Fördergeld-Affäre: Warum die Bildungsministerin für niemanden eine gute Figur macht

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger.

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger. Bild: Juergen Nowak / Shutterstock.com

Kampf gegen Antisemitismus oder gegen Meinungsfreiheit: Wann erfuhr Stark-Watzinger vom Prüfauftrag zur Streichung von Fördermitteln? An ihrer Version gibt es Zweifel.

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) muss sich mit zweierlei Kritik auseinandersetzen – weiterhin wird wegen der "Fördergeld-Affäre" ihr Rücktritt gefordert.

Dass sie sich von Staatssekretärin Sabine Döring trennte, nehmen ihr aber gerade auch diejenigen übel, die der Meinung sind, dass es gar keine skandalträchtige "Affäre" gab. Der Prüfauftrag, den Döring erteilte und von dem Stark-Watzinger keine Kenntnis gehabt haben will, war demnach gerechtfertigt – ging es doch um Sanktionsmöglichkeiten gegen Uni-Lehrkräfte, denen vorgeworfen wird, in einem offenen Brief Antisemitismus verharmlost zu haben.

Meinungsfreiheit vs. Kampf gegen Antisemitismus

Forschungsgelder sollten ihnen wegen missliebiger Meinungen gestrichen werden – zumindest sei diese Möglichkeit in Stark-Watzingers Ministerium geprüft worden, so der Vorwurf auf einer Seite.

Zu Recht, meinen andere, denn es gehe nicht um irgendwelche kritischen Meinungen, sondern die Berliner Uni-Lehrkräfte hätten sich in diesem offenen Brief vor antisemitische Proteste gestellt.

Tatsächlich hatten sie die polizeiliche Räumung eines pro-palästinensischen Protestcamps am 7. Mai an der Freien Universität kritisiert, ohne die inhaltliche Ausrichtung des Protests – weitgehende Boykottforderungen gegen Israel auch im akademischen Bereich – zu bewerten oder ihnen zuzustimmen.

Gewaltdrohungen und Debatte um Grenzen der Meinungsfreiheit

Wichtige Details über die Besetzungsaktionen der "Student Coalition Berlin" waren aber auch erst nach der Publikation des offenen Briefs bekannt geworden.

Etwa, dass bei einer weiteren Besetzung am 23. Mai im sozialwissenschaftlichen Institut der Humboldt-Universität Symbole an Wände und das Namensschild eines Mitarbeiters gesprüht wurden, die als Gewaltandrohung verstanden werden müssen – konkret das rote Dreieck, mit dem die Hamas Feinde markiert – und dass zwei Drittel der Besetzer laut Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) gar nicht an den jeweiligen Hochschulen studieren.

Dies jedenfalls sagte Czyborra am Montag dieser Woche im Wissenschaftsausschuss im Abgeordnetenhaus in Berlin – die Polizei hatte die Personalien zahlreicher Besetzer aufgenommen und Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner des offenen Briefs waren aber – als "Lehrende an Berliner Universitäten" – davon ausgegangen, dass es sich um Studierende handelte, mit denen nach Möglichkeit eine "dialogische und gewaltfreie Lösung" gefunden werden müsse.

Meinungsstarke Medienkampagne

Einen Dialog hatte auch die Präsidentin der Berliner Humboldt-Universität, Julia von Blumenthal, im Fall der oben genannten Besetzung am 23. Mai angestrebt, sie vertritt aber inzwischen – nach Kenntnis von Sachbeschädigungen und bedrohlichen Schmierereien im sozialwissenschaftlichen Institut – die Auffassung, dass dies nicht möglich sei.

"Im Nachhinein weiß ich, ein Dialog mit diesen Besetzergruppen kann nicht gelingen", sagte sie dem Spiegel in einem am 25. Mai veröffentlichten Interview.

Diese Chronologie ist wichtig, um den vermeintlichen Skandalwert des offenen Briefs richtig einzuschätzen. Bekannt ist, dass es Stark-Watzinger selbst war, die ihn öffentlich in Eintracht mit der Bild-Zeitung skandalisiert und sich "fassungslos" darüber geäußert hatte. Sabine Döring hingegen hatte angesichts eines Bild-Artikels mit der Überschrift "Universitäter" auf der Plattform X die Frage aufgeworfen: "Wollen wir wirklich so miteinander umgehen?"

Zweifel an Version von Bildungsministerin Stark-Watzinger

Stark-Watzinger selbst hat aber nach Auskunft des Ministeriums "den Auftrag einer solchen Prüfung potenzieller förderrechtlicher Konsequenzen weder erteilt noch gewollt", wie Pressesprecherin Judith Reichel unter anderem Telepolis mitteilte. Die Ministerin habe durch eine Mail am 11. Juni davon Kenntnis erlangt.

Daran wurden am Mittwoch in der Bundespressekonferenz Zweifel laut: Auf Nachfrage eines Medienvertreters konnte oder wollte die Sprecherin des Ministeriums nicht ausschließen, dass Stark-Watzinger vor der Mail ihrer Staatssekretärin auf einem anderen Weg darüber informiert wurde.

Scharfe Kritik von zwei Seiten

Egal, wie weit die Meinungen zum Inhalt des offenen Briefs auseinander gehen: Stark-Watzinger hinterlässt hier keinen guten Eindruck. Schleswig-Holsteins Bildungsministerin und CDU-Vize Karin Prien schrieb Anfang der Woche auf der Plattform X, Döring werde "zum Bauernopfer gemacht". Die Politik zeige sich hier von ihrer "hässlichen Seite". Der bildungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Thomas Jarzombek, verlangte Stark-Watzingers Rücktritt.

Für die einen knickt sie im Kampf gegen Antisemitismus ein und opfert eine couragierte Staatssekretärin – solche Stimmen kommen auch aus FDP-Parteikreisen – für die anderen müsste sie selbst zurücktreten, weil sie in der einen oder anderen Form treibende Kraft hinter einem Prüfauftrag war, der sich gegen die Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit richtete.

Auch, wenn sie keine direkte Anweisung dazu gab, sondern "nur" eine Medienkampagne befeuerte, die ein solches Vorgehen politisch und moralisch legitim erscheinen ließ.

Mehr als 3.000 Akademiker und Hochschul-Lehrkräfte haben inzwischen eine Stellungnahme unterzeichnet, in der sie Stark-Watzingers Ministerium einen "bisher nicht dagewesenen Angriff auf ihre Grundrechte" vorwerfen.