"Fill that Seat!"
Am Samstag nominiert Donald Trump einen Supreme-Court-Richter - damit verändert er auch die Wahlkampfthemen
Am Samstagabend um 23 Uhr Mitteleuropäischer Sommerzeit will US-Präsident Donald Trump bekannt geben, wen er für den frei gewordenen Richterposten am Supreme Court nominiert. So eine Nominierung zählt seinen Worten nach zu den wichtigsten Aufgaben eines US-Präsidenten, weil ein Richter das, was in den USA geschieht, über einen sehr langen Zeitraum mit entscheidet.
Hürde Senat
Nach der Nominierung muss der Kandidat noch vom US-Senat bestätigt werden. In dem haben die Republikaner zwar eine Mehrheit - aber Trump hat unter den republikanischen Senatoren nicht nur Freunde. Einer seiner erklärten Gegner, der Mormone Mitt Romney, zeigte sich aber bereit, bei einer Abstimmung vor dem 3. November mitzumachen. Ob er dabei für oder gegen den Kandidaten stimme, hänge von dessen "Qualifikation" ab. Anderer Meinung gaben sich die republikanischen Senatorinnen Lisa Murkowski und Susan Collins. Für sie ist das von den Republikanern vor vier Jahren durchgesetzte Warten bis nach der Wahl ein Präzedenzfall, an dem man sich nun orientieren sollte. Wie sie sich verhalten würden, falls der republikanische Mehrheitsführer Mitch McConnell eine Abstimmung ansetzt, lassen die beiden bislang offen.
Auch wenn es in den 40 Tagen bis zur Wahl nicht gelingt, einen neuen Supreme-Court-Richter durch den Senat zu bringen, ist Trumps Verhalten ein taktisch nachvollziehbarer Schritt: Damit stärkt er nämlich im Wahlkampf die Präsenz von Themen, mit denen seine Partei bei Wahlen in der Vergangenheit Wähler mobilisieren konnte: Abtreibung und Waffenbesitz. Deshalb glauben Republikaner wie Senator Mike Braun aus Indiana, dass die Debatte bei der Wahl wie ein "Katapult" wirken wird - und deshalb ruft das Publikum bei seinen Wahlveranstaltungen neuerdings: "Fill That Seat!". Hinzu kommt, dass Trumps demokratischer Herausforderer Joseph Biden (anders als der Amtsinhaber) bislang keine Personen öffentlich gemacht hat, die er für eine Nominierung zum Obersten Gerichtshof in Betracht zieht. Republikaner wie Tom Cotton können deshalb mutmaßen, dass er das nicht tut, weil ihm Personen vorschweben, die Wähler abschrecken könnten.
Favoritin Amy Coney Barrett
Die Liste mit Personen, die er als Oberste Richter in Betracht zieht, hat Trump seinen eigenen Angaben nach bereits auf "vier bis fünf Frauen" eingeengt. Ausschließlich Frauen seien es deshalb, scherzte er, weil er "Frauen eigentlich lieber mag als Männer". Aus dieser engeren Auswahl werde er sich für eine "brilliante Frau" entscheiden und "zusehen, wie sie Missbrauch hinnehmen muss". Mit dieser Spitze bezieht er sich anscheinend nicht nur auf die Demokraten und deren sexuell und zeitgeistig aufgeladene Kampagne gegen seine letzte Supreme-Court-Nominierung Brett Kavanaugh", sondern auch auf amerikanische Leitmedien, die bereits die mutmaßliche Favoritin angreifen: Amy Coney Barrett.
Das Newsweek-Magazin schrieb beispielsweise, dass die anscheinend sehr gläubige Katholikin, die zwei haitianische Kinder adoptierte und ein eigenes mit Down-Syndrom nicht abtrieb, einer Gruppe angehört, deren Ausdruck für eine weibliche religiöse Mentorin Margaret Atwood zu ihrem Bestseller The Handmaid's Tale inspiriert habe. Atwood hat das allerdings nie behauptet - und die Position, die bei männlichen People-of-Prayer-Mentoren "Head" heißt, hat auch wenig mit den Gebärmägden in diesem Roman gemeinsam.
Außer Amy Coney Barrett, mit der Trump am Montag sprach, scheint aber noch mindestens eine weitere Kandidatin ernsthafte Chancen auf den Posten zu haben, Barbara Lagoa aus Florida. Sie will der Präsident morgen treffen. Und sie wäre möglicherweise ein Werbesignal an die vielen kubanischstämmigen Wähler in diesem wichtigen Schlachtfeldstaat, der die Wahl entscheiden könnte (vgl. US-Wahl: Konzentration auf zehn Bundesstaaten).
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