Flüchtlinge: Österreich will die Zahl der aufzunehmenden Asylsuchenden begrenzen
ÖVP-Vizekanzler Mitterlehner spricht von "Obergrenzen". Der Asylgipfel beschließt, dass bis 2019 maximal 127.500 Asylsuchende angenommen werden
Die österreichische Regierung will sich gegen die Überforderung durch die Vielzahl von Flüchtlingen stemmen. Dazu präsentierte sie nach dem heutigen Asylgipfel konkrete Zahlen, die eine stufenweise Reduzierung vorsehen: maximal 37.500 Asylanträge in diesem Jahr, 35.000 im nächsten Jahr, 2018 dann 30.000 und 2019 nur mehr 25.000. Insgesamt also 127.500 in vier Jahren. Laut Medienberichten sind die Zielvorgaben inklusive Familiennachzug konzipiert.
Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr wurden 90.000 Asylanträge gestellt, 60.000 davon sind laut dem Leiter des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl noch in Bearbeitung. Bewilligt wurden knapp 14.000, rund 2.200 Personen wurde subsidiärer Schutz gewährt.
Rechtliche Grundlagen und Sprachgebrauch
Auch wenn die Zielvorgaben ganz konkret gefasst sind: Sie sind eine ideelle Vorgabe, der Realitätstest steht noch aus. Rechtlich verbindlich sind sie nicht, wie der SPÖ-Bundeskanzler Faymann einräumt, wohingegen der österreichische Generalsekretär von Amnesty, Heinz Patzelt, darauf aufmerksam macht, dass Obergrenzen bei Asylsuchenden weder mit dem Völkerrecht noch mit EU-Recht zu vereinbaren sind.
Auch Faymann weiß das und kündigt an, dass dazu ein Gutachten in Auftrag gegeben ist. Auch redet der SPÖ-Bundeskanzler nur von einem "Richtwert" im Zusammenhang mit einer "Notlösung". Der Richtwert orientiert sich daran, dass 127.500 aufgenommene Flüchtlinge etwa 1,5 Prozent der heimischen Bevölkerung entsprechen.
Faymanns Vizekanzler, Reinhold Mitterlehner (ÖVP), spricht demgegenüber von "Obergrenzen". Aber auch er weiß nicht, wie diese rechtlich und praktisch durchzusetzen wären, wenn mehr Flüchtlinge kommen, was nicht unwahrscheinlich ist. Er versucht, den dünnen Boden mit fester Entschlossenheit wettzumachen:
Wir sind gerade dabei, unsere Gutachten, die wir einholen, entsprechend auch zu sichten. Einige haben wir noch laufen. Und deswegen brauchen wir dann auch eine sichere Rechtsbasis, die im Extremfall bis zu einer Rechtsauseinandersetzung auf EU-Ebene gehen könnte.
Als "wirkliche Linie am Schluss" gibt er an, "dass jeder, der unerlaubt über die grüne Grenze geht, zurückgebracht wird in einen Hotspot, und dort das entsprechende Verfahren und die Aufteilung auch abgewickelt werden muss."
Spielfeld
Reell bedeutet dies, dass sich die praktischen Hoffnungen vor allem auf den umgebauten Grenzübergang zu Slowenien in Spielfeld richten, wo nun genauer kontrolliert werden kann und mehr Flüchtlinge abgewiesen werden können. Etwa, weil sie in einem anderen Land Asyl suchen.
Was die Flüchtlinge betrifft, die in Deutschland Asyl beantragen wollen, so gibt es dazu in österreichischen Medien Berichte mit unterschiedlichen Aussagen, was darauf hindeutet, dass dies von Abmachungen bzw. der Politik in Deutschland abhängt.
So wird Faymann in einem Bericht des Standard vom Dienstagabend mit Äueßrungen im Ministerrat wiedergegeben, wonach "jene Menschen, die bereits an der Grenze angeben, keinen Asylantrag in Österreich stellen zu wollen, könnten laut künftig verstärkt nach Slowenien oder Italien zurückgeschoben werden.
Das könnte auch Flüchtlinge betreffen, die sich nicht ausweisen können oder schon an der Grenze angeben, dass sie etwa nach Schweden oder Deutschland weiterreisen möchten.
In einem heute veröffentlichten Bericht wird Faymann dagegen mit einer unterschiedlichen Aussage zitiert:
Jene Flüchtlinge, die nicht in Österreich oder Deutschland Asyl beantragen, sollen künftig nicht mehr einreisen dürfen.
Auf die Signalwirkung setzen
Über die Bereiche der staatlichen Souveränität - Spielfeld und die Grenzpolitik - hinaus hängt alles an der Signalwirkung, wie der österreichische Bundeskanzler und der Außenminister einräumen. Die Ansage des Asylgipfels mit den Richtwerten/Obergrenzen soll die Flüchtlinge beeindrucken und die EU aufrütteln, so Faymann, damit dort verbindliche Regelungen für alle Länder getroffen werden .
Von Außenminister Kurz wird dessen Hoffnung übermittelt, dass sich Flüchtlinge in Krisenregionen "erst gar nicht auf den Weg nach Europa machen, da sie wüssten, dass es keine Möglichkeit der Weiterreise gebe".
Kanzler Faymann zielt indessen auf Regelungen der EU.
Alles andere bis dahin ist eine Notlösung, und ob der jetzt Plan B oder C oder D heißt - ist eine Notlösung. Und das soll man auch niemand verschweigen.
Nachtrag:
Ergänzt wird das Repertoire an Signalen noch durch Einschnitte bei staatlichen Zuwendungen, die Flüchtlinge vom Ziel Österreich abhalten sollen. So will die Regierung prüfen, ob "im Bereich Mindestsicherung (alle anerkannten Flüchtlinge haben Anspruch darauf) eine Schlechterstellung von Flüchtlingen gegenüber Österreichern bzw. sonstigen Fremden rechtlich möglich wäre". Ein Gutachten dazu soll bereits im Februar 2016 vorliegen. Dazu erging die Aufforderung an die Länder, "bereits bestehende Sanktionsmöglichkeiten - etwa bei Arbeitsverweigerung - bei der Mindestsicherung ausnahmslos auszuschöpfen".