Fall Snowden: USA drohen Venezuela und Russland

Seite 2: Tauziehen zwischen Russland und den USA

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Aber nicht nur Venezuela, sondern auch Russland bekommt den Druck der Weltmacht USA zu spüren. Nachdem Präsident Wladimir Putin Snowden zeitweiliges Asyl zugestanden hat, verlangten die beiden Senatoren Lindsey Graham (Republikaner) und Chuck Schumer (Demokraten), den in Sankt Petersburg geplanten G-20-Gipfel in eine andere Stadt zu verlegen.

Vor der Konferenz der 20 wirtschaftsstärksten Industriestaaten sollten Putin und Obama am 3. und 4. September in Moskau zu einem bilateralen Treffen zusammenkommen. Es wäre die zweite Reise Obamas nach Russland seit seinem Amtsantritt im Jahr 2009. Eine Absage des Treffens wäre ein Schlag für die russische Außenpolitik. Ein Einknicken vor Washington aber würde Putins Lage im Land schwächen. Allerdings können auch die USA in vielen internationalen Szenarien nicht ohne Russland agieren. Die Syrien-Krise und die US-geführte Besatzung in Afghanistan sind nur die beiden bekannteren Beispiele. Das Tauziehen und Snowden wird also weitergehen. Bis September wird sich zeigen, wer den längeren Atem hat.

Das temporäre Asyl für Snowden könnte für Russland ein Ausweg sein. Das venezolanische Flüchtlings- und Asylgesetz schreibt in Artikel 2 vor, dass "jede Person in der Bolivarianischen Republik Venezuela, in ihren diplomatischen Vertretungen, Kriegsschiffen oder -flugzeugen im Ausland Asyl beantragen kann". Eine ähnliche Regelung hatte bislang auch verhindert, dass der Flüchtige von der Regierung Ecuadors Asyl gewährt bekommt.

Nachdem Snowden aber den Flughafen Scheremetjewo verlassen hat, kann er in einer der südamerikanischen Botschaften den Asylantrag stellen. Wahrscheinlich wäre dann eine Reiseroute über Kuba nach Südamerika. Dabei müsste Snowden über die Barentssee geflogen werden, um ihn auf einer 11.000-Kilometer-Route zwischen Grönland und Island Richtung Süden zu bringen. Dieser Weg würde die Hoheitsgebiete der USA und alliierter Staaten umgehen, schrieb die Zeitschrift Foreign Policy. Eine weitere mögliche - allerdings sehr viel längere - Route würde über Sibirien und den Pazifik führen.

Auch Brasilien protestiert gegen US-Spionagenetzwerk

In Lateinamerika sind es freilich vor allem die US-kritischen Regierungen, die sich für eine Aufnahme des US-Whistleblowers einsetzen. Venezuela, Ecuador und Nicaragua koordinieren ihre Bemühungen, um dem 30-Jährigen politisches Asyl gewähren zu können. Das ergibt Sinn, weil diese Staaten aus politischen Gründen seit Jahren im Fokus der geheimdienstlichen Arbeit der USA stehen.

Vor wenigen Monaten erst wurden aus Venezuela zwei Mitarbeiter der US-Botschaft ausgewiesen, denen Spionagetätigkeiten vorgeworfen werden. Ähnliche Fälle gab es auch in anderen linksregierten Staaten, die auf eine unabhängigere Rolle der Region von den USA hinarbeiten. Während die Alliierten Washingtons - allen voran Kolumbien, Chile und Mexiko - zum Fall Snowden schweigen, hat die Regionalmacht Brasilien Protest angemeldet, nachdem die brasilianische Tageszeitung O Globo offenbar auf Basis der Snowden-Enthüllungen über breit angelegte Spionage der USA in Lateinamerika berichtet hatte.

Neben den Erdölstaaten Kolumbien, Mexiko und Venezuela ist demnach vor allem Brasilien Ziel der Überwachung der NSA und anderer Dienste. Die US-Akteure würden sich "nicht nur für militärische Sachverhalte interessieren, sondern auch für Geschäftsgeheimnisse" heißt es in dem Bericht. Dafür spricht, dass den von O Globo veröffentlichten Dokumenten zufolge vor allem die Energie- und Ressourcenpolitik in Venezuela und Mexiko Ziel der Spähaktionen war. Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff will den Fall nun vor die Vereinten Nationen bringen.

Während auf staatlicher Ebene das Tauziehen um Snowden andauert, reagierte indes auch die Netzgemeinde. Der an der Universität Oxford arbeitende Neurowissenschaftler Christian Honey hat eine Crowdfunding-Initiative ins Leben gerufen, um einen privaten Überflug für Snowden zu finanzieren. Auch wenn das Ziel von 200.000 US-Dollar sieben Tage vor Ende der Aktion noch um knapp 95 Prozent verfehlt wird - die Zusagen liegen bei gut 5.000 Dollar -, zeigt die Initiative, dass Snowdens Schicksal die User weiter bewegt. Und darauf setzen schließlich auch die politischen Akteure.