Europas Freiheitskampf?
Was für die neuen Ideale geopfert wird. Ein Zwischenruf
In der vergangenen Woche hat das EU-Parlament gefordert, gegen Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) Sanktionen zu verhängen, die unter anderem ein "Einfrieren" des Vermögens vorsehen. Kein Medium hielt es bisher für nötig, diesen Vorgang als das zu benennen, was er darstellt: das Ende rechtsstaatlicher Prinzipien.
Man muss nicht alles gut finden, was der Altkanzler gemacht hat, erst recht nicht den politischen Drehtür-Lobbyismus, der im Übrigen ein Markenzeichen "westlicher Demokratien" ist. Aber strafbar hat er sich nun mal nicht gemacht. Trotzdem droht ihm eine Zwangsmaßnahme, die weit einschneidender ist als jede Geldstrafe. Man wird nun einwenden, eine "Sanktion" sei ja keine Strafe und ein "Einfrieren" kein Verlust.
Aber wo genau liegt eigentlich der Unterschied? Kaum jemand scheint Parallelen zu erkennen, solange das ganze nur andere Worte gekleidet wird. Gerne würde ich die dogmatische Abgrenzung zum "Gesetz über die Einziehung von staats- und volksfeindlichem Vermögen" verstehen, das am 14. Juli 1933 beschlossen wurde, um – nicht lachen – "sozialdemokratischen Umtrieben" dienendes Vermögen einer staatsfeindlichen Verwendung auf Dauer zu entziehen.
Heute ist die SPD wieder auf Linie. Nachfolger Scholz befindet gnädig, weitere Sanktionen seien "im Moment nicht nötig", aber wäre es nicht vielleicht nötig, die totalitäre Machtfülle der EU zu begrenzen? Gegen jeden Strafzettel kann sich der Bürger in drei Instanzen wehren, gegen die als Verwaltungsmaßnahme verpackte "Sanktion" müsste man jedoch erst den Europäischen Gerichtshof anrufen, um dort seine Unschuld darzutun. Wo leben wir eigentlich? Was hindert die EU daran, in Zukunft jede beliebige Person wegen irgendetwas zu "sanktionieren"?
Aber nun zu Schröders Verfehlungen. Politiker in Aufsichtsräten, und seien es kriegslüsterne Rüstungskonzerne, haben bisher niemand gestört. Sein eigentliches Vergehen, für das ihn die Öffentlichkeit verurteilt, war "Mea culpa ist nicht mein Ding", das Verweigern der stalinistischen Selbstkritik seiner Partei, die nicht einen Gedanken darauf verschwendet, ob es zu diesem Krieg vielleicht nie gekommen wäre, hätte man Schröders Politik fortgesetzt. Nicht umsonst war er der erste Kanzler, den die USA abhörten und wahrscheinlich der Letzte, der Putin zuhörte.
EU-Sanktionen gegen Russland (13 Bilder)
Erstes Sanktionspaket
Was waren noch mal unsere "westlichen Werte"? Meinungsfreiheit? Berufsfreiheit? Garantie des Eigentums? Das alles ficht den moralischen Kompass des Gutmenschen, geeicht auf Twitter, nicht an. Wer Fragen stellt, ist "Putins Anwalt", wenn nicht gar "Putinknecht". Die "Nähe zu Putin" ist heute der Universaltatbestand, den das gesunde Volksempfinden im Kampf gegen den bolschewistischen Todfeind 2.0, Russland, gesühnt haben will.
Aber vergessen wir nicht: Schließlich kämpfen "wir" hier in Europa für die Freiheit – militärisch bis zum letzten Ukrainer, wirtschaftlich bis zum Ruin und politisch notfalls bis zum letzten Grundrecht als Kollateralschaden. Gruselig ist: die überwiegende Mehrheit applaudiert.