Fallbeispiel Griechenland: Wie in Europa um Klimaschutz gekämpft wird

Seite 2: WWF, Greenpeace, Syriza gegen Erdgasförderung

Die Förderung von Erdgas vor Kreta und dem Peloponnes stellt wegen des Streitpotentials mit der Türkei nicht nur ein geopolitisches Risiko dar. Der WWF deckte auf, dass die seismischen Untersuchungen bereits vor dem Interview von Mitsotakis, "im Geheimen" am 25. Oktober begannen. Die Naturschutzorganisation sieht darin einen Widerspruch zu den ihrer Ansicht nach unzureichenden Naturschutzbestimmungen, die solche Untersuchungen zum Schutz der Meerestiere ausschließlich im Winter zulassen.

Der WWF bemängelte, dass die vom Staat mit den Energiekonzernen geschlossenen Verträge diese von Umweltschutzauflagen freistellen. Zudem würde der griechische Staat nicht korrekt über die seismischen Untersuchungen informieren. Demgegenüber argumentiert der Professor für Geologie Efthymios Lekkas, dass seismische Untersuchungen keinerlei Auswirkungen auf die Meeresbiologie hätten.

Der Parlamentarier von MeRA25 und frühere Europaabgeordnete der PASOK Kriton Arsenis beklagt ebenso wie der WWF und Greenpeace, dass die seismischen Bohrungen begonnen haben, obwohl vor dem obersten Gericht, dem Staatsrat, eine Entscheidung über deren Rechtmäßigkeit verhandelt wird. Die Anhörung vor dem Staatsrat fand am 2. November 2022 statt. Arsenis Partei erwartet keinen Gewinn für die Griechen durch die fossilen Vorkommen.

Die Erdgasförderung wird nichts zur Energieversorgung des Landes beitragen und das griechische Volk wird keinen einzigen Euro von den Gewinnen der multinationalen Giganten erhalten, während die Erschließung zusätzlich zu den enormen Umweltrisiken neue Spannungen in der gesamten Region schafft und zu neuen Rüstungsprogrammen mit neuer Überschuldung führt.

Tatsächlich wurde bereits im August bekannt, dass Exxon Mobil bis 2024 die Untersuchungen in den Meeresgebieten abschließen sollte und seismische Untersuchungen für den Winter 2022/2024 geplant seien. Die entsprechenden Presseberichte fanden weniger Beachtung als nun das Interview von Mitsotakis. Der Europaparlamentarier von SYRIZA, Petros Kokkalis, verurteilt Mitsotakis:

Der Premierminister erinnert sich an die Klimakrise nur, wenn es menschliche Opfer oder materielle Schäden zu beklagen gibt. Er philosophiert darüber vor Fernsehkameras. Solange er sich aber nicht auf eine Position fixiert – die des Klimakrisenleugners oder die des Retters –, verspottet er uns mit der Rhetorik von Franz Timmermans und den Aktionen von Donald Trump.

Chaos bei den Windparks

Ähnlich wechselhaft wie in der generellen Energieplanung verhält sich die Regierung bei der Genehmigung von Windparks. Diese können mit dem Klimagesetz auch in Naturschutzgebieten und auf archäologischen Fundstätten errichtet werden. Zumindest in Naturschutzgebieten ist dies nach Aussagen von Experten möglich, wenn Natur- und Umweltschutzbedingungen hinreichend beachtet werden. Weil das jedoch in Griechenland wegen der Lücken des Klimagesetzes nicht unbedingt der Fall ist, haben die Bürgerinitiativen, die gegen Windparks demonstrieren, Naturschutzorganisationen an ihrer Seite.

Auf Skyros sollen 58 Windräder mit einer Höhe von 150 m errichtet werden. Das Problem sind jedoch nicht die Windräder selbst, sondern vielmehr die mit staatlichen Geldern geförderte Zufahrtsstraßen. Auf Skyros gibt es im betreffenden Investitionsgebiet 55 Gebiete ohne jegliche Straßen.

Ähnliche Proteste in den Agrafa, einem Gebiet des Nomos Evrytania in der Region Zentralgriechenland, waren erfolgreich. Die dort begonnene Installation von Windrädern, ein Projekt, welches die Regierung seit ihrem Amtsantritt verfolgte, wurde im November 2021 gestoppt. Das Ministerium für Energie und Umwelt zog die Reißleine, als die Investoren immer mehr Lockerungen des Umweltrechts forderten. Umstritten war die Investition von Anfang an. Die regierungsnahe Zeitung Kathimerini kommentierte bereits im Oktober 2019: "Frevel in den Agrafa".

Auch hier sollten breite Zugangsstraßen durch die teilweise vollkommen unberührte Berglandschaft gebaut werden. Die Ironie der Geschichte ist, dass Evrytania unter den 51 Regionalbezirken Griechenlands derjenige ist, dessen Realität bereits jetzt der allseits geforderten Verkehrswende entspricht. Nur 749 PKWs und 640 motorisierte Zweiräder sind dort zugelassen. 56 Busse stehen zur Verfügung. Den Großteil der Motorisierung der knapp 20.000 Einwohner machen 3.320 Nutzfahrzeuge aus.

Zum Vergleich: Im ebenfalls zu Zentralgriechenland gehörenden Böotien stehen den rund 120.000 Einwohnern dagegen 32.000 PKWs zur Verfügung. Die Menschen in Evrytania leben in der Natur und von der Natur. Sie fürchten um ihre Existenzgrundlage.

Es geht den Demonstranten, die gegen Windräder auf die Straße gehen, nicht darum, die Nutzung regenerativer Energien zu verhindern. Sie wollen vielmehr, dass Naturschutz und Klimaschutz in Einklang gebracht werden. Zudem stört es viele Griechen, dass die Investitionen in Windparks vornehmlich den großen Unternehmen im Land erlaubt werden. Anträge für kleinere Windparks bleiben in der Regel, trotz der theoretisch solche Investitionen fördernden Gesetzgebung, fruchtlos, was die Oppositionspartei SYRIZA zu einer parlamentarischen Anfrage motivierte.

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