter verteidigte. "Die Kommission anerkannt die Notwendigkeit, ein Gleichgewicht zwischen der Verfügbarkeit von Krypto-Produkten und dem Schutz der öffentlichen Sicherheit und dem Kampf gegen organisiertes Verbrechen zu erhalten". Liikanen fügte hinzu, dass "die Kommission an besseren Verschlüsselungssystemen zum Schutz ihrer eigenen Kommunikationsstrukturen arbeitet".
Eine ähnliche Argumentationsstruktur verfolgte Liikanen in seinen Ausführungen über die Politik der Kommission bezüglich des Datenschutzes. Die Kommission würde ein hohes Niveau des Datenschutzes befürworten, doch Aktivitäten auf dem Gebiet der Nachrichtensammlung und der Polizei- und Justizzusammenarbeit seien davon ausgenommen, denn die Kommission habe darauf keinen Einfluss. Er nannte explizit einen Artikel der Datenschutz-Direktive für Telekommunikation, der besagt, dass die Direktive auf die Aktivitäten bezüglich der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und im Justiz- und Innenbereich der Europäischen Union nicht anwendbar ist. Dieser Artikel betrifft "das ökonomische Wohlergehen der Mitgliedsstaaten, wenn die Aktivitäten auf staatliche Sicherheitsaspekte bezogen sind" als ausgenommen von den Regeln über Datenschutz.
Eine Aussage von Herrn Liikanen ist von besonderem Interesse. Er bestätigte, dass der Rat für Justiz und Inneres immer noch an einer "Aktualisierung des Ratsbeschlusses vom 17.Januar 1995" arbeitet, den sogenannten ENFOPOL-98-Dokumenten, die von Telepolis enthüllt worden waren. Er sagte nicht, wie weit diese Arbeit fortgeschritten sei und wann Entscheidungen darüber zu erwarten seien.
Übersetzung: Armin Medosch