Finanzmarktmanipulation: Die üblichen Verdächtigen

Der starke Kursaufschwung seit März kam den großen US-Banken und der Regierung derart gelegen, weswegen viele nicht glauben wollen, dass das ohne Manipulationen abgegangen ist. Verdächtigt werden - allen voran Goldman Sachs - die großen Ex-Investmentbanken, sowie das "Plunge Protection Team" der US-Regierung

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Der Aufschwung, der die Aktienindizes seit März weltweit um mehr als ein Drittel hat ansteigen lassen, hat viele am falschen Fuß erwischt. Die meisten Kleinanleger aber auch viele professionelle Geldmanager hatten nicht investiert und mussten feststellen, vielleicht gerade zu den Tiefstkursen ausgestiegen zu sein. Die hohen Gewinne der letzten Wochen hatten also andere eingefahren und viele Fondsmanager und private Aktienzocker hetzen jetzt den Indizes hinterher, was die Börsenrallye sogar noch ein wenig am Leben halten könnte. Da liegt es nahe, finstere Machenschaften hinter den Kursaufschwüngen zu vermuten, von denen genau jene am meisten profitiert hätten, die die jüngste Hausse womöglich selbst organisiert hatten.

Wie üblich hatte die Wall Street bei den jüngsten Kursaufschwüngen die Führung übernommen, wobei der Leitindex S&P 500, der die 500 größten börsennotierten US-Unternehmen abbildet, von seinem Tiefpunkt von 676 Zählern am 9. März bis 8. Mai auf einen vorläufigen Höchststand bei 929 Punkten anstieg. Die höchsten Zuwächse hatten dabei die Finanztitel erzielt, die ihre Kurse im Schnitt ungefähr verdoppeln konnten.

Und so hatten genau jene Banken am meisten profitiert, denen die nicht wirklich stressigen Stresstests des amerikanischen Finanzministeriums einigen Kapitalbedarf bescheinigt hatten. Besonders angenehm für die Banken war, dass sie während des Kursaufschwungs Eigenkapital im Markt platzieren konnten, was ohne die jüngsten Kursavancen wohl unmöglich gewesen, mit Sicherheit aber wesentlich weniger einträglich verlaufen wäre.

Abgesehen von JP Morgan, der die Regierung ausreichendes Kapital bescheinigt hatte, traf das praktisch alle großen US-Geldhäuser. Bank of America, die laut Stress-Test rund 34 Milliarden Dollar benötigt, verkaufte für rund 13,5 Milliarden US-Dollar 1,25 Milliarden neue Aktien. Morgan Stanley emittierte 168 Millionen Aktien, was rund vier Milliarden Dollar in die Kassen spülte und mehr als doppelt so viel war, als ursprünglich geplant war oder von der Regierung gefordert wurde, die einen Kapitalmangel von 1,8 Milliarden Dollar attestiert hatte. State Street Financials verkaufte 51,3 Millionen Aktien für rund zwei Milliarden Dollar, wobei übrigens Goldman Sachs und Morgan Stanley die Aktien als Book-runner im Markt unterbrachten. Goldman Sachs hatte sich bereits am 14. April fünf Milliarden Dollar von der Börse geholt und Bank of New York Mellon verkaufte immerhin 42 Millionen Aktien für rund 1,2 Milliarden Dollar.

Am Anleihemarkt war indes auch JP Morgan aktiv, die nicht von der US-Regierung garantierte Bonds für drei Milliarden Dollar absetzte, Bank of NY Mellon verkaufte für 1,5 Mrd. Dollar, während Goldman und Morgan Stanley sich auf diesem Weg jeweils vier Milliarden Dollar besorgten.

An den Märkten geht etwas Seltsames vor

Nicht wenige wundern sich nun über die Kraft des jüngsten Aufschwungs und wittern Verrat. Theoretisch sollte der Marktpreis eines Finanzwertes das jeweilige reale Verhältnis von Angebot und Nachfrage widerspiegeln. Gelingt es hingegen einzelnen Marktteilnehmern, die Preise in eine davon abweichende, den jeweiligen Interessen förderliche Richtung zu treiben, spricht man von Manipulation – und derzeit gibt es kaum ein Marktsegment, das nicht in den Verdacht gerät, von geheimen Machenschaften beeinflusst zu sein.

Offen im US-Börsen-TV diskutiert wird aktuell etwa die Manipulation des S&P 500, die über den Terminmarkt erfolgt sein soll. So berichtete z.B. Dan Schaefer von Schaefer Asset Management am 14. Mai live auf Fox Business: „Seit 7 oder 8 Wochen geht an den Märkten etwas Seltsames vor. (…) Da war eine Kraft im Markt, die ihn oben gehalten und Futures gehandelt hat. Ich beobachte die Futures jeden Tag und jeden Tick und an bestimmten Punkten innerhalb der letzten Wochen, wenn der Markt am einbrechen war, kamen riesige Volumen herein und der Markt schoss wieder nach oben. Das geschieht für gewöhnlich gegen Handelsende. So letzten Freitag, als um 7 Minuten vor vier 100.000 S&P Futures Kontrakte gehandelt wurden und gegen vier noch einmal so viele. Das hob den DOW von minus 18 auf über 44 oder 50 Punkte. Man braucht zehn oder zwanzig Milliarden Dollar um den Markt derart bewegen zu können“, stellt Schaefer fest und fragt „Wer hat so viel Geld?“

