Flutkatastrophe im Ahrtal: Bahnbrechende Erkenntnisse ein Jahr danach

Hochwasser in Altenahr am 15. Juli 2021. Foto: Martin Seifert (CnndrBrbr at German Wikipedia) / CC0 1.0

Eine Bundestagsdebatte über "Lehren für die Zukunft des Bevölkerungsschutzes" erweckte den Eindruck, dass seit dem Jahrhunderthochwasser noch nicht viele Konsequenzen gezogen wurden.

Seit der Flutkatastrophe im Juli 2021 ist fast jeder zehnte Bewohner aus dem Ahrtal weggezogen. Ein knappes Jahr danach wurde an diesem Donnerstag im Bundestag über "Lehren für die Zukunft des Bevölkerungsschutzes" debattiert.

133 Menschen waren ums Leben gekommen, nachdem am 14. und 15. Juli 2021 extremer Starkregen an der Ahr eine Hochwasserkatastrophe ausgelöst und weite Teile des Tals unter Wasser gesetzt und zerstört hatte rund 42.000 Menschen sind von den Folgen betroffen. Der Wiederaufbau ist noch lange nicht abgeschlossen, bei der Instandsetzung ihrer Wohnungen und Häuser müssen viele improvisieren: Jeder vierte Versicherungsfall ist noch offen, wie der Gesamtverband der Versicherer (GDV) am Mittwoch mitteilte.

Faeser hält "Neustart" für nötig

"Wir brauchen einen Neustart im Bevölkerungsschutz", sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) in der Bundestagsdebatte – nicht nur hinsichtlich der Flutkatastrophe, sondern auch mit Blick auf den Krieg in der Ukraine. "Wir sorgen für ein neues, modernes Warnsystem", versprach sie. Naturkatastrophen werde es wegen des Klimawandels in Zukunft mehr geben – es sei nötig, sich dafür zu wappnen.

Wie Faeser dankten mehrere Rednerinnen und Redner zunächst den Hilfsorganisationen und freiwilligen Helfern, die vor fast einem Jahr in die Flutgebiete gefahren waren.

Ausstattung nach wie vor unzureichend

Dann wurden gravierende Mängel auf institutioneller Ebene und Defizite bei der Ausstattung des Katastrophenschutzes angesprochen – etwa von André Hahn, der für die kleinste Oppositionsfraktion Die Linke im Innenausschuss sitzt und deren Sprecher für zivilen Katastrophenschutz ist:

Es kann und und darf nicht sein, dass uns Helfer aus dem Katastrophenschutz sagen, dass ihre Fahrzeuge eher ins Museum gehören, als für einen Hilfseinsatz zulässig sind.


André Hahn (Die Linke)

Die unzureichende Ausstattung könne bei jedem künftigen Starkregen und jeder neuen Katastrophe wieder Menschenleben kosten, warnte Hahn vor einer Fortsetzung des "Sparwahns", den auch und gerade die Unionsparteien während ihrer Regierungszeit gepflegt hätten. Bei Hilfen für den Wiederaufbau müsse auch das Bedürfnis nach Sport- und Freizeitstätten berücksichtigt werden.

Die umweltpolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Anja Weißgerber (CSU) hatte vorab Mindeststandards zur Erstellung von Gefahren- und Risikokarten sowie Frühwarnsysteme für lokale Starkregenereignisse gefordert. Gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sprach sie sich zudem für ein "Nationales Klima-Anpassungsgesetz zur Daseins- und Zukunftsvorsorge" aus. Darin müssten "die berechtigten Interessen von Ländern, Kommunen, Landwirten, Grundstückseigentümern und anderweitig Betroffenen berücksichtigt" werden, so Weißgerber.

Die SPD-Abgeordnete Lena Werner hob hervor, dass Bund und Länder beim Bevölkerungsschutz an einem Strang ziehen müssten. "Es ist unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass niemand mehr in Deutschland von so einer Flut oder Naturkatastrophe überrascht wird", sagte sie.

Der Grünen-Politiker Harald Ebner betonte in der Bundestagsdebatte, dass zusätzlich zu einem verbesserten Katastrophenmanagement und dem Klimaschutz eine "nationale Wasserstrategie" nötig sei. Dabei dürfe "endlich" nicht mehr gegen biologische Prozesse gearbeitet werden. Stattdessen müsse das Potenzial genutzt werden, Wasser zu speichern und langsam wieder abzugeben. Ebners Parteifreundin Misbah Khan hob die Chancen hervor, die ein nachhaltiger Wiederaufbau biete, um "insgesamt resilienter zu werden".

Der bleibende Eindruck: Einige Kernaussagen aus der Debatte hätten auch wenige Tage nach der Flutkatastrophe getroffen werden können.