Florida: Versinkt der Sonnenscheinstaat im Meer?
Energie und Klima – kompakt: Experten melden für Südosten der USA schnelleren Anstieg des Meeres. Das hat mit dem Golfstrom zu tun. Was das für die Bewohner der Küsten bedeutet.
Wenn vom steigenden Meeresspiegel die Rede ist, ist meist der globale Mittelwert gemeint. Der lokale Meeresspiegel, der letztlich ausschlaggebend ist, wird hingegen noch von einer ganzen Reihe weiterer Faktoren beeinflusst.
Zum Beispiel von Meeresströmungen oder Hebungen oder Absenkungen der lokalen Küste. Letzteres kann natürlich Ursachen wie an der deutschen Nordseeküste haben, eine Folge von Entwässerung sein oder das Ergebnis der Ausbeutung von Erdöl- und Erdgasfeldern.
Markante Anstiege der Küsten finden etwa im Nordosten der Ostsee statt, wo sich die schwedischen und finnischen Küsten um bis zu einem Meter pro Jahrhundert heben. Dort hat vor 20.000 Jahren ein mehrere Kilometer dicker Eispanzer gelegen und die skandinavische Erdkruste in den plastischen Untergrund gedrückt, die nun wie ein Korken im Wasser, wenn auch sehr viel langsamer, in die alte Position zurückstrebt.
Die Städte rund um den Bottnischen Meeresbusen gehören daher zu den wenigen Küstenorten auf dem Planeten, in denen man sich vorerst keine Sorgen über den steigenden mittleren Meeresspiegel machen muss.
Wo das Meer gut einen Meter pro Jahrhundert steigen könnte
Anders als die Bewohnerinnen und Bewohner der Golfküste und der südöstlichen Atlantikküste der USA. Dort zeigen sowohl die Daten der lokalen Pegelstationen als auch Satellitenmessungen, dass sich der Anstieg des Meeresspiegel zwischen 2010 und 2022 erheblich beschleunigt hat, und zwar auf mehr als einen Zentimeter pro Jahr.
Das berichtet der US-amerikanische Geowissenschaftler Jianjun Yin von der University of Arizona im Journal of Climate der US-amerikanischen Meteorologischen Gesellschaft. Das wäre schon mehr als ein Meter pro Jahrhundert, mehr als doppelt so schnell, wie der über alle Ozeanflächen gemittelte Anstieg, der sich allerdings ebenfalls beschleunigt. Die Folgen sind im Südosten der USA schon jetzt zu spüren.
Der schnellere Anstieg des Meeresspiegel an der Südost- und Golfküste mit einer Rate von mehr als zehn Millimetern pro Jahr zwischen 2010 und 2022 fiel in den letzten Jahren mit aktiven und sogar Rekorde brechenden Hurrikan-Saisons zusammen. Als eine Konsequenz davon haben höhere Sturmfluten die Überschwemmungen und Zerstörungen vor allem an der Golfküste verschlimmert.
Jianjun Yin
Tatsächlich war Hurrikan "Ian", der im September letzten Jahres Florida getroffen hatte, mit einer Schadenssumme von 113 Milliarden US-Dollar die teuerste Naturkatastrophe in der Geschichte des Bundesstaates, wie die britische Zeitung Guardian schreibt. Zugleich seien nie zuvor Sturmfluten so hoch aufgelaufen wie im Falle "Ians".
Schon jetzt kommt es in Floridas Hauptstadt Miami des Öfteren zu Überschwemmungen, wenn die Flut zum Beispiel währen Neu- und Vollmond besonders hoch ausfällt. Entlang der dicht besiedelten Küste des bei Rentnern und Urlaubern beliebten "Sonnenscheinstaates" seien die Kosten für Gebäudeversicherungen in den letzten Jahren um 40 Prozent gestiegen, so der Guardian.
Yin sieht einen Zusammenhang zwischen der seit 2010 beobachteten Abschwächung der nordatlantischen Umwälzzirkulation und dem beschleunigten Anstieg des lokalen Meeresspiegels. Der bekannteste Teil dieser Zirkulation, die vor allem durch das Gefrieren von Meerwasser zwischen Grönland und Spitzbergen angetrieben wird, ist der Golfstrom. Dieser strömt vom Golf von Mexiko kommend entlang der US-Ostküste, bevor er nach Nordosten abbiegt.
Die Strömung sorgt bisher dafür, dass die Pegel an der dortigen Küste deutlich niedriger sind, als sie bei ruhigem Wasser wären. Aufgrund der Rotation der Erde werden nämlich auf der Nordhalbkugel alle Bewegungen nach rechts abgelenkt und in diesem Fall das Wasser von der Küste weggedrückt, je schneller es fließt. Im Umkehrschluss ist jede Verlangsamung des Golfstroms direkt an den Pegelständen ablesbar.
Eine weitere Studie, die zu Beginn der Woche im Fachblatt Nature Communications erschienen ist, bestätigt die Ergebnisse Yins. Die Beschleunigung halte bereits seit den 1960er-Jahren an, und der jährliche Anstieg habe zuletzt an den besagten Küsten mehr als einen Zentimeter betragen. Ursache seien vor allem an den Golfküsten unter anderem auch veränderte Winde, die vermehrt Wasser in die Karibik drücken.
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