FPÖ-Anwalt sieht keine Wahlmanipulation, aber große Erfolgsaussichten
Innenminister weitet Ermittlungen aus - Verfassungsgerichtshof legt andere Verfahren auf Eis
Der Rechtsanwalt Dieter Böhmdorfer, der zwischen 2000 und 2004 österreichischer Justizminister war und die FPÖ bei ihrer Anfechtung der Bundespräsidentenwahl vertritt, sagte der ORF-Sendung Im Zentrum, man behaupte in der Klage nicht, dass es absichtliche Manipulationen gab, glaube aber nichtsdestotrotz, sie habe "große Erfolgsaussichten", weil Manipulationen für eine Ungültigkeitserklärung gar nicht notwendig seien. Dazu reichten bloße "Verletzungen des Wahlgesetzes" aus, die man in großer Zahl gesammelt habe.
So seien 120.067 Wahlkarten vorzeitig geöffnet und 58.374 ohne die Bezirkswahlbehörde ausgezählt worden. 30.295 Wahlkarten aus vier Wahlbezirken habe man rechtswidrig bereits vor Montag 9 Uhr ausgewertet.
Die Möglichkeit, dass bei der Wahlauszählung vorsortiert, vorzeitig geöffnet, vorzeitig ausgezählt oder anderweitig vorschriftswidrig vorgegangen wurde, räumt auch der christdemokratische Innenminister Wolfgang Sobotka ein. Sein Ministerium hatte der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft im Mai Verdachtsfälle aus sechs Bezirken gemeldet. Nun wurde diese Anzeige Bundeswahlbehördenleiter Robert Stein zufolge auf "alle Bezirke ausgeweitet, die in der Anfechtung der FPÖ genannt werden". Fragen dazu muss Stein nach die Staatsanwaltschaft beantworten, die bislang schweigt.
Briefwahl soll reformiert werden
Außerdem will sich Sobotka am Mittwoch mit Juristen und Wahlbehördenvertretern aus Städten und Gemeinden treffen, um mit ihnen über eine Reform der Briefwahl zu verhandeln, die unter anderem vom FPÖ-Vorsitzenden Heinz-Christian Strache gefordert wird (vgl. Strache: Wahrscheinlichkeit für Wahlanfechtung bei über 50 Prozent). Dabei soll die Briefwahl nicht grundsätzlich infrage gestellt, sondern nur deren Vollzug verändert werden.
So prüft man beispielsweise, ob die Briefwahlstimmen nicht erst am Montag, sondern schon am Wahlsonntag ausgezählt werden sollten, und wie man Wahlhelfer so schult, dass sie weniger Fehler machen. Als wahrscheinlich gilt, dass ein zentrales Wählerregister "mit einer zentralen Datenbank über die Wahlkarten" eingerichtet wird. So ein Register hatten in der Vergangenheit sowohl die Freiheitlichen als auch die Grünen gefordert.
Der österreichische Verfassungsgerichtshof (VfGH), bei dem die Wahlanfechtungsklage der FPÖ letzte Woche einging, hat währenddessen mehrere andere Verfahren auf Eis gelegt, um fristgerecht bis zum 6. Juli entscheiden zu können. Alle im Juni angesetzten mündlichen Verhandlungen wurden abgesagt - darunter Termine zum Jagdgesetz, zum Tiroler Flurverfassungslandesgesetz, zum Verbandsverantwortlichkeitsgesetz und zur Sonderpensionskürzung von Bahnmitarbeitern.
Standard präsentiert mögliches FPÖ-Schattenkabinett
Der Standard spekuliert angesichts der anhaltend guten Umfragewerte der FPÖ bereits über ein Schattenkabinett, das Heinz-Christian Strache vor der nächsten Wahl der Öffentlichkeit vorstellen könnte (was ihm Umfragen angeblich nahelegen). Eine wichtige Rolle darin könnte - wenig überraschend - Norbert Hofer spielen. Der Burgenländer war in der Vergangenheit unter anderem Umwelt- und Energiesprecher seiner Partei und könnte dieses Ressort übernehmen, wenn er kein Kompromisskanzler in einer Koalition mit der ÖVP oder doch noch Bundespräsident wird. Durch sein diplomatisches Auftreten wäre für Hofer auch der Posten eines Außenministers denkbar, wenn der Amtsinhaber Sebastian Kurz Kanzler wird.
Außenminister wäre aber wahrscheinlich auch der Wunschposten des Wiener Nationalratsabgeordneten Johann Gudenus, den die Zeitung flapsig als "Russenfreund mit Ambitionen" charakterisiert. Der Jurist, der als Gast an der Moskauer Lomonossow-Universität studierte, spricht fließend Russisch und ist Absolvent der Diplomatischen Akademie Wien. Weil er Wahlbeobachter auf der Krim war, könnten ÖVP oder SPÖ als Koalitionspartner allerdings ein Veto gegen ihn einlegen.
Schatten-Justizminister könnte der oberösterreichische FPÖ-Landeschef Manfred Haimbuchner werden, der in den Rechtswissenschaften promovierte und im Nationalrat Mitglied des Justizausschusses war. Der Welser gilt als entschiedener Gegner hoher Staatsausgaben und möchte unter anderem bei öffentlichen Bauten sparen, weshalb ihm eine Sprecherin der Architektenkammer vorwarf, er habe "kein Sinn für Ästhetik". Ein Vorwurf, den manche Wähler als Kompliment verstehen könnten.
Als Anwärter auf den Posten des Verteidigungsministers präsentiert der Standard den Vorarlberger Bibliothekar und Milizoberst Reinhard Bösch, der "sich als Vorsitzender des Landesverteidigungsausschusses auch bei den anderen Fraktionen Respekt verschafft" hat. Schatten-Sozialminister könnte dem Blatt nach der Kärntner Arbeitersohn und Spinoza-Kenner Herbert Kickl werden, der optisch ein bisschen an einen jungen Josef Hader erinnert. Kickl tritt dafür ein, dass Zuwanderer getrennt sozialversichert werden und erst dann einen Anspruch auf Arbeitslosengeld bekommen, wenn sie eine gewisse Zeit sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren.
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