Fast alle Organe im Körper sind betroffen

Seite 4: Auch das Gehirn wird vom Virus geschädigt

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Bei 5% bis 10% der mit dem Corona-Virus Infizierten, die in der Klinik behandelt werden, finden sich neurologische Auffälligkeiten. Wahrscheinlich wird die Zahl der Patienten mit neurologischen Störungen unterschätzt. Das ist besonders deshalb so, weil viele beatmete Patienten auf der Intensivstation auch sediert werden.

Auch gibt es Patienten mit einer Entzündung des Gehirns, einer Enzephalitis, aber auch mit Schlaganfällen oder einer Übererregbarkeit des sympathischen Nervensystems, das Schlaganfall-ähnliche Symptome hervorruft, ähnlich wie ein Hirntrauma. Einige Patienten mit Covid-19 erleiden eine Synkope, das heißt, sie verlieren kurzzeitig das Bewusstsein.

Häufig wird über einen Geruchs- und Geschmacksverlust geklagt. Und in einigen Fällen wird auch über den Verlust von Hirnstammreflexen berichtet, die die Sauerstoffversorgung beeinträchtigen könnten. Das wäre eine weitere Erklärung für die Beobachtung, dass einige Patienten keine ausgeprägte Atemnot aufweisen, obwohl sie gefährlich niedrige Sauerstoffkonzentrationen im Blut aufweisen.

Bekannt ist auch, dass ACE2-Rezeptoren in der Hirnrinde und im Hirnstamm vorhanden sind. Aber es ist noch unbekannt, wie und unter welchen Bedingungen das Virus die Bluthirnschranke passieren und in das Gehirn eindringen kann und mit diesen Rezeptoren interagiert.

In einer Anfang April 2020 veröffentlichten Studie eines Teams aus Japan wurde berichtet, dass Spuren des neuen Virus in der cerebro-spinalen Flüssigkeit eines Covid-19-Patienten, der eine Meninghitis und eine Enzephalitis entwickelt hatte, nachgewiesen wurden. Daraus kann abgeleitet werden, dass das Virus bei einigen Patienten in das Zentralnervensystem eindringen kann.

Aber auch andere Faktoren können das Gehirn schädigen. Zum Beispiel kann ein Cytokin-Sturm eine Hirnschwellung hervorrufen und die Neigung, Blutgerinnsel in den Blutgefäßen zu bilden, kann Schlaganfälle provozieren.

Weiterhin gibt es Vermutungen über eine mögliche Invasionsroute des Virus in das Gehirn, und zwar durch die Nase über den Nervus olfactorius, den 1. Hirnnerven, direkt zum Bulbus olfactorius, der Teil des Großhirns ist. Das erklärt auch, warum so viele Corona-Infizierte über einen Verlust des Geruchs- und Geschmackssinns klagen.

Infektion des Darms ist möglich

Es gibt einen Fallbericht über die Teilnehmerin einer Kreuzfahrt, die an blutigen Durchfällen, Erbrechen und Bauchschmerzen erkrankte. Zunächst bestand der Vedacht auf eine bakterielle Darminfektion, zum Beispiel durch Salmonellen. Als sie dann zusätzlich Husten entwickelte, fand man über einen Nasenabstrich eine positive Reaktion auf das Corona-Virus.

Eine Stuhlprobe war ebenfalls positiv auf Corona-Virus-RNA. Ebenso zeigten sich bei der Endoskopie Schleimhautverletzungen im Colon, die auf eine gastro-intestinale Infektion mit dem Virus hindeuteten, wie sie kürzlich in einem Online-Paper im American Journal of Gastroenterology beschrieben worden ist.

Dieser Fall fügt sich ein in eine wachsende Anzahl von Hinweisen, dass das neue Corona-Virus, ebenso wie das SARS-1-Virus, die Schleimhaut im unteren Magendarmtrakt befallen kann, wo sich eine große Menge von ACE2-Rezeptoren befinden. Virale RNA hat sich dort in nicht weniger als 53% von positiv getesteten Patienten nachweisen lassen.

Und in einer Arbeit, die sich in der Zeitschrift für Gastroenterology im Druck befindet, berichtet ein chinesisches Team über Virus-Protein, das bei Untersuchungen von Biopsien aus der Schleimhaut des Magens, des Duodenums und des Rektums von Covid-19-Patienten nachgewiesen werden konnte.

Wenn man die vorliegenden klinischen Studien über Covid-19 auswertet, kommt man zu dem Ergebnis, dass in bis zur Hälfte aller Berichte, im Mittel bei 20%, die Patienten über das Auftreten von Durchfall berichtet haben.

Gastrointestinale Symptome stehen aber nicht in der CDC-Liste der möglichen Symptome bei Covid-19. Das ist wohl die Ursache dafür, dass diese häufig nicht diagnostiziert werden. Wenn man hauptsächlich Fieber und Durchfall hat, dann wird man in der Regel nicht auf Covid-19 getestet.

Das Vorhandensein des Virus im Gastrointestinalttrakt wirft die Frage auf, ob es durch den Stuhl übertragen werden kann. Bis jetzt ist nicht klar, ob der Stuhl intaktes und infektiöses Virus enthalten kann oder nur Virus-RNA und Virus-Protein. Auf Grund der Erfahrungen, die mit dem MERS-Virus, einem anderen besonders gefährlichen Verwandten des SARS-CoV-2-Virus, gemacht wurden, ist das Risiko der Übertragung mit dem Stuhl aber wahrscheinlich gering.

Hinweise auf Langzeitfolgen

Bei Nachuntersuchungen von Patienten, die 2002/2003 eine Infektion mit dem ersten SARS-Virus durchgemacht hatten, wurden bis 12 Jahre nach einer angeblichen Heilung Langzeitfolgen in Form von Lungenfibrosen, einem gestörten Glukose-Metabolismus und kardiovaskulären Erkrankungen festgestellt.

Kürzlich erschien ein Bericht in der Tagesschau aus Österreich, dass Forscher in der Universitätsklinik Innsbruck bei genesenden Covid-19-Erkrankten offenbar auch bleibende Lungenschäden festgestellt haben.

Unter den dort behandelten Patienten waren auch sechs aktive Taucher, die aber alle nicht stationär behandelt werden mussten, sondern sich in Heimquarantäne auskurierten. Sie alle waren keine schweren Fälle, ihre Erkrankungen lagen fünf bis sechs Wochen zurück und sie galten als genesen.

Bei der Kontrolle nach mehreren Wochen mittels Computer-Tomographie wiesen die Lungen von vier dieser Patienten aber weiterhin deutliche typische Vänderungen für Covid-19 auf und zwei Patienten zeigten bei Belastung eine deutliche Sauerstoffunterversorgung, die als Zeichen eines persistierenden Lungenshunts gedeutet wurde. Bei zwei Patienten waren bei einer Belastungsuntersuchung die Bronchien immer noch übererregbar wie bei Asthmatikern.