Meinungsfreiheit: Deshalb drohte Uni-Lehrkräften die Streichung von Fördermitteln
Nach Statement für Dialog mit Uni-Besetzern: Berliner Professoren unter Druck. Diese Sanktionen ließ das Bildungsministerium prüfen.
Der offene Brief von Berliner Hochschullehrern, die sich vor wenigen Wochen gegen die polizeiliche Räumung der kurzzeitigen Besetzung an der Freien Universität durch propalästinensische Aktivisten ausgesprochen hatten, schlägt weiter hohe Wellen. Mehr als 200 Uni-Lehrkräfte hatten im Mai die Stellungnahme unterzeichnet.
Laut einem aktuellen Bericht des NDR wollte das Bundesministerium für Bildung daraufhin prüfen, ob den beteiligten Professoren und Dozenten ihre Fördermittel gestrichen werden können. Der Redaktion des ARD-Magazins Panorama (NDR) liegen demnach interne E-Mails aus dem Ministerium vor, die dies belegen.
Grundrechte und Meinungsfreiheit vs. Inhalte: Worum ging es?
Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) hatte sich öffentlich "fassungslos" über das Schreiben gezeigt. "Statt sich klar gegen Israel- und Judenhass zu stellen, werden Uni-Besetzer zu Opfern gemacht und Gewalt verharmlost", sagte Stark-Watzinger der Bild.
Die Besetzergruppe "Student Coalition Berlin" hatte wegen der Bombardierung des Gazastreifens unter anderem ein Waffenembargo gegen Israel, eine Waffenruhe für Gaza und einen "akademischen Boykott israelischer Universitäten und Institutionen" durch deutsche Hochschulen gefordert.
Gegenstand des offenen Briefs war allerdings keine inhaltliche Unterstützung von Aussagen und Forderungen der Besetzer, sondern die Uni-Lehrkräfte kritisierten den Polizeieinsatz vom 7. Mai und hätten ihm nach eigenen Worten "eine dialogische und gewaltfreie Lösung" vorgezogen. Eine solche Lösung anzustreben, solange es nur möglich sei, gehöre zu den Pflichten der Universitätsleitung, schrieben sie.
Unabhängig davon, ob wir mit den konkreten Forderungen des Protestcamps einverstanden sind, stellen wir uns vor unsere Studierenden und verteidigen ihr Recht auf friedlichen Protest, das auch die Besetzung von Uni-Gelände einschließt.
Aus dem Statement von Lehrenden an Berliner Universitäten
Diese Konsequenzen ließ das Ministerium prüfen
Laut Panorama belegen die Mails aus dem Ministerium, dass dessen Leitung intern um "eine förderrechtliche Bewertung, inwieweit von Seiten des BMBF ggf. förderrechtliche Konsequenzen (Widerruf der Förderung etc.) möglich sind", gebeten hat. Außerdem habe sie "um eine juristische Prüfung einer etwaigen strafrechtlichen Relevanz der Aussagen in dem offenen Brief" gebeten - ob er etwa Volksverhetzung enthielt oder sein Inhalt von der Meinungsfreiheit gedeckt sei.
Zudem sei laut Schriftverkehr angezweifelt worden, dass die beteiligten Hochschullehrer auf dem Boden des Grundgesetzes stünden – allerdings hätten auch Mitarbeiter des Ministeriums Bedenken gegen eine solche Prüfung geäußert: Das Bundesministerium habe "unabhängig vom Ergebnis einer rechtlichen Prüfung, keine unmittelbaren Handlungs- bzw. Einflussmöglichkeiten in (...) disziplinarrechtlicher Hinsicht".
Judenhass-Vorwürfe und Beschwerden beim Presserat
Die "Berichterstattung" der Bild über den offenen Brief ist unterdessen Gegenstand einer Beschwerde der Berliner Humboldt-Universität beim Deutschen Presserat. Am 10. Mai hatte das Blatt unter der Überschrift "Universitäter" über das Statement berichtet und den Beteiligten unterstellt, ein Schreiben "für Judenhass-Demos" verfasst zu haben. Hinzu kamen Porträts von 13 Einzelpersonen, die den offenen Brief unterschrieben hatten.
Auch der Mitunterzeichner Prof. Dr. Michael Wildt hatte darauf mit einer Beschwerde beim Deutschen Presserat reagiert ein: Als "international renommierter NS- und Holocaust-Historiker" sehe er sich durch die Behauptung bewusst verleumdet, schrieb Wildt zur Begründung.
Die Freie Universität Berlin wollte ebenfalls rechtliche Schritte prüfen lassen.
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