Frankreich: Die Konservativen zerlegen sich selbst
Der Kandidat von der traurigen Gestalt, Fillon, hält an Illusionen fest und der Ersatzkandidat Juppé verzichtet. Update: Die Partei stellt sich hinter Fillon
Plan A wurde vom Regen durchnässt und Plan B fehlt der Trumpf: Der Wahlkampf der französischen Konservativen steckt in der Misere. Die Quittung wurde dem - umstrittenen - Präsidentschaftskandidaten François Fillon mit aktuellen Umfrageergebnissen serviert: Nur 29 Prozent der Befragten sind dafür, dass Fillon, der für den Plan A steht, weiter Präsidentschaftskandidat bleibt, 71 Prozent haben sich dagegen ausgesprochen.
Selbst unter den Mitte-Rechts-Anhängern findet sich keine Mehrheit für Fillons Beharrlichkeit. Nur 44 Prozent sprachen sich für eine Fortsetzung seiner Kandidatur aus, die Mehrheit, 56 Prozent, waren dagegen. Einzig, und hier zeigt sich das Dilemma für die Partei, unter den Anhängern der französischen Republikaner gibt es eine Mehrheit für Fillons Durchhaltekurs: Unter ihnen gaben 55 Prozent Rückendeckung für den strahlenden Sieger der Vorwahlen chez les Républicains.
Fillon wittert ein Komplott
Außenstehenden kommt bei den Turbulenzen rund um die Kandidatur François Fillons die Frage des österreichischen Schriftsellers Thomas Bernhard in den Sinn: Ist es eine Komödie oder eine Tragödie? Dass sich die Kandidatur der Konservativen mehr und mehr zu einem Theaterstück entwickelt hat, wird kaum jemand bestreiten, fraglich ist der Ausgang. Ende November wurde Fillon als Mann gefeiert, der gegen Le Pen gewinnen kann.
Seither wurde immer wieder die beeindruckende Zahl von über 4 Millionen Stimmen genannt, die Fillon im Rücken hat. Das ist nicht ganz korrekt, weil es die Zahl aller abgegebenen Stimmen bei der ersten Runde der Vorwahlen war, aber da Fillon die erste Runde mit großem Vorsprung und ebenso die Stichwahl sehr deutlich gewann, schaute die Berichterstattung und die Politik da nicht so genau hin.
Mit der Affäre "Penelopegate" änderte sich der Blick auf den Kandidaten und seine Aussichten. Laut Enthüllungen des Magazins Canard Enchaîné erhielt hauptsächlich die Ehefrau Penelope, aber auch die Kinder des Ehepaars eine Menge Geld, insgesamt beinahe eine Million Euro, für "fiktive Tätigkeiten", die sie dem Posten ihres Mannes zu verdanken hatten.
Der Nachweis, ob Penelope Fillon tatsächlich als "parlamentarische Assistentin" für ihren Mann tätig war, steht noch aus. Ähnliches gilt für die erwachsenen Kinder Fillons. Die Vorwürfe, die der Canard Enchaîné präsentierte, mit Zeugenaussagen und Dokumenten, sind allerdings sehr belastend. Dazu kamen noch andere undurchsichtige Nebenverdienste mit seiner Firma. Eine Ermittlung wurde eingeleitet.
Auf die Inhalte der Vorwürfe ging Fillon nicht ein, der Wahlkämpfer interpretierte dies schnell als Komplott gegen ihn (vgl. Wird die Wahl manipuliert?) und entgegnete dem wachsenden Druck mit der Äußerung, dass er nur dann von seiner Kandidatur Abstand nehmen werde, wenn strafrechtlich gegen ihn ermittelt werde. Dies nahm er allerdings zurück, als sich die Schlinge noch enger um ihn zog und die ersten Rufe nach einem Plan B, also einer "Ersatzkandidatur", laut wurden.
Putschversuche bei den Republikanern
Fillon konnte bis dato auf sein Image als "Monsieur Makellos" bauen, auf einen Konservativismus katholischer Prägung, der Landbewohnern nahe steht, der France profonde und deren Werte vertritt, mit diesem Nimbus galt er als ernstzunehmende rechts-konservative Konkurrenz zu Le Pen. Damit konnte er sich auch die Rivalen aus der eigenen Partei vom Leib halten.
