Fakten fürs Leben

Zehn Botschaften, die uns "Animal Crossing: Let’s go to the City" vermittelt

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Mit tierartigen Lebensgenossen über Gott und die Welt quatschen, Bäume durchschütteln, Pflanzen gießen, dem Museum Ausstellungsstücke spenden, Sternbilder kreieren, ins Theater gehen, sich vom Friseur hübsch machen lassen, und viele weitere Alltagsgeschehen sind der Mittelpunkt von „Animal Crossing: Let’s go to the City“ (Wii). Fragt sich nur, was einem die japanischen Entwickler so an Botschaften mit auf den Weg geben. Hier eine Auswahl, sozusagen die persönlichen Top Ten.

Mit der Schaufel kann man nach Ausstellungsstücken fürs Museum suchen. (Alle Screenshots: Magdans)
Helge Schneider oder Tobias Mann wären sicherlich unterhaltsamer
Irgendwie haben die in der Stadt nur Äußerlichkeiten im Kopf...
So ein Ärger! 3.000 Sternis zum Fenster rausgeworfen!
  1. Gib nie zu viel von dir preis: Mein Alter Ego muss im Auftrag des Ladenbesitzers Tom Nook eine Lieferung zu Klara bringen. Ist dies erledigt, spricht sie einen sogleich auf den Werbebrief an, den man für Tom Nook verfassen musste. Denn ohne gute PR geht gar nix. Klara kommt nun nicht umhin, uns zu erzählen, dass ihre Mutter sie immer darauf hingewiesen habe, nie das niederzuschreiben, was man selbst nie in einer Zeitung veröffentlichen würde – eine optimale Richtlinie für all jene, die sich in sozialen Netzwerken herumtreiben und keinen Bock auf Cyber-Mobbing haben!
  2. Geld regiert die Welt: Ja, ziemlich oller Käse, aber im Game ist das Verhältnis von Zahlungsmittel und Ware so was von durcheinander, dass man sich beinahe so fühlt als würde man im Bioladen um die Ecke stehen. Denn 4.800 Sternis für einen karierten Pullunder im Schickimickiladen Grazias Grazie hinzublättern, das scheint voll der Wucher zu sein! Alldieweil das eigene Haus gerade mal 18.400 Sternis kostet – letztlich also eine versteckte Kritik an überteuerten Preisen? Durchaus denkbar. Selbst wenn man als Angestellter bei Nintendo sicherlich genug Asche aufm Konto hat.
  3. Kommuniziere und du weißt, wer du bist: Jeder lebt in seinem eigenen Körper und nimmt die Welt somit um sich herum aus anderer Sicht wahr. Wie man auf seine Umwelt wirkt, wird also lediglich subjektiv aufgenommen. Die Entscheidungen, die jeder von uns im Laufe seines Lebens zu fällen hat, haben aber womöglich Auswirkungen auf andere. Vor allem muss man vorsichtig damit sein, was man dem anderen ins Gesicht sagt. Im Game kann es nämlich ganz schnell gehen und der Gesprächspartner ist zutiefst betroffen. Darauf legen die Entwickler besonderen wert, kann sich der Spieler doch bis zu fünf Empfindungen aneignen – „Sims“-Zocker dürfte dieser Aspekt ganz besonders reizen. Es sei denn, sie sind dem Ganzen überdrüssig.
  4. Wer sich auf die Theaterbühne wagt, muss kirre sein: Um sich eine der fünf Empfindungen aneignen zu können, muss mein Alter Ego in die Stadt fahren und sich eine Theaterkarte kaufen. Es wird einem allerdings weder ein Drama noch eine Komödie geboten. Stattdessen begrüßt ein Comedian namens Dr. Samselt die Gäste. Wider Erwarten hat der Typ leider nichts im Gepäck, was einen zum Lachen bringen könnte. Man bekommt eher Mitleid mit ihm, denn er steht wie ein armes Würstchen im Rampenlicht. Immerhin dauert sein Auftritt keine Dreiviertelstunde, sodass mein kleiner Protagonist bald den Saal verlassen und seine neue Empfindung ausprobieren kann. Die Reaktionen der anderen halten sich jedoch in Grenzen – reale Comedy-Veranstaltungen und „Die Sims“ sind tausendmal besser!
  5. Computer- und Videospiele sind nicht zwangsläufig unrealistisch: Frühaufsteher und Nachtratten werden keinen Spaß mit „Animal Crossing: Let’s go to the City“ haben. Denn in diesem Game gibt es Öffnungszeiten! Oh Scheiße, ja! Irgendwann stand mein Männchen nämlich vor verschlossener Tür, als es früh morgens Tom Nook einen Besuch abstatten wollte, um wieder mal Sachen an den Händler zu verkaufen. Aber nix da. Vielmehr bin ich dazu verdammt, meiner Figur zuzuschauen wie sie sich den Arsch abfriert! Geschneit hat es nämlich auch noch. Nur gut, dass der Schnee ideal zur digitalen Kugelwelt passt – also: Wie im echten Leben ist Geduld angesagt. Und eine Kaffeemaschine gibt’s ja auch noch. Zumindest in meiner Küche.
