Forencheck: Impfpflicht, Coronazahlen in Niederlanden und Dänemark sowie Elektroautos in China

Drei Fragen aus dem Forum. Eine Telepolis-Kolumne

Muss Bayern die einrichtungsbezogene Impfpflicht umsetzen?

Auf einen Kommentar von Telepolis-Chefredakteur "Impfpflicht: Placebo gegen die Pandemie" beschwert sich ein Kommentator:

An diesem Artikel stimmt kaum etwas und legt noch einmal das Argument dar, dass mit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht Pflegebedürftige und Kranke geschützt werden sollen. "(…) Und weiter geht es nicht darum ob Söder für oder gegen die Impfpflicht ist. Aber er hat das umzusetzen, was der Bund vorgibt. Wenn er das nicht machen möchte ist der richtige Ort der Bundestag und das Bundesverfassungsgericht, aber nicht die BILD!

Diese Anmerkung ist prinzipiell richtig. Die Bundesländer sind verpflichtet, Bundesgesetze auszuführen. Beim Deutschen Bundestag lässt sich dazu folgendes nachlesen:

Vollzug der Bundesgesetze

Allerdings sind die Länder nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, Bundesrecht eigenverantwortlich auszuführen. Einen Anspruch auf Verschonung der Landesbehörden aus personellen oder finanziellen Gründen gibt es nicht. Das bedeutet, dass der Bund die Länder durch seine Gesetze mit Verwaltungsaufgaben belasten kann. Der Aufwand für die Ausführung von Gesetzen spielt deshalb eine wichtige Rolle in Finanzverhandlungen von Bund und Ländern.

Das "Gesetz zur Stärkung der Impfprävention gegen Covid-19" wurde am 10. Dezember 2021 beschlossen, wurde noch am selben Tag vom Bundesrat bestätigt und ist in weiten Teilen am 12. Dezember 2021 in Kraft getreten. Laut Gesetz müssen Beschäftige "von beispielsweise Kliniken, Pflegeheimen, Arztpraxen und Rettungsdiensten" – die detaillierte Liste ist beim Bundesgesundheitsministerium unter einzusehen – bis zum 15. März einen Impfnachweis oder Genesenennachweis oder einen Nachweis, dass sie nicht geimpft werden können, vorlegen. Ab dem 16. März kann Personen ohne Nachweis der Zutritt zu ihrem jeweiligen Arbeitsplatz verweigert werden.

Ein grundlegender Kritikpunkt an dem Gesetz sind unklare Ausführungsbestimmungen sowie eine weitere Belastung der ohnehin schon überlasteten Gesundheitsämter, so wie es auch im Artikel deutlich wird.

"Wenn der Nachweis nicht bis zum Ablauf des 15.03.2022 vorgelegt wird oder wenn Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises (Impf- oder Genesenennachweis oder ärztliches Zeugnis) bestehen, hat die Leitung der jeweiligen Einrichtung oder des jeweiligen Unternehmens unverzüglich das Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die jeweilige Einrichtung oder das jeweilige Unternehmen befindet, darüber zu benachrichtigen und dem Gesundheitsamt personenbezogene Daten zu übermitteln", erläutert der Paritätische Wohlfahrtsverband.

Die Gesundheitsämter haben schließlich über das weitere Vorgehen – also auch, ob Bußgelder oder Betretungsverbote verhängt werden - in jedem Einzelfall zu entscheiden.

So ist zwar Bayern grundsätzlich nicht berechtigt, die einrichtungsbezogene Impfpflicht auszusetzen, dass Gesundheitsämter in allen Teilen der Bundesrepublik es nicht schaffen werden, diese auch individuell durchzusetzen, ist nach bisherigem Stand der Dinge wahrscheinlich.

Belasten die Öffnungen in den Niederlanden und in Dänemark das Gesundheitssystem?

Auf den Artikel von Stephan Schleim zur schrittweisen Lockerung der Coronamaßnahmen in den Niederlanden (https://www.heise.de/tp/features/Neue-Pandemiephase-Niederlande-lassen-Corona-Massnahmen-schrittweise-los-6479211.html) bemerkt ein User:

Rund 34% der Niederländer hatten Corona am 12.2.2022 lag die 7-Tage-Inzidenz in den Niederlanden bei 7200 Jetzt liegt sie etwas niedriger ~ 6000 34% der gesamten Bevölkerung hatte bereits Corona (PCR-Test). Der Anteil steigt natürlich rasant weiter an bei solch hohen Inzidenzien. (Quelle JHU) Bei diesen Zahlen müßte eigentlich laut Lauterbach die gesamte Gesellschaft zusammenbrechen, die Krankenhäuser abbrennen und die Strassen mit Millionen von Coronatoten verstopft sein... Die schaffen die Coronamassnahmen schrittweise ab? How dare you? Bevor jemand auf dumme Gedanken kommt: Die Impfquote ist generell etwas niedriger als in Deutschland…

Die im Kommentar genannte Sieben-Tage-Inzidenz in den Niederlanden ist nicht richtig. Sie lag in der Woche vom 8. bis 15. Februar laut Gesundheitsinstitut RIVM bei 2.762. In der Woche vom 1. bis 8. Februar lag die Sieben-Tage-Inzidenz noch bei 3.399. Die Zeichen deuten darauf, dass der Höhepunkt der Omikron-Welle in den Niederlanden damit überschritten ist.

