Finnland will Russen den Kauf von Grundstücken an der Grenze verbieten
43 Prozent der Bevölkerung nehmen den östlichen Nachbarn als Bedrohung wahr
Die finnische Regierung prüft dem Sender YLE zufolge den Erlass eines Gesetzes, das es ausländischen Staatsangehörigen untersagt, Grundstücke an der Landesgrenze zu erwerben, die man als strategisch wichtig einstuft. Hintergrund sind Medienberichte über den angeblich gezielten Kauf solcher Grundstücke durch russische Staatsangehörige. In diesen Berichten, die sich auf Informationen aus Geheimdienstkreisen beriefen, wurde spekuliert, dass die Ziele der Käufe nicht in erster Linie wirtschaftliche oder private sein könnten, sondern militärstrategische: Danach könnten die russischen Grundstückseigentümer im Krisenfall mit Baumaschinen Straßen zu militärischen Anlagen sperren, die in der Nähe liegen.
Beweise dafür gibt es bislang jedoch nicht - und an der 1340 Kilometer langen Grenze zwischen Russland und Finnland sind ebenso nichtmilitärische Motive für den grenzüberschreitenden Kauf von Grundstücken denkbar wie in anderen Regionen: Auch auf der russischen Seite lebt im Süden eine Minderheit des finnischen Volkes der Karelier, die historische und teilweise auch verwandtschaftliche Verbindungen in den Westen hat - und im Norden züchtet auf beiden Seiten der Grenze das finno-ugrische Volk der Sami Rentiere.
Um die Vorwürfe zu klären, lässt das finnische Verteidigungsministerium der Abgeordneten Suna Kymäläisen zufolge mehrere in den vergangenen Jahren getätigte Grundstückskäufe in der Nähe wichtiger Anlagen nachträglich untersuchen. Kommt es zum Ergebnis, dass konkretere Anhaltspunkte für einen Missbrauch der bisherigen Rechtslage vorliegen, soll diese so geändert werden, dass auch eine nachträgliche Ungültigkeitserklärung von Grundstücksgeschäften möglich wird, wenn man das der Landesverteidigung wegen für notwendig hält.
Geschichtlich begründete Befürchtungen
Bis 1917 gehörte Finnland - ebenso wie Estland, Lettland, Weißrussland und große Teile Polens, Litauens und der Ukraine - zum Zarenreich, das in der Februarrevolution unterging. Das ist ein Grund, warum Medien und Politik in diesen Ländern besonders empfänglich für Ängste sind, dass russische Politiker dieses Zarenreich (mit oder ohne Zaren) heimlich mit militärischen Mitteln wiederherstellen wollen - auch wenn das wirtschaftlich ziemlich unvernünftig wäre, wenn man die Kosten und Folgekosten eines Konflikts bedenkt.
Hinzu kommt, dass Stalin 1939 trotz eines 1932 unterzeichneten Nichtangriffspaktes in Finnland einmarschierte, nachdem sich die finnische Regierung weigerte, den Koivisto-Streifen hinter Leningrad abzutreten und der sowjetischen Ostseeflotte an der Südküste des Landes die Einrichtung eines Stützpunktes zu erlauben. Im März 1940 musste Finnland nach einer militärischen Niederlage nicht nur Hanko als Flottenstützpunkt verpachten, sondern auch auf Karelien, Salla, und die nordwestlich von Murmansk gelegene Fischerhalbinsel verzichten.
Die deutsche Division, die man sich darauf hin zum Schutz vor weiteren sowjetischen Ansprüchen ins Land holte, hatte die gegenteilige Wirkung und zog Finnland mit in den Zweiten Weltkrieg hinein, was noch größere Gebietsverluste und die Vertreibung Hunderttausender Finnen nach sich zog. Die Verträge, mit denen Finnland 1947 und 1948 auf diese Gebiete verzichtete, wurden 1991, nachdem sich die Sowjetunion auflöste, für nichtig erklärt, was jedoch bislang keine grenzverändernden Folgen hatte. Heute gehören die Regionen zur Republik Karelien und zum Oblast Murmansk in der Russischen Föderation.
Heer wird vergrößert
Im Kalten Krieg verhielt sich Finnland so konsequent neutral, dass deutsche Politiker dafür den (negativ gemeinten) Begriff "Finnlandisierung" erfanden. 1995 trat es der EU bei, nicht aber der NATO. Russland hat diese Grenze zu Finnland heute weitgehend entmilitarisiert, droht aber, dies im Falle eines NATO-Beitritts Finnlands rückgängig zu machen (vgl. Litauen: Zaun an der Grenze zum russischen Teil Ostpreußens geplant).
Im letzten Jahr ergab eine Umfrage in Finnland, dass 43 Prozent der dortigen Bevölkerung Russland als Bedrohung wahrnehmen. Das macht auch die finnische Regierung, die verlautbarte, die "Großmacht" strebe danach, "die Fähigkeiten der NATO herauszufordern, die baltischen Staaten und Osteuropa zu verteidigen, sollte eine militärische Krise entbrennen". Mit dieser Begründung beschloss sie nach der Krim- und Ukrainekrise eine Aufstockung der im Konfliktfall zur Verfügung stehenden Soldatenzahl von 230.000 auf 280.000.
Eher keine praktischen Auswirkungen dürfte ein Grenzlandgrunderwerbskontrollgesetz, auf eine andere Grenzregion haben: Die autonomen Åland-Inseln, auf denen praktisch nur Schwedisch gesprochen wird, und auf denen es eine Abspaltungsbewegung gibt.
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