Europas erfolgreichste Protestpartei

Beppo Grillo im Oktober 2015. Bild: Revol Web/CC-BY-2.0

Ein Portrait der italienischen Fünf-Sterne-Bewegung

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Beppe Grillos Fünf-Sterne-Bewegung erobert Italien. Die zweitstärkste Partei etabliert sich definitiv im politischen System und wird zum Groβakteur.

Die Fünf-Sterne-Bewegung, oder Movimento 5 Stelle, versteht sich nicht als Partei, sondern als politische Bewegung, als freie Bürgerversammlung. Man könnte den Eindruck gewinnen, sie habe weder eine parteienübliche Struktur noch jegliche formale Organisation. Doch dem ist nicht so.

Die Meetups, also die virtuellen Treffen, sind die Parteikreise oder Sektionen. Diskussionen und Entscheidungsprozesse erfolgen auf einer Online-Plattform, die jetzt Rousseau heiβt. Jedes Mitglied unterliegt auβerdem einem ethischen Kodex und strengen Regeln.

Die Cinque Stelle haben sich mittlerweile auch ein fünfköpfiges Direktorium, ein Zentralkomitee, gegeben, in dem die wichtigsten Exponenten sitzen - quasi die Garanten dieses Systems. An der Spitze gibt es die Figur eines charismatischen Führers, Beppe Grillo. Er ist Begründer und Sprachrohr dieses sogenannten "cyberutopistischen", post-ideologischen Organismus, der sich weder als rechts noch als links bezeichnet.

Ein wenig Occupy, ein wenig Piratenpartei, ein wenig spanische Indignados - es ist nicht immer klar, wofür diese Partei eigentlich konkret steht: Linkstendenzen, wie etwa die Befürwortung der Energiewende oder des bedingungslosen Grundeinkommens vermengen sich mit einer europaskeptischen Haltung und einer harten Hand in der Migrationspolitik.

Eins ist klar: Die Fünf Sterne haben sich nach den Kommunalwahlen vorerst etabliert und sind erfolgreich wie nie. Sie agieren im Parlament als einzige ernstzunehmende Oppositionskraft, da sie sich bei der Parlamentswahl 2013 25,6 Prozent der Stimmen geholt hatten und somit die zweitstärkste Kraft hinter der Demokratischen Partei (PD) wurden. 2014 erhielt die M5S bei den Europawahlen 21,15 % der Stimmen und 17 Sitze im Europaparlament. Alle Parlamentarier schlossen sich geballt der EU-skeptischen Fraktion Europa der Freiheit und der direkten Demokratie an.

Junge Wähler und "Net Democracy"

Wer wählt die Fünf-Sterne-Bewegung? Laut Umfrage sind es meist junge Menschen, Studenten, Arbeitslose, Kleinunternehmer, Freiberufler, Angestellte und Lehrer. Bei den Wahlkämpfen wird an deren Unbehagen, Frust und Politikverdrossenheit appelliert - alles Kinder der Krise und der daraus resultierenden sozialen und wirtschaftlichen Missstände. Grillo wird dann zur Vox Populi, die sich gegen die korrupte politische Kaste Italiens und die Brüsseler Technokraten aufbäumt.

Der Genueser Kabarettist und der erst kürzlich verstorbene Internet-Unternehmer und Marketingstratege Gianroberto Casaleggio aus Mailand gründete die M5S, deren fünf Sterne für Umwelt, Zugang zu Wasser, nachhaltige Entwicklung, allgemeinen Internetzugang und Ausbau der Infrastruktur stehen, im Jahr 2009. Casaleggio war auch Gründer und Vorsitzender der IT-Gesellschaft Casaleggio Associati, Theoretiker des Internets und Verfechter einer "Net Democracy": Das Internet soll die künftige direkte Demokratie ermöglichen, bei der alle Entscheidungen von den Mitgliedern online getroffen werden. Dazu wurde ein täglich aktualisierter Blog erstellt, der bereits im Jahr 2008 zu einem der am meisten angeklickten und einflussreichsten der Welt zählte.

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