Fillon: Komplottvorwürfe gegen Hollande
Der Präsident soll dank eines geheimen Überwachungskabinetts bis in Details über juristische Fälle politischer Rivalen informiert sein und dies Medien zuspielen
Eigentlich müsste der Wahlkampf spannend sein. Geht es doch um die große Frage, ob Le Pen gewinnen kann und was dies für Frankreich und ganz Europa bedeutet. Es müssten die Argumente hin- und herfliegen, um die Wähler zu überzeugen. Inhaltlich aber ist der französische Wahlkampf von einer ziemlichen Ärmlichkeit gekennzeichnet.
Fehlanzeige
Das ist auch dem deutschen Ökonom Heiner Flassbeck kürzlich beim ersten Fernseh-Auftritt der bekannten Kandidaten (die weniger bekannten waren gar nicht eingeladen) aufgefallen. Drei Stunden Schlaf wären besser gewesen, lautet sein Resumée. Man hätte erwarten können, den ein oder anderen Satz zu hören, der aufhorchen lässt, so der Wirtschaftswissenschaftler.
Fehlanzeige, schreibt er, das Ergebnis sei eine einzige Enttäuschung gewesen. Triste. Es gebe wenig Anlass zu Optimismus angesichts des Eindrucks, "dass Mitte Mai eine Person französischer Präsident (Präsidentin) sein wird, die so wenig über die großen Fragen in Europa und Frankreich weiß. Man kann nur auf gute Berater hoffen."
"Der älteste aller neoliberalen Ladenhüter"
Wie finster sein Eindruck ausfällt, zeigt sich daran, dass Flassbeck, früher Berater von Oskar Lafontaine, unter den Gegenkandidaten zu Le Pen noch am ehesten beim konservativen Republikaner, François Fillon, das Format eines Staatsmannes erkannte. Und das obwohl Fillon inhaltlich im Bereich der Wirtschaftspolitik den "ältesten aller neoliberalen Ladenhüter" geboten habe. Inhaltlich am besten sei noch Mélenchon gewesen, der sich allerdings zu wichtigen Fragen (Euro) ausgeschwiegen habe.
Mélenchon hat laut Umfragen kaum Chancen in die Stichwahl gegen die "gesetzte" Marine Le Pen zu ziehen. Die aussichtsreichsten Gegenkandidaten - die nach der vorherrschenden Logik dann auch die Stichwahl gegen Le Pen gewinnen und Präsident werden - sind der shooting star Macron ("Was er aber will außer mehr Investitionen, war beim besten Willen nicht festzustellen." Flassbeck) und eben Fillon, derzeit allerdings mit einigem Rückstand auf Macron.
Ein Soloauftritt mit schweren Vorwürfen
Fillon hatte gestern einen Soloauftritt im TV. Dabei erhob der affärengeschüttelte Kandidat, dem zuletzt vorgehalten wurde, dass er sich sündhaft teure Anzüge schenken lässt, schwere Vorwürfe gegen den amtierenden Präsidenten Hollande.
Er sei Opfer eines Komplotts, machte Fillon geltend. Dessen Fäden würden vom Präsidentenpalast aus gezogen. Hollande würde staatliche Abhörmöglichkeiten nutzen, um sie gegen politische Konkurrenten einzusetzen. Der Präsident sei, da ihm Abhörmaterial zugespielt werde, bis in die kleinsten Details über juristische Verfahren seiner politischen Gegner informiert.
Der Vorwurf läuft darauf hinaus, dass Fillon vermutet, Hollande stecke hinter den Enthüllungen zu den gut bezahlten fiktiven Tätigkeit der Ehefrau Fillons. Daraus entwickelte sich die Affäre "Penelopegate", die dem Kandidaten der Republikaner nach Stand der Dinge den von ihm und seinem Lager sicher geglaubten Wahlsieg kosten wird.