Und richtig, 34 Prozent der Bevölkerung wurde seit Beginn der Pandemie positiv auf Covid-19 getestet. Diese Zahl ist für die Bewertung der aktuellen Lage allerdings nicht besonders bedeutend, insbesondere, weil mit Omikron auch Reinfektionen auftreten. 70,9 Prozent der niederländischen Bevölkerung ist grundimmunisiert und 50,5 Prozent haben zusätzlich eine Auffrischungsimpfung erhalten. Und richtig, die Impfquote in Deutschland liegt mit 75 Prozent Grundimmunisierten und 55,9 Prozent Geboosterten etwas höher, die Gesamtzahl der registrierten Infektionen mit 15,9 Prozent geringer.

Während das niederländische Gesundheitssystem mit der Delta-Welle im Oktober und November 2021 schwer zu kämpfen hatte und Patient:innen auch zur Behandlung nach Deutschland gebracht wurden, landen nun weit weniger Menschen im Krankenhaus und vor allem weniger auf den Intensivstationen, wie den Wochenberichten des RIVM zu entnehmen ist.

Weiter heißt es im Kommentar:

Existiert Dänemark noch? Dort hatten bereits rund 41% der gesamten Bevölkerung Corona... Aktuell sind 577.000 Dänen erkrankt (rund 10% der gesamten Bevölkerung!), davon liegen aber nur 31 auf Intensiv…

Tatsächlich, ein ähnliches Bild wie in den Niederlanden ergibt sich für Dänemark, wo die Siebe-Tage-Inzidenz noch höher war und ist – aktuell bei 5.160. Einen ersten Scheitelpunkt erreichte die Omikron-Welle dort am 30. Januar, doch nach einem kurzen Einbruch erreichte sie am 13. Februar ein zweites Mal einen Scheitelpunkt.

Ob dieser neuartige Anstieg darauf zurückzuführen ist, dass sich in Dänemark die noch ansteckendere Omikron-Variante BA.2 durchgesetzt hat, oder auf die Aufhebung aller Schutzmaßnahmen am 1. Februar sei dahingestellt.

Dänemark hat mit 81,5 Prozent zweifach Geimpften eine recht hohe Impfquote. 62,2 Prozent sind zusätzlich geboostert.

Entgegen verschiedenen Berichten auf Social Media häufen sich in Dänemark nach der Öffnung weder die Krankenhauseinweisungen noch die Todesfälle, wie das Statens Serum Institut klarstellt.

Holt Deutschland China bei den Elektroautos ein?

In der Energie- und Klimawochenschau nimmt Telepolis-Autor Wolfgang Pomrehn Bezug auf das Thema Elektroautos bzw. auf neueste Äußerungen von Verkehrsminister Volker Wissing. In einem Kommentar wird entgegnet:

"In China mögen die Neuzulassungen der Elektroautos explodieren, doch hierzulande wird der alte Verbrenner-Gaul geritten, bis er tot umfällt."

Ach ist das so?

Mal ein paar Zahlen von 2021 China Neuzulassungen eAutos 2,7 Millionen Deutschland 350.000

So dann schaun wir die gesamten Zahlen an. China 21.5 Millionen Autos in 2021, Deutschland 2.6 Millionen Und nun setzen wir das in Relation: Anteil eAuto China 12,5 % Anteil eAuto Deutschland 12,96 %.

Die angeführten Zahlen sind korrekt bezüglich der Neuzulassungen im Jahr 2021. Was fehlt, ist jedoch eine Einordnung der Zahlen bezüglich des Gesamtbestands.

Während in Deutschland Anfang 2021 48,2 Millionen Pkw zugelassen waren – also etwas mehr als einem Pkw auf zwei Einwohner:innen, waren in China im Jahr 2020 241 Millionen Pkw angemeldet – ein Pkw auf etwas weniger als 6 Einwohner:innen.

Der Anteil der batterieelektrischen Fahrzeuge am Gesamtbestand in Deutschland liegt bei 0,64 Prozent, hinzu kommen 0,58 Prozent Plug-in-Hybride.

In China waren 2020 über 5 Millionen E-Autos unterwegs, also ein Anteil von mehr als zwei Prozent des Gesamtbestands.

Allerdings ist China dabei, die Förderung in Form von Kaufprämien für Elektroautos schrittweise zurückzunehmen. 2021 wurden diese für öffentlich genutzte E-Fahrzeuge um zehn Prozent gekürzt, für privat genutzte um 20 Prozent.

Nach einem Bericht des Focus sollen die Kaufprämien in China bis Ende 2022 ganz auslaufen. Allerdings soll eine Quote für die Hersteller erhalten bleiben. Batterieelektrische Fahrzeuge, Plug-in-Hybride und Wasserstofffahrzeuge sollen insgesamt mindestens 20 Prozent aller produzierten Fahrzeuge ausmachen.

Wahrer Spitzenreiter in der Elektromobilität ist und bleibt Norwegen. Dort machten batterieelektrische Fahrzeuge im Jahr 2021 fast 16 Prozent des Gesamtbestands aus, hinzu kamen noch rund elf Prozent Hybridfahrzeuge. Bei den Neuzulassungen liegt die Elektroquote über 50 Prozent. Ab 2025 sollen in Norwegen keine Verbrenner mehr zugelassen werden.