Fahrradmitnahme bald im ICE?
Deutschland noch Schlusslicht bei der Fahrradbeförderung in Hochgeschwindigkeitszügen
In den meisten europäischen Ländern deutet die Bezeichnung "Express", "Schnellzug", oder "Eilzug" ironischerweise auf die langsamsten Züge hin, die es überhaupt noch gibt. Die Bezeichnungen stammen noch aus der Zeit, als diese Züge noch schneller als die langsameren Züge waren - vor allem, weil sie nicht überall hielten, nicht weil sie wirklich schneller waren. Mit dem ICE verdrängt nun ein sogenannter Hochgeschwindigkeitszug die Schnellzüge. Und da der ICE bis heute keine Fahrradmitnahme kennt, wird es zunehmend eng für Fahrradurlauber. Das hatte die EU noch im September kritisiert. Nun legte der deutsche Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee nach - Deutschland soll den Anschluss zu einem nachhaltigen Tourismus finden.
So sagte Tiefensee im Gespräch mit der Zeitschrift Radwelt vom ADFC: "Ich setze mich dafür ein, dass eine ICE-Pilotstrecke mit der Möglichkeit zur Rad-Mitnahme eingerichtet wird. Die Erfahrungen sollten dann in Ruhe ausgewertet werden." Dabei gab es schon eine Teststrecke, deren Ergebnisse jedoch unter Verschluss gehalten wurden. Die Bahn befürchtet, die Fahrradplätze würden sich nicht rentieren und die Radfahrer könnten womöglich beim Ein- und Aussteigen den Zug aufhalten.
Eckehard Lüdke vom ADFC nannte Tiefensees zögerlichen Vorstoß "überfällig", denn es sei "grotesk, in Zeiten eines boomenden Fahrradtourismus und angesichts der Klimaproblematik die Kombination der umweltfreundlichsten Verkehrsmittel immer weiter auszudünnen". Wer z.B. mit dem Fahrrad die Atlantikküste bei Bordeaux von Berlin aus erreichen will, kann entweder mit deutschen Regionalzügen nach Strasbourg und ab dort mit dem französischen TGV fahren oder das Fahrrad im Flieger mitnehmen.
Das Ausland zeigt also, dass die Fahrradmitnahme in Hochgeschwindigkeitszügen klappen kann. In der Schweiz kann man sein Fahrrad im ICN mit einer Reservierung mitnehmen; der neuerliche Protest richtete sich nur gegen die Reservierungspflicht. Auch im französischen TGV gibt es seit 2006 ein spezielles Fahrradabteil (deutschsprachige Infos). Auf der neuen Strecke Strasbourg-Paris befördert der TGV bis zu vier Fahrräder. Aber wer sonst von Deutschland nach Paris sein Fahrrad mitnehmen will, muss aufpassen, denn "die Linie Paris - Forbach - Frankfurt wird von deutschen ICE übernommen, die keine Fahrräder mitnehmen. Im TGV Ost können Fahrräder transportiert werden, ohne dass sie zusammengelegt werden müssen", so ein Beobachter.
Dass bahnfahrende Fahrradurlauber ein wichtiger Sektor sind, will die EU in einer Studie herausgefunden haben: "Der Fahrrad-Tourismus boomt seit 20 Jahren mit zweistelligen Zuwachsraten pro Jahr", und fügt hinzu: "Fahrrad-Touristen geben täglich mehr Geld aus als Auto-Touristen."
Klapprad als Alternative?
Die zwei Hauptargumente, die die Deutsche Bahn AG gegen Fahrräder im ICE anführt (Zeitverzögerungen und Rentabilität), fallen natürlich weg, wenn man ein Klapprad mitnimmt, denn dieses kann als Gepäckstück ganz normal verstaut werden. Größer als ein normaler Reisekoffer ist selbst ein 20"-Klapprad nicht, wenn es zusammengefaltet ist. Und solche Klappräder müssen nicht mickrig sein; sportlich Modelle wie Birdy sind auch zu haben und fühlen sich beim Fahren so bequem an wie normale Räder auch. Birdy hat sogar einen eigenen "Pilotenkoffer", und die Firma wirbt damit: "Der Koffer bietet auf Flugreisen oder beim Transport im Auto maximale Sicherheit und garantiert Sauberkeit." Wieso nicht in Zügen?
