FBI hat sich Lauschangriffe erflunkert
Ärger zwischen Justizministerium und FISA-Gericht
Das FISA-Gericht (benannt nach dem Foreign Intelligence Surveillance Act) ist eigentlich ein Geheimgericht - so geheim, dass keine seiner Entscheidungen seit seiner Gründung 1978 publik gemacht wurde. Doch vor ein paar Tagen wurde nun zum ersten Mal eine Entscheidung veröffentlicht, und gegen die hat ausgerechnet das Justizministerium schon Berufung eingelegt.
Die USA trennen sehr sauber zwischen Lauschangriffen, die sich gegen Verdächtige in Strafrechtssachen bzw. gegen Personen in geheimdienstlichen Angelegenheiten richten. Das vierte Amendment schützt Amerikaner gegen unreasonable searches, und so sind Ermittlern auch de facto etliche Hürden in den Weg gelegt, ehe sie abhören können.
Allerdings sind diese Hürden für strafrechtliche Ermittler wesentlich höher als für die Geheimdienste. Damit aber auch die Geheimdienste nicht frei schalten und walten können, wurde 1978 durch den Foreign Intelligence Surveillance Act eine Sicherheitsinstanz eingeführt: das FISA-Gericht. Die sieben, seit kurzem elf Richter, treffen sich geheim und veröffentlichen ihre Entscheidungen nicht. Angeblich wurden von mehr als 7.500 Anfragen nur eine einzige nicht gewährt.
Unter der Clinton-Administration (nach dem Oklahoma-Attentat) begann die massive Ausweitung der Befugnisse des FISA-Gerichts. Es konnte seitdem nicht nur Lauschangriffe, sondern auch Hausdurchsuchungen genehmigen. Das gefundene Material konnte nicht nur, wie früher, für die geheimdienstliche Auswertung herangezogen werden, sondern auch als Beweismittel in Strafrechtsverfahren dienen - ein den amerikanischen Rechtsempfinden zutiefst zuwiderlaufendes Verfahren: Ermittler können ohne Durchsuchungsgenehmigung eines normalen Gerichtshofs in Wohnungen eindringen, dies ohne vorherige oder nachträgliche Benachrichtigung des Beschuldigten tun und müssen nicht einmal eine Liste der mitgenommenen Gegenstände erstellen.
Unschön für die Betroffenen, praktisch für die Ermittler, sodass immer mehr FBI-Anfragen an das FISA-Gericht herangetragen wurden. Nach außen drang davon nichts, da ja die Entscheidungen nicht publiziert wurden. Intern gärt es aber schon seit längerem. Das FISA-Gericht mag ein Geheimgericht sein, aber ganz auf den Arm nehmen will man sich dann doch nicht lassen. Es gab im letzten Jahr bittere Beschwerden, dass FBI-Agenten im Zusammenhang mit der Abhörung von angeblichen Hamas-Leuten falsche Erklärungen vor dem FISA-Gericht abgegeben hatten. Als Folge dieser Beschwerden wurde vom Justizministerium eine Untersuchung gegen führende FBI-Mitarbeiter eingeleitet, die noch läuft.
Dass der mutmaßliche Möchtegern-911-Attentäer Moussaoui nicht ernsthafter in die Mangel genommen wurde (immerhin wurden sein Computer und sein restlicher Besitz im Sommer 2001 nicht untersucht), dafür macht das FBI jetzt auch das FISA-Gericht verantwortlich: Angeblich hatte man sich nicht mehr getraut, das Gericht um eine Durchsuchungserlaubnis anzugehen.
Dabei hat das FISA-Gericht umgekehrt eine Menge guter Gründe, dem FBI nicht mehr zu trauen: In einer Entscheidung vom Mai dieses Jahres, die vor ein paar Tagen aufgrund einer Anfrage dreier Senatoren publik gemacht wurde, beschwert sich das Gericht, dass es in 75 Fällen vom FBI irregeführt worden sei: falsche Erklärungen, dass Zielperson nicht unter strafrechtlicher Anklage stehe, Weitergabe gewonnener Informationen an Leute, die diese nicht hätten erhalten dürfen (sprich: strafrechtliche Ermittler), Verschleierung der Tatsache, dass es frühere Kontake zwischen Zielperson und FBI gab.
In derselben Entscheidung hat das FISA-Gericht beschlossen, dass Ankläger, die Informationen von nachrichtendienstlichen Agenten wollen, zuerst das Justizministerium ins Benehmen setzen und Rechtsanwälte zur Teilnahme einladen müssen, um so weiteren Missbrauch der geheimdiensten Methoden des Informationsgewinns zu verhindern.
Gegen diese FISA-Entscheidung ist das Justizministerium unter Ashcroft in Berufung gegangen. Dies ist das erste Mal, dass gegen eine FISA-Entscheidung in Berufung gegangen wurde, aber angesichts der oben zitierten Bilanz ist das wohl nicht weiter verwunderlich.
Hintergrund dieser Entscheidung ist, dass das Justizministerium auf Grundlage des Patriot Act einen ausgedehnteren Datenfluss zwischen Strafermittlern und Geheimdiensten erzwingen wollte. Die Interpretation des Patriot Acts durch das FISA-Gerichts ist dem Justizminister nun viel zu eng.
Ashcroft argumentiert, wie nicht weiter verwunderlich, mit der Terroristengefahr. Terroristengefahr hin, Terroristengefahr her: Ermittlungsbehörden haben dennoch keinen Anlass, Gerichtsentscheidungen aufgrund von offensichtlichen Lügen herbeizuführen - zumal wenn sie andererseits darauf verzichten, bei mutmaßlichen Terroristen die entsprechenden Vollmachten zu beantragen, weil sie wary sind.