Es gibt heutzutage Zeitungen, die 48 Stunden nach der Durchsuchung beispielsweise meines Büros in der Nationalversammlung beschlagnahmte Unterlagen zugespielt bekommen", sagte Fillon. "Wer gibt ihnen diese Dokumente? Die Regierung."
FAZ
Als Grundlage für seine Vorwürfe zitierte Fillon aus einem neu erschienenen Buch, in dem ein Verdacht neu belebt wird, der seit Jahren immer wieder von Journalisten bestärkt wird: Dass der Präsident ein "schwarzes Kabinett" unterhalte.
Das schwarze Kabinett des Präsidenten
Die Einrichtung eines "cabinet noir" hat seinen Ursprung im Ancien régime vor der französischen Revolution. Damals wurden Postsendungen von königlichen Dienst gelesen, um die Feinde der Monarche zu überwachen oder einzusperren. Genutzt hat es bekanntlich wenig.
Der Journalist Birenbaum hatte 2008 ein Buch über das schwarze Kabinett zu Zeiten des Präsidenten Jacques Chirac veröffentlicht. In der zeitgenössischen Form übernehmen Geheimdienstchefs die Leitung des schwarzen Kabinetts, das sich mit modernen Abhörmethoden und dem Regierungsnetzwerk in die Justiz um verwertbares Material über politische Gegner bemüht.
Die Le Monde-Journalisten Stéphanie Marteau und Aziz Zemouri hatten dann im vergangenen Jahr ein Buch ("L'Elysée off") veröffentlicht, das unterstellt, auch Hollande unterhalte ein solches schwarzes Kabinett, unter anderem zur Überwachung sensibler Justizaffären, zum Beispiel von Sarkozy. Sie wurden nicht vom Elysée-Palast verklagt, wie die FAZ notiert.
Ob das nun schon als Eingeständnis gilt, ist nun erneut Teil der Debatte über die neuesten Enthüllungen, auf die sich Fillon bei seinen Vorwürfen beruft. Ganz frisch ist ein Buch ("Bienvenue Place Beauvau") von zwei Journalisten des Canard enchaîné und einer freien Autorin erschienen, das ebenfalls mit dem Thema schwarzes Kabinett und geheimdienstliche Aktivitäten der Regierung Leser finden will.
Fillon berichtete in der Fernsehsendung, dass er das Buch gelesen habe. Er nahm dessen Enthüllungen zum Anlass, um zu unterstellen, dass Hollande durch sein schwarzes Kabinett über die gut bezahlte fiktive Tätigkeit von Fillons Ehefrau informiert war und die Sache an Medien durchstechen ließ.
Hollande: "Alles Lüge!"
Eine Pointe besteht nun darin, dass Fillon sich damit auf Journalisten des Magazins beruft, dem Canard enchaîné, der die Enthüllungsgeschichten über die Scheinbeschäftigung seiner Frau veröffentlichte. Didier Hassoux, einer der Autoren und Journalist des canard enchainé, verneint, dass in dem Buch steht, was Fillon dort gelesen habe. Dieses Kabinett existiere nicht.
Im Buch selbst sei allerdings sehr wohl von einer solchen geheimen Einrichtung die Rede, nur dass sie nicht cabinet noir genannt wird, hält ein Artikel der Huffington Post mit Beleg-Zitat entgegen. Die Frage, ob ein solches schwarze Kabinett existiert, bleibt offen.
Natürlich nicht für den Präsidenten… Hollande reagierte sehr schnell und sehr scharf noch vor Ende der Sendung. Er warf Fillon Lüge vor und ein Ablenkungsmanöver. Der wahre Skandal betreffe nicht den Staat, sondern eine Person, die sich deswegen vor Gericht verantworten müsse, hieß es aus dem Präsidentenpalast.
Am Freitag bekam dann das Unterhaltungsprogramm "Wahlkampf ohne Inhalte" einen neuen Fokus: Le Pen ist nach Moskau gereist und Putin hat sie empfangen …