Die Probe aufs Exempel habe ich letzten Oktober gemacht. Gleich am Ticketschalter in Freiburg fragte ich, ob ich mein Klapprad im ICE zusammengeklappt als Gepäckstück mitnehmen darf. "Wenn es wie ein Koffer reinpasst, warum nicht?", lautete die Antwort. Da ich auch noch eine spezielle Tasche für das Rad besitze, fragte ich auch nach, ob ich so was haben muss. "Nein", hieß es.
Beim Umsteigen vom EC auf den ICE in Frankfurt wollte mich die Schaffnerin dennoch nicht einsteigen lassen. Ich wollte ihr zeigen, wie ich das Rad zusammenklappen und verstauen kann, aber sie schaute sich das nicht an, sondern holte nur einen männlichen Kollegen, der das Rad aus dem Regal entfernte und auf den Bahnsteig draußen stellte und mich beschimpfte, ich würde die Abfahrt des Zuges aufhalten. Da mein anderes Gepäck noch im Zug lag, musste ich schnell alles holen und aussteigen, um mein Fahrrad nicht zu verlieren.
Ich fragte die Schaffnerin beim ICE am gegenüberliegenden Gleis, was der Rausschmiss nun sollte, und sie sagte: "Ich weiß es nicht, bei mir hätten Sie mitfahren können." Nun würde ich meinen Termin - eine Tour durch die ökologischen Standorte und Experimente Amsterdams für Journalisten - verpassen. Wie komme ich nun weiter - ohne ICE?
Am Schalter in Frankfurt stellte der nette Kollege fest, dass der Schaffner offenbar recht hatte, aber: "Ich hätte Ihnen das Ticket auch so verkauft." Er empfahl mir, an den Schaffner des nächsten Zuges heranzutreten und meinen Fall darzustellen, denn man würde sicherlich ein Auge zudrücken. Die Schaffnerin vom nächsten ICE nach Amsterdam ließ mich dann nur widerwillig einsteigen. "Solche Fahrräder stellen ein Sicherheitsrisiko dar", hieß es. Als ich das zusammengefaltete Klapprad verstaut hatte, klemmte ein Pedal zwischen den Latten. Bei einer Vollbremsung würden zwar alle Koffer im Waggon durch die Lüfte fliegen, mein Klapprad würde sich aber erst bewegen, wenn das Pedal abbricht.
Nach zwei Tagen auf einer Konferenz in Amsterdam musste ich nun zu einer Tagung nach Lübeck - wieder mit ICE. Ich probierte mein Glück noch mal mit dem Schaffner, der jedoch rot anlief, als er mein Klapprad sah: "Mit dem steigen Sie nicht ein!", belehrte er mich, als ich auf ihn zuging. Auch er meinte, solche Fahrräder seien Sicherheitsrisiken: "Was glauben Sie, was passiert, wenn das Ding bei 300 km/h loskommt?!" Das Fahrrad musste ich auf dem Bahnsteig stehen lassen, um überhaupt rechtzeitig nach Lübeck zu kommen. Eine Amsterdamer Freundin rief ich vom ICE aus an, sie möge das Fahrrad bitte abholen, den Schlüssel würde ich ihr per Post zukommen lassen.
In Obenhausen musste ich umsteigen. Zwischen Amsterdam und Ochsenhausen fährt kein Zug 300 km/h, sondern eher 160, weil die Strecke dafür nicht ausgelegt ist. Wie der Zufall es haben wollte, streikten die Bahner zu der Zeit, um eine Arbeitsplatzgarantie bei der Privatisierung der Firma zu bekommen, und so musste ich eine Stunde mit dem Taxi zur nächsten Stadt fahren, um den letzten Zug nach Lübeck nicht zu verpassen. Kurz bevor ich einstieg, kam ein ICE am Gleis gegenüber an und ein Mann mit Klapprad stieg aus.
Mein Fahrrad - kein teures Birdy für 2.700 Euro, sondern ein normales Dahon-Modell für 400 - wurde leider geklaut, bevor ich es nach Hause bekommen konnte, aber immerhin habe ich nur den ersten Termin auf meiner Reise verpasst.