  6. In der Stadt regiert die Oberflächlichkeit: „Ich will dir ja nicht zu nahe treten, aber deine Schuhe könnten auch sauberer sein“, sagt Ricarda zu meiner Figur. Auf offener Straße! Direkt vor dem Brunnen, mitten in der Stadt! Die hat wohl nicht mehr alle Tassen im Schrank! Okay, ist ja nur ein Game. Aber zählen letztlich nicht die inneren Werte? Sicher, aber als ich gestern gezockt habe, hat das schon Trita gesagt. Das mit den verdreckten Schuhen. Also sollte ich mich eher fragen, ob das ein Wink mit dem Zaunpfahl ist. Der Schuhputzer scheint nämlich abwesend zu sein. Sollte mein Männchen besser die Arbeit erledigen? Aber Schuhe putzen? Ach nee, lieber nicht – wer aber Geld braucht, sollte sich nicht schämen, selbst derartige Jobs anzunehmen.
  7. Erwarte niemals zu viel von deinen Mitmenschen: Ganz zu Beginn muss der Protagonist Kurier spielen. Im Auftrag von Tom Nook hat er unter anderem einen Teppich bei Richie abzuliefern. Der hat im Leben nicht daran gedacht, dass die Lieferung so rasch bei ihm eintrudelt. Hätte er allerdings fest damit gerechnet, dann wäre die Enttäuschung umso größer, wenn ich mein Männchen nicht direkt zu seinem Haus gesteuert sondern unterwegs mit anderen Figuren ein Schwätzchen gehalten hätte. Insofern ist mir ein echter Überraschungseffekt gelungen – würde man sich voll und ganz von seinen Erwartungen an andere lösen, das Leben wäre weitaus entspannter! Das gilt auch für sämtliche Kulturprodukte, soll heißen: Hype kills.
  8. Sag dem Friseur jedes Detail: Schnipp schnapp, Haare ab. Damit Trude ja nicht zu viel abschneidet oder einem gar einen völlig neuen Look verpasst, der einem so ganz und gar nicht gefallen mag, sollte man genau aufpassen, was man der Coiffeuse auf ihre Fragen antwortet. Je nachdem ob der Stil ruhig, seriös oder auffällig sein soll, hat die Wahl schließlich auch Auswirkungen auf die Farbe, und nicht nur auf die Art des Schnitts. Weshalb das so wichtig ist? Weil wir zu sehr von Rollenspielen geprägt sind. Avatare lassen sich mittlerweile so nuancenreich verändern, dass es einen beinahe schon schockiert, wie locker die „Animal Crossing“-Entwickler damit umgehen – wer schon einmal entsetzt aus dem Friseurladen gerannt ist, weiß, was ich meine…
  9. Bettler am Straßenrand würden wir am liebsten ausblenden: Gut, es gibt da diesen komischen Kerl, passend Fred genannt. Fred ist Vorsitzender der Akademie des schönen Hauses, einer Organisation, die Leitfäden für Hausbesitzer erstellt und über ein Musterzimmer zu Präsentationszwecken verfügt. Fred könnte eigentlich auch auf der Straße sitzen, denn sein einst so luxuriöses Leben ging vor kurzem den Bach hinunter. Aber nein, ein Bettler in einem Game, das so harmlos und niedlich wie kaum ein anderes ist, scheint unangebracht. Da muss man schon „Baphomets Fluch 2.5“ spielen. Wie dem auch sei, in einem Game würde man womöglich den Bettler ansprechen. Weil man etwas erwartet – in der Realität schauen wir hingegen schnell weg, wenn jemand in der Fußgängerzone hockt.
  10. Wer normal reden kann, darf sich glücklich schätzen: Wer andere Nintendo-Titel, vor allem die Vorgänger von „Let’s go to the City“, kennt, wird wissen, dass all den knuffigen Figuren, denen man in diesem Game begegnet, nix anderes als Kauderwelsch über die Lippen kommt. Nach einer Spielzeit von drei bis vier Stunden (maximal!) geht einem das so dermaßen auf den Wecker, dass man die Tonausgabe der Lautsprecher leise drehen muss. Noch besser ist es sogar, sich parallel zum Zocken Kopfhörer aufzusetzen und Musik vom MP3-Player zu hören. Da ja sämtliche Dialoge lesbar sind, läuft niemand Gefahr, etwas zu verpassen – erhält den Langzeitwert des Produkts. Ein Ende gibt es nämlich irgendwie nicht.