Extragalaktischer Schattenwurf eines Schwarzen Giganten

Bild: EHT Collaboration

Erstmals bildeten Astronomen mit dem Event Horizon Telescope im Radiolicht den Schatten des Ereignishorizontes eines supermassereichen Schwarzen Loches ab

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Innergalaktischer Gruß

Ein Zischen. Ein Rauschen, flankiert von einem leisen Knistern. Eine unbekannte Strahlungsquelle im Radiobereich, kommend aus einer nicht näher bestimmbaren Region des Himmels. Ein lästiges Geräusch, das auf einer Wellenlänge von 14,6 Meter den Äther zwar nur dezent durchdringt, aber dessen alternierende Intensität höchst mysteriös anmutet. Was kann der Ursprung dieser exotischen Emission sein? Weshalb verschiebt sich die Quelle periodisch?

Als Ende 1931 der 26 Jahre junge Physiker Karl Guthe Jansky aus Norman/Oklahoma (USA) als erster Mensch diese beiden Fragen aufwarf, ahnte noch keiner, dass er damit eine Tür zu einer völlig neuen Fachrichtung innerhalb der Astronomie öffnen würde. In einer Ära, als Astronomen bereits wussten, dass der Weltenraum von kosmischer Strahlung erfüllt war und dass heiße Körper auch Radiowellen emittieren, erkannte Jansky als Erster deren wahre Bedeutung und avancierte zum geistigen Vater der Radioastronomie. Mithilfe einer selbstkonstruierten 30,5 Meter lange Richtantennen-Anlage untersuchte er ab Herbst 1930 im Auftrag der Bell Telephone Laboratories (BTL) in Holmdel, New Jersey (USA), jene atmosphärischen Störquellen, die vor allem bei transozeanischen Übertragungen ständig dazwischenfunkten.

Karl G. Jansky (1905-1950) und seine Apparatur, die an das Fluggerät der Gebrüder Wright erinnert. Bild: National Radio Astronomy Observatory (NRAO)

Nachdem Jansky seine Richtantenne mit einem Lautsprecher verbunden hatte, tauchte er in die Welt der kosmischen Sphärenmusik ein. Aus allen Himmelsrichtungen prasselten Strahlenpartikel auf sein Instrument. Schnell kristallisierte sich hierbei heraus, dass zwei Störgeräusche von lokalen oder weit entfernten starken Gewittern und Blitzschlägen herrührten. Doch die dritte Störquelle strahlte regelmäßig. Zwar schwach, dafür mit einem enervierenden Hintergrundknistern. Nach weiteren Observationen fiel es ihm plötzlich wie Schuppen von den Augen: Die Quelle der geheimnisvollen Störgeräusche musste direkt im Zentrum der Milchstraße liegen, im Sternbild Sagittarius (Schütze). Hier pulsierte eine starke Radioquelle …

Supermassereiche Schwarze Löcher auf Diät

Was Karl G. Jansky damals nicht wissen konnte, ist heute in Astrophysik und Kosmologie etabliertes Lehrbuchwissen: Im Zentrum der Galaxis diktiert eine extrem starke Radioquelle das Geschehen. Ein gigantisches Objekt im Herzen der Milchstraße von elektromagnetischer und gravitativer Dominanz. Es ist jenes, dessen Störfeuer er dereinst hörte.

Gut 90 Jahre später zählt Janskys Radioquelle zum besterforschten Exemplar seiner Art. Es handelt sich dabei um das supermassereiche Schwarze Loch Sagittarius A* (Sgr A*), dessen magische Anziehungskraft im wahrsten Sinne des Wortes innergalaktisch ist. Eingebettet im Kern unserer Galaxie zählt die 26.500 Lichtjahre von der Erde entfernte Schwerkraftfalle mit ihren 4,1 Millionen Sonnenmassen zu den mittelgroßen Exemplaren ihrer Gattung.

Bild: ESO

Schwarze Löcher sind spukende Sternleichen, Gespenster toter massereicher Sterne und geistern schon seit Jahrmilliarden in unterschiedlichen Größenklassen durch das Universum. Sie präsentieren sich im Kosmos in drei grundverschiedenen Größenklassen: mal als stellare Schwarze Löcher von nur wenigen Kilometern Durchmesser, die einem Muttergestirn entstammen, das nur einige Male schwerer ist als unsere Sonne; mal als mittlere (10.000 bis 100.000 Sonnenmassen) oder eben als supermassereiche Schwarze Löcher mit rund einer Million bis zu mehreren Milliarden Sonnenmassen. Viele der gigantischen Schwerkraftfallen nisten sich vorzugsweise in Galaxienzentren ein, wo sie sich in der Regel auffallend ruhig verhalten - wie auch Sgr A*.

Der Grund hierfür könnte einfacher nicht sein: In der unmittelbaren und weiteren Umgebung von Sgr A* ist kaum mehr Materie und Energie vorhanden, mit denen er seinen grenzenlosen Appetit stillen könnte. Wie beim Gros seiner Artgenossen herrscht bei ihm derweil materielle Tristesse. Weder durch allzu große Aktivität noch übermäßige Leuchtkraft weiß er aufzufallen. Von dem gleichen Schicksal wurde auch das supermassereiche Schwarze Loch in der Riesengalaxie M87 heimgesucht, das unglaubliche 6,5 Milliarden Sonnenmassen aufweist, aber ebenso auf Zwangsdiät gesetzt wurde.

In der Bildmitte ist der Halo der gigantischen elliptischen Galaxie Messier 87 zu sehen, in dessen Innern das fotografierte Schwarze Loch vagabundiert. Bild: Chris Mihos (Case Western Reserve University)/ESO

Einstein & Co.

Schwarze Löcher kommen nicht geisterhaft aus dem Nichts, sondern entstehen, wenn ein massereicher Stern seinen Energievorrat verbraucht hat. Kollabiert ein Stern ab der 20-fachen Masse der Sonne, mutiert er - angetrieben von seiner Masse und Schwerkraft - zu einem Schwarzen Loch, zu einem undefinierbaren Gebilde, dessen Radius später allenfalls wenige Kilometer misst. Je schwerer der Stern, umso heftiger fällt er in sich zusammen. Bereits Albert Einstein hat diesen Effekt antizipiert.

Laut seiner Allgemeinen Relativitätstheorie (ART) krümmt Masse die Raumzeit. Je kompakter die Materie und je höher die Masse, desto stärker die Raumkrümmung und desto größer die Anziehungskraft. Dass Objekte im All existieren könnten, die aufgrund ihrer hohen Gravitation Licht schlucken, ist eine Idee mit historischen Wurzeln. Bereits Geistesgrößen wie der französische Mathematiker Pierre-Simon Laplace oder der britische Geologe und Naturphilosoph John Michell haben im 18. Jahrhundert über das Vorhandensein kompakter Himmelskörper mit enormer Gravitation sinniert und fabuliert. Seinerzeit bezeichneten sie das Phänomen als "Dunkle Sterne". Erst der deutsche Astronom Karl Schwarzschild erbrachte unter Anwendung der Allgemeinen Relativitätstheorie 1916 den mathematischen Nachweis für das Vorhandensein dieser rätselhaften Objekte.