Doch hielt sich die Affäre hartnäckig, weil weitere Enthüllungen folgten und wohl auch weil sie in so schroffem Gegensatz zu seinem Image steht. Wahlveranstaltungen wurden abgesagt, in Umfragen büßte Fillon weiter an Unterstützung ein, vergangene Woche demissionierte auch sein Wahlkampfmanager und ein anderer hochrangiger Mitarbeiter.
Bei den Republikanern schrillten die Alarmglocken, der frühere Bürgermeister von Nizza, Christian Estrosi, ein bekannter Vertreter des rechten Flügels, gab zusammen mit Mitstreitern das Signal, dass auch ein Putsch möglich sei, falls Fillon weiter stur an seiner Kandidatur festhalte, obwohl seine Chancen sinken und die Partei darunter leide. Auch Sarkozy, früher Chef der Republikaner, fühlte sich angesichts der Spaltungstendenzen aufgerufen, im Hintergrund zu vermitteln.
"Eine Mission, die größer ist als die Partei"
Fillon ging auf Konfrontation mit Gegenspielern in der Partei. Nicht unähnlich dem neuen amerikanischen Präsidenten führte er seine Unterstützung im Volk gegen seine Rivalen und die Anklagen gegen seine "Tadellosigkeit" ins Feld. Er, Fillon, habe Frankreich und seine Werte im Blick, also das Ganze, das größer sei als die Partei, und dafür habe er eine Menge Menschen im Rücken. Um dies allen seinen Gegnern vor Augen zu führen, rief Fillon seine Unterstützer am gestrigen Sonntag zu einer Demonstration auf dem Pariser Platz Trocadero zusammen.
Wie viele sich tatsächlich gestern Nachmittag bei regnerischem Wetter dort versammelten, ist wie so oft objektiv nicht genau festzustellen. Ein besonders ergebener Fillon-Anhänger spricht von 300.000 Teilnehmern, Fillons Lager von 200.000, andere von deutlich weniger. Feststeht: Es hätten deutlich mehr sein müssen und die Menge enthusiastischer, um einen Eindruck zu machen, der alle Zweifel an Fillons Kandidatur beiseite wischen würde.
Der Mann für Plan B verzichtet
Indessen hatten die Gegenspieler in seiner Partei, zu denen wohl auch Sarkozy trotz seines Oszillierens irgendwie gehört, den Kandidaten von Plan B, Alain Juppé mobilisiert. Der Zweitplatzierte bei den Vorwahlen sollte den Stab übernehmen.
Juppé erklärte jedoch heute Morgen, dass er auf eine Kandidatur verzichte. Es sei zu spät dafür. Gegenwärtig könne er sich nicht sicher sein, ob er innerhlab der Partei die notwendige Mehrheit beschaffen könne, in der Partei sei es schwierig, den Zusammenhalt wiederherzustellen. Dazu gab er noch scharfe und kritische Bemerkungen in Richtung Fillon ab, dessen Sturheit in ihn eine Sackgasse gebracht habe. "Was für eine Verschwendung."
Nun bleibt die Situation für die französischen Republikaner wie vor dem Rettungsversuch mit Juppé, was den Präsidentschaftskandidaten betrifft, unverändert, zugleich ist sie noch miserabler geworden. Marine Le Pen kümmert sich öffentlich nicht groß über die Eigentore bei den Konservativen. Der Gegner, den sie im Visier hat, ist Macron. Dieser bekommt mittlerweile auch von linken Ökonomen Anerkennung (siehe Macron auf dem Marsch und die Richtung ist gar nicht schlecht).
Update:
Nach dem Verzicht Juppés hat die Parteispitze der Republikaner gestern beschlossen, die Uneinigkeiten hinter sich zu lassen und sich gemeinsam hinter den Kandidaten Fillon zu stellen. "Die Debatte ist beendet", verkündete Gérard Larcher, Präsident des politischen Komitées der Partei. Mit Juppés Entscheidung hab sich der Plan B erledigt. Es sei nun notwendig gewesen, das Psychodrama zu beenden.
Doch selbst das Lager um Sarkozy, dem Chef der Partei, der viele Fäden zieht, bleibe gespalten, berichtet Libération.