Flüchtlinge: Die Sündenböcke neoliberaler Politik

Seite 2: Steigende Mieten - auch hier sind die Flüchtlinge nicht Ursache

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Ebenso problematisch ist die oben zitierte Argumentation Lafontaines beim Thema der steigenden Mieten. Auch hier wird über die Flüchtlinge als Last für die Abgehängten geredet, ohne die wahren Ursachen des seit mittlerweile zwei Jahrzehnten bestehenden Problems steigender Mieten zu benennen.

Statistiken belegen, dass der Mietpreisindex in Deutschland mindestens seit Mitte der 1990er Jahre konstant ansteigt. Die Zuwanderung hat den Anstieg weder verschärft, noch hat sie ihn verursacht.

Eine Ursache der steigenden Mieten für Geringverdiener ist die stark abnehmende Anzahl von Sozialwohnungen in Deutschland. Gab es Anfang der 1990er Jahre noch circa 3 Millionen Sozialwohnungen, waren es 2013 nur noch 1,5 Millionen. Und seitdem ging die Zahl noch einmal um circa 150.000 zurück.

Auch die von der Bundesregierung angedachte Mietpreisbremse konnte dem Trend steigender Mieten nicht entgegenwirken. Zum einen gibt es keine Strafen für Vermieter, die die Mietpreisbremse missachten. Zum anderen basiert sie auf dem Mietspiegel der jeweiligen Kommune. Allerdings gibt es in 3 von 4 Kommunen mit Mietpreisbremse gar keinen Mietspiegel. Correctiv zitiert dazu den Geschäftsführer der Regensburger Stadtbau GmbH mit den Worten: "Die Mietpreisbremse ohne verpflichtenden Mietspiegel ist so, als hätte man beim Mindestlohn nicht festgelegt, ob eine Stunde 55, 60 oder 65 Minuten lang ist."

Und in Berlin sind es Immobilienspekulanten, die alte Mieter aus ihren Wohnungen drängen, um die Häuser dann teuer zu verkaufen. Denn Immobilien als Mietshäuser zu halten, ist aufgrund der Wohnungsknappheit nicht mehr so rentabel wie günstige Häuser zu kaufen, die Mieter zu verdrängen, Miet- in Eigentumswohnungen umzuwandeln und diese dann teuer zu verkaufen. Der Spiegel berichtet, dass die Schlupflöcher, die diese Praxis erlauben, bei der Stadtverwaltung schon als Schlupfkrater bekannt sind.

Diese vielfältigen Problemursachen belegen, dass Argumentationen, die Flüchtlinge in den Mittelpunkt der Debatte um steigende Mieten stellen, erneut die wahren Problemursachen verkennen. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Flüchtlinge konkurrieren mit sozial Abgehängten sicher um das knappe Angebot an Sozialwohnungen. Aber die Debatte hier zu beenden und nicht die Vorgeschichte knapper Sozialwohnungen zu erzählen, wäre wie die Einleitung eines Buches zu lesen und den Hauptteil des Buches zu übersehen.

Fazit: Neoliberale Politik Ursache für soziale Härte

Deutschland werde sich in den nächsten Jahren bis zu Unkenntlichkeit verändern (so Merkel) und müsse sich jährlich auf eine halbe Million Flüchtlinge einstellen (so Gabriel). Diese Politikeraussagen gehen nicht nur an der Realität mittlerweile geschlossener bzw. weit ins Ausland verschobener Grenzen vorbei (hier). Sie lenken auch von den Problemursachen ab - und zwar im Eigeninteresse der Politiker, die die Probleme stagnierender Reallöhne und steigender Mieten zu verantworten haben.

Einige Wähler mögen die AfD aufgrund von sozialer Härte und steigender sozialer Ungleichheit wählen und nicht mehr die Linke. Die Flüchtlinge allerdings als Ursache sozialer Spannungen auszumachen, greift viel zu kurz.

Denn es sind nicht die Flüchtlinge, die Deutschland verändern, sondern es ist die neoliberale Politik mindestens der letzten 20 Jahre, die Deutschland schon lange verändert hat. Es ist Zeit sich mit den neoliberalen Problemursachen - Privatisierungen, Spekulation, Finanzialisierung, falsche Lohnkonkurrenz, Schwächung der Gewerkschaften - auseinanderzusetzen, statt fälschlicherweise Flüchtlinge für Lohndruck oder steigende Mieten verantwortlich zu machen.