Finnland verbietet Neonazi-Organisation
Das Höchste Gericht in Helsinki hat die Neonazi-Organisation "Nordische Widerstandsbewegung" (NMR) definitiv verboten. Die Gruppierung betreibe "Hetze gegen Volksgruppen" und befürworte Gewalt
Das Urteil gilt in Finnland als historisch - erstmals seit den 1970er Jahren wurde wieder eine Organisation verboten, auch damals ging es um eine Neonazi-Gruppierung.
Die "Nordische Widerstandsbewegung", gegründet 1997 in Schweden, seit 2008 in Finnland als "Pohjoismainen Vastarintaliike", ist eine in mehreren skandinavischen Ländern verbreitete Organisation, die nach Definition des finnischen Innenministeriums "eine revolutionäre und militante Bewegung ist, mit dem Ziel, einen nationalsozialistischen Staat zu schaffen".
Bereits 2017 beantragte die finnische Polizei nach dem Totschlag eines Passanten durch Mitglieder der Rechtsextremen ein Verbot der Vereinigung, die offen gegen Ausländer und Juden agiert. Das Höchste Gericht ist die dritte und letzte Instanz. Die klagende "Nordische Widerstandsbewegung" beruft sich auf die Meinungsfreiheit, was das Gericht nicht überzeugte, da diese nicht Hetze einschließe.
Über die Zahl der Rechtsextremen, die einen Freiheitskampf fordern, nach dem eine skandinavische Republik gegründet werden soll, ist nichts bekannt. Bei Demonstrationen mit den verbotenen weißgrünen Fahnen kämen bis zu 400 Personen zusammen. Sie soll mit den anderen skandinavischen Vereinigungen und der internationalen Neonazi-Szene gut vernetzt sein.
Das nordeuropäische Land, wo lange Zeit nur eine geringe Anzahl von Migranten lebte, hat durch die Flüchtlingskrise auch einen Zuwachs an Ausländerfeindlichkeit erfahren. Die rechtspopulistische Oppositionspartei "Wahre Finnen" hat sich unter der Führung von Jussi Halla-aho seit 2017 in ihrer Kritik an der Einwanderung radikalisiert. Dennoch liegt sie in Umfragen bei 18 Prozent, gerade drei Prozent unter den regierenden Sozialdemokraten. Sie werden von Unzufriedenen gewählt, die sich angesichts von hohen Immobilienpreisen und Landflucht aber wohl auch dank vieler gesellschaftlicher Modernisierungen das traditionellere, agrarische Finnland zurückwünschen.
Nach einer EU-Erhebung "Being Black in the EU" von 2018 würden in Finnland 63 Prozent von Menschen schwarzafrikanischer Herkunft Rassismus erleben, damit liegt das Land auf dem Spitzenplatz innerhalb der Europäischen Union. Die Polizei geht davon aus, dass in Finnland nur jedes zehnte sogenannte "Hassverbrechen" zur Anzeige gebracht wird.
Experten wie der Extremismusforscher Tommi Kontonen sind skeptisch, ob das Verbot zielführend sei, da sich die Bewegung schon lange darauf vorbereiten konnte, um auf andere Weise aktiv zu sein. Tatsächlich gibt es eine weitere Neonazi-Gruppierung mit dem Namen "Der Freiheit entgegen", die nach dem seit 2018 wirksamen vorläufigen Verbot gegründet wurde, als Nachfolgerin gilt und die ein Hakenkreuzähnliches Emblem zu eigen hat. Deren Aufmarsch mit Hakenkreuzen in Helsinki konnte im letzten Jahr von der Polizei gestoppt werden.
Nach Heikki Lausmaa, eines der leitenden Polizisten des Landes, müssten nun diese und weitere Vereinigungen auf ein Verbot überprüft werden.
Ideologisch weniger leicht zu greifen und somit zu verbieten, sind die mit der NMR gekoppelten "Soldaten Odins" eine 2015 in Finnland gegründete Bürgerwehr, die die Bevölkerung vor Übergriffen von Migranten schützen soll (Die Soldaten Odins). Sie sollen Bindungen zur NMR haben und breiten sich in andere europäische Länder sowie in die USA aus.
Einer der "Soldaten Odins" soll im Sommer mit einem weiteren Rechtsextremen versucht haben, einen Regionalpolitiker der "Wahren Finnen" mit einem Hammer zu töten, was den Ruf nach Verboten von Neonazi-Organisation laut werden ließ.
Im vergangenen Dezember hat das Nationale Parlament eine Erhöhung der Staatsausgaben für die Sicherheit der Jüdischen Gemeinde in Helsinki bekannt gegeben, die mit immer mehr Bedrohungen leben müssten. Hier zielte der öffentliche Verdacht auf die "Nordische Widerstandsbewegung".
Finnische Medien gehen davon aus, dass das Urteil Signalwirkung für Schweden, Dänemark, Norwegen und Island haben dürfte, wo die "Nordische Widerstandsbewegung" weiterhin legal auftreten kann. Vor allem in Schweden sind die Rechtsextremisten präsent, sie wird dort von der "Säpo", eine Art Verfassungsschutz, als gefährlichste Neonazi-Gruppierung eingeschätzt, auch hier ist die Mitgliederanzahl unklar, sie soll bei über 500 liegen.
In Schweden wurde ihnen zwar seit 2018 verwehrt, offiziell Konten zu führen, doch konnten sie sich weiterhin mittels Bitcoin-Spenden finanziell über Wasser halten. Einem Mitglied der Gruppe ist es bei einer Kommunalwahl im mittelschwedischen Dalarna gelungen, einen Sitz zu erhalten.
In Finnland wie in Schweden steht die Organisation vor einem Richtungsstreit - die formale Anpassung an den politischen Mainstream, um die Mitgliederzahl zu erhöhen, oder die Radikalisierung als Kampfgruppe, die ihre Aktivitäten mehr in den Untergrund verlegt. So wurde in Schweden die radikalere "Nordische Stärke" ausgegründet, da einige Mitglieder mit dem missglückten Versuch, bei den Parlamentswahlen anzutreten, unzufrieden waren.
Die Frage stellt sich, was für eine demokratische Gesellschaft gefährlicher ist: die scheinbare Mäßigung im Auftreten und im Inhalt, wodurch sie größer und einflussreicher werden können, oder die offensichtliche Radikalisierung - dann kann zwar die betreffende Gruppe leichter verboten werden, aber einige könnten dann ganz im Untergrund verschwinden.