Flüchtlingsabkommen zwischen EU und Türkei auf der Kippe?

Streit über Visaerleichterungen und Anti-Terror-Gesetze schaukelt sich auf: "Dann schicken wir Flüchtlinge los"

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Vertreter beider Seiten machen den Streitpunkt zur Frage der prinzipiellen Haltung. Es wird interessant, welche diplomatischen Auswege dafür gefunden werden. Der türkische EU-Minister Volkan Bozkir sagte, es sei der Türkei unmöglich, Veränderungen am Anti-Terror-Gesetz zu akzeptieren. Mehr als 450 Märtyrer hätten ihr Leben für die Türkei gelassen. Unter solchen Bedingungen sei eine Revision des Terror-Gesetzes unmöglich.

Am Abend zuvor hatte Burhan Kuzu, dessen Funktion als Berater von Präsident Erdogan bezeichnet wird, über Twitter ausgesprochen, was mit dem Begriff "Schleusenwärter Erdogan" seit Beginn über den Verhandlungen zum Flüchtlingsdeal mit der Türkei hing, die Drohung, die Grenzen weit zu öffnen. Wenn das EU-Parlament die falsche Entscheidung treffe, wird der Tweet wiedergegeben, "dann schicken wir die Flüchtlinge los".

Einstweilen aber blockiert der EU-Parlamentspräsident die Entscheidung des Parlaments in Straßburg. Er habe das ihm zugeleitete Entwurfspaket für die Visaerleichterung nicht an den zuständigen Ausschuss im Parlament weitergeleitet, erklärte. Das Gesetzespaket liege bei ihm, und er werde es dort liegen lassen, bis die Türkei alle Voraussetzungen erfüllt hat.

Das habe sie bisher eindeutig nicht getan, so Schulz. Er hob zwei der nicht erfüllten 5 von 72 Kriterien hervor, die Reform des Anti-Terror-Paragraphen und des Datenschutzrechts. Man zeige jetzt, dass es beim Deal mit der Türkei nicht um eine Vereinbarung gehe zu "Lasten der Seriösität in der Gesetzgebung". Es gehe um Qualität. Zwei der wesentlichsten Voraussetzungen seien "sichtlich nicht nur nicht erfüllt, sondern nicht mal angepackt".

Die EU habe sich an ihre Abmachungen gehalten, die Türkei nicht, so Schulz, er erkenn auch nicht, dass die Türkei den Willen habe, "zumindest den Anti-Terror-Paragraphen" zu ändern.

Sollte das Abkommen doch scheitern, dann habe nicht nur die EU ein Problem, sondern "sicher auch die Türkei". Schulz nannte in diesem Zusammenhang die Milliardenzahlungen für die Flüchtlingsbetreuung. Darüber hinaus verwies er auf die Annäherung der Türkei an die EU, die man in Ankara nicht so fahrlässig aufs Spiel setzen werde.

Ob der türkische Präsident Erdogan die Annäherung an die EU so hoch ansetzt, ist fraglich. Dass mit der EU-Visaerleichterung Versprechen verbunden sind, die für seinen Rückhalt wichtig sind, wird ins Gewicht fallen. Ebenso wie die Milliardenzahlungen. Von beiden profitieren, wie an vielen Stellen zu hören ist, ein geschäftliches Umfeld, das über gute Beziehungen zum Präsident verfügt. Erdogan sprach davon, dass über die Anpassungen letztendlich erst im Oktober entschieden werde, wobei auch er betonte, dass es keine Anpassungen beim Anti-Terror-Gesetz geben werde.