Hier haben die Finanzforen einen klaren Favoriten: Das sogenannte „Plunge Protection Team“ (PPT). Dieses geistert seit den späten 1990er Jahren durch die Medien und findet seinen institutionellen Rahmen in der “President's Working Group on Financial Markets”, die im März 1988 von Ronald Reagan ins Lebengerufen wurde. Laut Executive Order 12631 gehören ihr der Finanzminister an, sowie die Vorsitzenden der Notenbank, der Wertpapieraufsicht SEC und der CFTC, die die Futuresmärkte überwacht. 1998 wurde erstmals öffentlichkeitswirksam unterstellt, dass diese Arbeitsgruppe direkt am Aktiemarkt interveniert, auch wenn dies die Washington Post nicht direkt behauptete. Nach dem New-Economy-Crash und nach 9/11 wird dem PPT immer wieder unterstellt, mit Notenbankgeld über verbündete Investmentbanken den Futuresmarkt zu manipulieren, was vermutlich zwar nicht ganz verfassungskonform wäre, im aktuellen „Anything goes“-Umfeld aber wohl niemanden verwundern würde.

SOMETHING smells fishy in the market. And the aroma seems to be coming from Goldman Sachs.

New York Post Columnist John Crudele

Für John Crudele, einen Kolumnisten der New York Post, war es indes die ehemalige Investmentbank Goldman Sachs (Die Goldman-Verschwörung), die mit TARP-Geldern den Aktienmarkt manipuliert habe. Seiner Meinung nach wären die Kursgewinne nicht mit den Geldern zu erklären, die auf der Käuferseite in den Markt geflossen sind und die er mit 10 Milliarden USD angibt. Crudele zitiert Händler, die meinen, dass für so eine Rallye vielleicht dreimal so viel an Nachfrage nötig wäre. Vielmehr sei der Markt von professionellen Tradern unter der Führung von Goldman Sachs angeschoben worden. So hätte Goldman in der Woche des 13. April doppelt so viele Trades im Programmhandel gemacht, wobei der Großteil der 1,234 Milliarden Aktien auf eigene Rechnung gehandelt worden seien, wie Crudele von der New York Stock Exchange erfahren haben will. Der Autor ist sich nicht sicher, ob Goldman hier im Auftrag der Regierung oder aus eigenem Antrieb gehandelt habe, profitiert hätten jedenfalls beide.

Machenschaften in den Dark Pools

Der Verweis auf den Programmhandel ist insofern bezeichnend, als ein Großteil der großen Aktiendeals längst schon nicht mehr über die offiziellen Börsen läuft, sondern in so genannten „Dark Pools“ abgewickelt wird. Das sind private Handelssysteme der großen Investmentbanken, die viele Deals automatisiert außerbörslich abwickeln, angeblich mit dem Ziel, durch eine automatisierte Handelsexekution größere Deals abwickeln zu können ohne die Kurse zu sehr zu bewegen. Tatsächlich wäre es zumindest sehr verwunderlich, wenn die mangelnde Transparenz und der daraus resultierende Informationsvorsprung der Dealer diese nicht auch lukrative Spesen wird verdienen lassen, von der potentiell nicht unbedingt nur marktlichen Preisbildung ganz zu schweigen.

Derart offen zur Schau gestellt, dass man nicht mehr von einer Verschwörung sprechen kann, erscheint in diesem Zusammenhang die Unterstützung, die die großen US-Banken aus den theoretisch unabhängigen Analyseabteilungen erhalten haben. So zweifelt Richard Bove von Rochdale Securities wiederum in FoxBusiness die Unabhängigkeit der Analysten in den großen Investmentbanken generell an, die sich gerade in dem Moment, als die Kapitalerhöhungen durchgeführt wurden, gegenseitig Kaufempfehlungen ausgesprochen hatten:

Wie objektiv kann eine Analyse sein, wenn der Analyst gegenüber einer Bankaktie vor zehn Tagen noch sehr negativ eingestellt war, dann aber seine Meinung ändert, nur weil diese sich sehr viel Kapital beschaffen muss?

Richard Bove

So hatte Goldman Sachs das Kursziel für State Street Financials wenige Augenblicke nach dessen Ankündigung einer Kapitalerhöhung nur deshalb von 25 auf 45 USD angehoben. Ähnliches war bei den Analysten bei den anderen Kapital suchenden Banken zu bemerken, so dass sich tatsächlich die Frage aufdrängt, in wie weit eigener Kapitalbedarf diese Analysen beeinflusst haben mag. So hatten Goldman-Analysten erst am 20. Mai die Bewertung von Bank of America, Citigroup und J.P. Morgan Chase von “vorsicht” auf „neutral“ verbessert und vermutet, dass es nun endlich mit den Abschreibungen und den Verlusten bei Levereged Loans vorbei sei.

Dass es bereits auch mit den Kursverlusten vorbei sei, könnte indes ein frommer Wunsch bleiben. Da die Kapitalmaßnahmen inzwischen weitgehend abgeschlossen sind und Goldman Sachs, J.P. Morgan Chase and Morgan Stanley auch schon angesucht haben, die 45 Mrd. USD an staatlichen Geldern, die sie im November erhalten hatten, zurückzuzahlen, besteht vorerst wohl kaum noch viel Bedarf an weiteren Stützungsmaßnahmen. Die Zeche bezahlen werden dann wohl jene, die jetzt noch auf den fahrenden Zug aufspringen. Für die Manager dieser Banken würde es hingegen bedeuten, sich bald wieder Boni in gewohnter Höhe genehmigen zu dürfen.