Forencheck: Infektion als Booster, Zweifel an Wahlumfragen und Langzeitwetterbeobachtung

Seite 2: Check 2: Warum weichen Wahlergebnisse so weit von vorherigen Umfragen ab?

In mehreren Kommentaren zum Artikel Umfragen: Union trudelt auf unter 20 Prozent werden Zweifel an der Aussagekraft von Wahlumfragen geäußert. Teilweise wird dabei auch unterstellt, dass mit dem Umfrageergebnis das Verhalten der Wähler:innen am Wahltag beeinflusst werden soll.

Erst einmal zur Ungenauigkeit von Wahlumfragen: Bei der letzten Bundestagswahl im September 2017 zeigte sich die größte Abweichung bei der CDU. Während die Meinungsforschungsinstitute der Partei im Mittel 35,9 Prozent gaben, erhielt sie am Ende nur 32,9 Prozent, also drei Prozent weniger als prognostiziert.

Repräsentative Umfragen weisen immer einen statistischen Fehlerbereich auf. Bei der Bundeszentrale für politische Bildung (BPB) heißt es dazu:

Liefert z.B. eine Umfrage unter 1.250 Wahlberechtigten für eine Partei ein Ergebnis von 40%, dann beträgt der Fehlerbereich +/- 3 Prozentpunkte.

2017 lag die Abweichung bei der CDU damit etwas höher als im zu erwartenden Fehlerbereich.

Noch deutlichere Abweichungen traten unlängst bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt zutage, worauf dieser Kommentar aufmerksam macht:

CDU und AfD Kopf-an-Kopf" waren die übereinstimmenden Meldungen vermeintlich seriöser Medien, die sich dabei auf vermeintlich seriöse Meinungsforschungs-Institute beriefen.

Das Ergebnis sah dann fundamental anders aus: Die CDU erreichte etwas über 37 %, die AfD knapp 21 %.

User Goerlitzer

Das durchweg ein Kopf-an-Kopf-Rennen prognostiziert wurde, ist nicht richtig, wie ein Blick in die Vergleichstabelle von letzten Umfragen und Wahlergebnis zeigt. Lediglich die vom Boulevardblatt Bild beauftragten Umfragen des Instituts Insa zeigten CDU und AfD praktisch gleichauf, andere gaben der CDU einen deutlicheren Vorsprung, über 30 Prozent prognostizierte aber keines der Institute.

Unwägbarkeiten zeigen sich bei Wähler:innen, die nicht fest an eine Partei gebunden sind, wie die BPB erklärt:

Nur gut 30% der Befragten im Politbarometer sagen, dass für sie nur eine einzige Partei in Frage kommt, rund zwei Drittel können sich vorstellen, auch eine andere als die momentan präferierte Partei zu wählen. Auch kurz vor dem Wahltag können aufgrund dieser "Volatilität" noch größere Schwankungen auftreten, sei es, weil im Wahlkampf neue Themen an Relevanz gewinnen oder unerwartete Ereignisse auftreten, die die politische Lage beeinflussen. Zudem können Wähler ihre Stimme auch taktisch einsetzen, um die Regierungsmehrheit für zwei Parteien zu ermöglichen oder zu verhindern.

Bundeszentrale für Politische Bildung

Dies ist die wahrscheinlichste Erklärung für das Ergebnis in Sachsen-Anhalt, zumal die CDU am stärksten von den Stimmen vormaliger Nichtwähler:innen profitieren konnte.

Die Autoren der Seite Wahlrecht.de sehen hingegen keinen nachweisbaren Einfluss von Vorwahlumfragen auf das Wahlergebnis:

Ein Einfluss von veröffentlichten Umfragen auf die Wahlergebnisse lässt sich empirisch nicht belegen. Der manchmal unterstellte Einfluss auf die Wahlbeteiligung sei dabei eine Mobilisierung bei einem progostizierten knappen Wahlausgang bzw. Demobilisierung bei einem klaren Ausgang (Lethargie, Defätismus oder Bequemlichkeit). (…) Ein empirischer Nachweis steht allerdings noch aus (vgl. Frank Brettschneider in "Demoskopie im Wahlkampf, Leitstern oder Irrlicht").

wahlrecht.de