Forschungslücke Tropenkrankheiten
Initiative entwickelt patentfreies Malaria-Mittel
Später als ursprünglich angekündigt, aber pünktlich zum heutigen Weltmalaria-Tag, hat die Drug for Neglected Diseases Initiative (DNDi) ein von ihr mit entwickeltes, neues Malaria-Medikament auf den Markt gebracht. Das Kombinationspräparat ASMQ wird vom Pharma-Labor der brasilianischen Oswaldo-Cruz-Stiftung hergestellt und unterliegt keinem Patentschutz. Öffentliche Einrichtungen und Nichtregierungsorganisationen können das Medikament deshalb zum Herstellungspreis einkaufen. DNDi tritt damit in Konkurrenz zu Novartis, das sein – patentgeschütztes - Anti-Malaria-Präparat ebenfalls vergleichsweise kostengünstig abgibt. Die neue Konkurrenz hat den Pharma-Riesen sogar schon zu einer Preissenkung veranlasst.
Trägerinstitutionen und Unterstützer von DNDi fordern schon seit längerem, dass auch bei Medikamenten gegen andere Tropenkrankheiten die Forschungskosten in gleicher Weise vom Produktpreis abgekoppelt werden. Nur so könne erreicht werden, dass auch die arme Bevölkerung der Entwicklungsländer Zugang zu neu entwickelten Medikamenten erhält. Denn noch stürben jeden Tag 35 000 Menschen, weil sie sich die Kosten für existierende Medikamente nicht leisten können oder weil neue, effektive Medikamente nicht entwickelt werden.
Diese Unterversorgung der Entwicklungsländer mit wirksamen Medikamenten wird auch auf der Versammlung der Mitgliedsstaaten der Weltgesundheitsorganisation WHO, die Anfang Mai in Genf stattfindet, Thema sein: Dann wollen die Regierungen einen Aktionsplan verabschieden, dem zu Folge laut Berichten von Beobachtern die öffentlichen Anstrengungen in der Gesundheitsforschung ausgebaut und der gängige Patentschutz auf überlebenswichtige Medikamente abgebaut werden soll. Das Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum in Bern fasst den Stand der bisherigen Verhandlungen in bemerkenswerter Offenheit zusammen:
Aus Sicht des geistigen Eigentums geht es vor allem darum, die erkannte Lücke im Bereich der Forschung und Entwicklung von Medikamenten und Impfstoffen für vernachlässigte Krankheiten durch zum bestehenden Patentsystem komplementäre Anreize zu schliessen. Das Patentsystem kann seine Schlüsselrolle als Anreiz für Investitionen in die Erforschung und Entwicklung innovativer Medikamente am Besten unter Bedingungen erfüllen, wo der Markt – also Angebot und Nachfrage / ‚return on investment’ – spielt. Im Bereich der "neglected diseases" besteht aber oft kein "Markt", weil den Betroffenen die nötige Kaufkraft fehlt. Um in diesen Fällen die Entwicklung und das Zurverfügungstellen solcher Medikamente in Entwicklungsländern dennoch zu sichern, braucht es zusätzliche Anstrengungen der internationalen Gemeinschaft und der betroffenen Länder.
IGE
Mit ihren beiden Medikamenten-Entwicklungen ASMQ und ASAQ – letzteres Anti-Malaria-Mittel hatte bereits im März 2007 Marktreife erlangt – will die DNDi dazu beitragen, dass zumindest auf dem Gebiet der Malaria-Bekämpfung eine größere Auswahl von Präparaten zur Verfügung steht. Mittel gegen die Schlafkrankheit und verschiedene Fieber-Infektionen sollen folgen.
Inzwischen sind jedoch auch mehrere Generika-Hersteller - vom Schweizer Unternehmen Mepha über IPCA in Indien bis Guilin in China – auf den Zug gegen Malaria aufgesprungen und stellen ebenfalls die von der Weltgesundheitsorganisation empfohlenen Kombinationspräparate auf Artemisininbasis her. Bis zum Jahr 2005 allerdings war Novartis noch alleiniger Anbieter eines solchen Präparates, das zwei der empfohlenen Wirkstoffe in einer Pille vereinigt, weshalb die WHO 2001 sogar eine „Partnerschaft“ mit dem Pharma-Unternehmen einging. Novartis verpflichtete sich, das Medikament zum Selbstkostenpreis abzugeben, und die WHO nahm Kontakt mit den Regierungen auf, um diesen ganze Schiffsladungen anzubieten. Die Kampagne verlief so erfolgreich, dass Novartis Ende 2004 sogar in Lieferschwierigkeiten geriet: Wegen des knapp werdenden Grundstoffes Artemesinin könnten im kommenden Jahr nur die Hälfte der bestellten 60 Millionen Behandlungen ausgeliefert werden, berichteten Ärzte ohne Grenzen entsetzt.
Obwohl die Nachfrage durch die neuen Anbieter nun noch zugenommen haben dürfte, gehören die Lieferschwierigkeiten für Artemisinin inzwischen offenbar der Vergangenheit an: 2007 verkaufte der Pharma-Riese nach eigenen Angaben immerhin 66 Millionen „Behandlungseinheiten“. Der jährliche Bedarf an AC-Therapien wird von der WHO jedoch auf 220 Millionen geschätzt. Die sechs in der Drugs for Neglected-Diseases-Initiative vereinten Forschungsinstitute hoffen nun, dass die von DNDi entwickelten Medikamente ASMQ und ASAQ den Wettbewerb weiter anheizen und weitere Anbieter einsteigen. Dadurch würden nicht nur die Medikamentenpreise weiter sinken - derzeit liegen sie noch bei rund 50 Eurocent für die Behandlung eines Kindes -, sondern es darf erwartet werden, dass dann auch die Vertriebswege ausgebaut werden und zunehmend Gesundheitsstationen auch in ländlichen Gegenden mit ACT-Behandlungen erreicht werden.
Erst dann wird es möglich sein, dass die WHO dem Ziel ihrer Roll Back Malaria Initiative, die Zahl der Malaria-Toten bis 2015 drastisch zu reduzieren – derzeit sterben jedes Jahr rund eine Million Menschen, die Mehrzahl davon Kinder in afrikanischen Staaten –, tatsächlich näher kommt.