Fehlen den deutschen Hochschulen künftig die ausländischen Studierenden?

Junge Studierende unterschiedlicher Herkunft vor einem Laptop in einer Bibliothek

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Die Angst, unwillkommen zu sein. Rechtspopulisten vertreiben Talente? Machen sie deutsche Arbeitgeber und Universitäten uninteressant?

In der aktuellen Diskussion über Migration werden Widerstände gegen alle artikuliert, die ″nicht von hier″ sind, weil die Angst wächst, dass Menschen, die zuwandern, flexibler sein könnten, als die Alteingesessenen und somit als agilere Wettbewerber erfolgreicher beim Kampf um eine scheinbar sinkende Zahl der verbliebenen Arbeitsplätze sein könnten.

Dass die Verlustängste derzeit vorwiegend in den neuen Bundesländern aufblitzen, hängt in erster Linie damit zusammen, dass die Bevölkerung dort sich aktuell in Landtagswahlen artikulieren kann.

Auch wenn derzeit der Anschein erweckt wird, dass es sich hier um ein typisch ostdeutsches Problem handeln würde, kann man durchaus davon ausgehen, dass diese Ängste auch in den meisten alteingesessenen Bundesländern aufpoppen würden, wenn man dort die Bevölkerung so intensiv befragen würde wie im Osten.

Widerstand gegen den Zuzug

In Thüringen gab es nach dem Zweiten Weltkrieg auch beachtlichen Unmut wegen der zuwandernden Vertriebenen. Sammelunterkünfte wie heute gab es damals nicht. Dafür gab es in vielen Dörfern eine Wohnraumkommission, die jeweils darüber befand, welche Familien zwangsweise Vertriebene aufnehmen mussten. Das war in jedem zweiten und dritten Haus der Fall.

Auch im Westen der Republik gab es nach dem Zweiten Weltkrieg massiven Unmut in der angestammten Bevölkerung, als die Vertriebenen aus den Ostgebieten und aus der Tschechoslowakei angesiedelt werden sollten.

Gerade in Bayern, wo Vertriebene anfangs gern in vorhandenen Bauernhöfen zwangseinquartiert wurden, regte sich der Widerstand gegen die Fremden. Auf längere Sicht haben gerade diese Fremden dafür gesorgt, dass sich der Freistaat wirtschaftlich entwickelt hat und vom Empfänger aus dem Länderfinanzausgleich auf die Geberseite gewechselt hat.

Im Mikrozensus 2023 gaben 2,71 Millionen Personen an, als Aussiedler- bzw. Spätaussiedler nach Deutschland gekommen zu sein. Die meisten Aussiedler kamen mit 1,69 Mio. aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion, darunter vor allem aus Kasachstan (811.000) und aus Russland (649.000). Daneben sind Polen (696.000) und Rumänien (222.000) wichtige Herkunftsländer.

Migrationshintergrund der Bevölkerung in Deutschland

Der größte Teil der Migranten in Deutschland waren jedoch gewünscht. Sie kamen als ″Gastarbeiter″ nach Deutschland und wurden von den vergangene Bundesregierungen in ihren Heimatländern gezielt angeworben oder kamen als ″Kontingentflüchtlinge″ aus östlichen Staaten, wohin ihre Vorfahren früher ausgewandert oder verschleppt wurden.

2019 hatten nach Zahlen des Mikrozensus 21,2 Millionen Menschen in Deutschland einen Migrationshintergrund, was 26,0 Prozent der Bevölkerung in deutschen Privathaushalten entspricht.

Mehr als die Hälfte, genau 52,4 Prozent davon, sind deutsche Staatsangehörige. Insgesamt sind 64,4 Prozent der Personen mit Migrationshintergrund selbst migriert, während über 35,6 Prozent bereits in Deutschland geboren wurden.

In Westdeutschland hatte im Jahr 2023 jede dritte Person einen Migrationshintergrund. In Ostdeutschland galt dies für jede neunte Person (32,9 bzw. 11,4 Prozent).

Im Mikrozensus werden die Herkunftsgruppen der Bevölkerung mit Migrationshintergrund durch das Geburtsland der Befragten bzw. ihrer Eltern abgeleitet, sofern die Befragten selbst schon in Deutschland geboren sind.

Die Ergebnisse des Mikrozensus 2019 zeigen, dass mehr als ein Drittel der Personen mit Migrationshintergrund aus EU-Staaten und knapp ein weiteres Drittel aus anderen europäischen Staaten kommt. Das restliche Drittel bilden Personen aus unterschiedlichen Ländern außerhalb Europas. Bezogen auf die wichtigsten "Geburtsländer" sind die rund 2,8 Millionen Menschen mit türkischem Migrationshintergrund die größte Gruppe.

Das waren Menschen, von welchen die deutsche Seite glaubte, dass sie nur als Gäste zum Arbeiten nach Deutschland gebracht würden und dann wieder in ihre Heimat zurückgehen sollten. Es kam anders.

Im Falle der zuvor schon angeworbenen Italiener, welche die mediterrane Küche, die Pizzerien und die Eisdielen nach Deutschland brachten, wurde mit der Niederlassungsfreiheit spätestens mit der EU und ihren Vorläufern die weitgehende Freizügigkeit erreicht. Viele Gelateria-Betreiber pendeln bis heute regelmäßig zurück in ihr italienisches Winterquartier.

Was würde in Deutschland ohne Migranten fehlen?

Hierzulande sitzen 160.000 Ausländer am Steuer von Lkw und Lieferwagen. Fast jeder Dritte Beschäftigte in diesem Berufsfeld hat keine deutsche Staatsangehörigkeit. Ähnlich hoch ist die Quote in der Gastronomie, wo es nach Corona für jede zweite offene Stelle keine passend qualifizierten Arbeitslosen gab.

Dass Deutschland ohne Migranten nicht mehr funktionsfähig wäre, ist ebenso sicher wie das Land nicht ohne ausländische Investoren auskommen wird.

Ein Ausklinken aus der Globalisierung wird von Populisten gern gefordert, wird jedoch dazu führen, dass sich Deutschland flächendeckend mit Problemen herumschlagen müsste, wie die einstmals strahlende Automobilindustrie und ihre Zulieferer, die zunehmend den Boden unter den Füßen verlieren und heute vor dem Abgrund stehen.

Zusätzliche, kaum lösbare Probleme würden sich auch im Gesundheitswesen auftun. So stammt beispielsweise ein Viertel der Krankenhausärzte in Thüringen aus dem Ausland. Wenn sich die oder ihre Angehörigen an ihrem Arbeitsort nicht mehr wohlfühlen, werde sie das Land verlassen.

Auch bei der Entwicklung von Software ist die Zahl der Beschäftigten, die nicht aus Europa kommen, mit fast 37.000 Frauen und Männern besonders groß. Offensichtlich kann man den Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften für diesen Bereich in Deutschland nicht mehr decken. Mittlerweile stellen ″Drittstatten-Angehörige″ in elf der 15 wichtigsten Engpassberufen in Deutschland die Mehrheit.

Schon mit der Wahl zum Europaparlament zeigten sich die ersten negativen Auswirkungen für so manchen Arbeitgeber, der für seinen Betrieb auf ausländische Spezialisten angewiesen ist. Noch gravierender scheinen die Folgen für die Wissenschaften, wo etwa ein Drittel der Studenten keinen deutschen Pass besitzen.

Mit einem Verlust seiner ausländischen Studenten würde das exportabhängige Deutschland die beste Verkaufsförderung für seine hochwertigen Industrieerzeugnisse verlieren.