Europäischer Haftbefehl für Puigdemont und vier Ex-Minister
Der abgesetzte katalanische Präsident will in Brüssel bleiben, aber an der Wahl im Dezember teilnehmen, mit dem Haftbefehl ist der innerspanische Konflikt einer der EU geworden
Die spanische Richterin Carmen Lamela der Audiencia Nacional, des spanischen Staatsgerichtshofs, hat für den von Madrid abgesetzten katalanischen Präsidenten Carles Puigdemont, der aufgrund der Anklage auf Rebellion nach Brüssel geflohen war, wie erwartet einen Europäischen Haftbefehl ausgestellt. Damit wird der Konflikt zwischen den Unabhängigkeitsbefürwortern in Katalonien und der spanischen PP-Regierung endgültig zu einem europäischen Problem, was man in der EU gerne vermieden hätte.
Puigdemont hat es bereits abgelehnt, sich in Spanien verhören und vor Gericht stellen zu lassen. Er bezweifelte einen fairen Prozess und wurde bestätigt, nachdem die Staatsanwaltschaft die katalanischen Minister, die nach Madrid zu einem Verhör gekommen waren, sofort wegen Fluchtgefahr inhaftieren ließ und damit weitere politische Gefangene schaffte, was die Stimmung entsprechend anheizt. Die spanische Regierung, die wegen des harten und auf Eskalation ausgerichteten Vorgehens kritisiert wurde, verwies auf die Gewaltenteilung, als habe man damit nichts zu tun. Kaum möglich wird es sein, die ehemalige katalanische Regierung wegen Rebellion zu belangen, schließlich wurde immer zur Gewaltfreiheit aufgerufen.
In Belgien, wohin Puigdemont mit vier weiteren Ex-Ministern geflüchtet ist, dürfte die Entscheidung, wie auf den Europäischen Haftbefehl reagiert wird, auch zu Konflikten führen. In Brüssel ist nicht nur der Sitz der EU, Belgien ist auch selbst zerrissen zwischen Flamen und Wallonen. Die Flamen neigen ebenfalls zum Separatismus, der flämische Migrationsminister Theo Francken hatte Puigdemont in Aussicht gestellt, dass er politisches Asyl erhalten könne, der wallonische Ministerpräsident Charles Michel hatte ihn in die Schranken gewiesen.
Nun aber muss die belgische Regierung entscheiden, ob die spanische Anklage auch nach belgischem Recht strafbar ist, um eine Auslieferung zu befürworten oder abzulehnen. Ob die nach spanischem Recht strafbare Rebellion in Frage kommt, kann bezweifelt werden, es könnte aber die von Madrid behauptete Veruntreuung von Steuergeldern für das vom Verfassungsgericht verbotene Unabhängigkeitsreferendum eine Möglichkeit darstellen. Noch aber sucht die spanische Regierung dafür nach Beweisen. Belgien muss entscheiden, ob man die fünf katalanischen Politiker in Haft nimmt oder sie in Freiheit lässt, bis über die Auslieferung entschieden ist. Das kann sich noch zwei Monate hinziehen, was heißt, dass die Wahl in Katalonien schon vorher stattfindet.
Puigdemont sieht sich weiterhin als legitimen katalanischen Präsidenten. Und er hat gestern angekündigt, dass er auch zu der von Madrid angeordneten Wahl am 21. Dezember antreten will, auch wenn es von Brüssel aus sein sollte: "Wir leben heute in einer globalisierten Welt." Eigentlich habe man noch zwei Jahre der Regierung, die spanische Regierung habe kein Recht, "die Legitimität einer Regierung zu annullieren und ihre Mitglieder einzusperren".
Bei der Wahl im Dezember gehe es nicht um die Unabhängigkeit, sondern um das Ja oder Nein zur Demokratie: "Wird die spanische Regierung das Ergebnis der Wahl respektieren?" Alle Parteien der abgesetzten Regierungskoalition wollen an der Wahl teilnehmen, die damit auch zur Abstimmung über die Unabhängigkeit und über die Intervention Madrids wird.
In ganz Katalonien fanden gestern Protestveranstaltungen statt, auf denen die Freilassung der "politischen Gefangenen" gefordert wurde. Das Vorgehen der spanischen Regierung und Staatsanwaltschaft schürt den Konflikt. Man kann durchaus bezweifeln, ob die PP-Regierung einen Plan B hat, wenn im Dezember bei den Wahlen die Parteien der abgesetzten Regierungskoalition erfolgreich werden. Die Katalanen könnten sie nicht deswegen wählen, weil sie sich für die Unabhängigkeit eingesetzt haben, sondern wegen der überzogenen Haltung der Zentralregierung, die in Katalonien sowieso kaum repräsentiert ist.