Frankreich: Dschihadistinnen sollen bleiben, wo sie sind

Angeblich Émilie König bei einer Schießübung. Ausschnitt aus einem IS-Propagandavideo

In Nordsyrien festgenommene IS-Fanatikerinnen mit französischer Staatsbürgerschaft bereuen und wollen zurück. Der Regierungssprecher geht auf Abstand

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Die französische Regierung ist nicht besonders begierig darauf, dem Wunsch von Dschihadisten französischer Nationalität zu entsprechen, die nach dem Zusammenbruch des IS-Kalifats und ihrer Gefangennahme in Syrien nun nach Frankreich zurück wollen - in ein Land, dem sie vor einiger Zeit noch möglichst viele tödliche Terroranschläge von ihresgleichen "Gotteskriegern" wünschten.

Die Haltung der Regierung in Paris ist mühelos nachzuvollziehen. Aber die Sache ist nicht ganz einfach, wie sich im Fall von IS-Dschihadisten mit französischer Staatsbürgerschaft zeigt, die von kurdischen YPG-Milizen gefangen genommen wurden und nun über ihre Anwälte auf Rückkehr hoffen.

Auf der Terrorliste

Gegenwärtig befinden sich nach Informationen der Zeitung Libération, die sich auf Quellen auf "allerhöchster Staatsebene" beruft, etwa 30 französische Dschihadisten im irakisch-syrischem Gebiet inhaftiert. Die Hälfte davon sind Frauen, oft in Begleitung von Kindern. Meist sind sie in Syrien, wo sie Gefangene der kurdischen Milizen der SDF sind.

Einige dieser Frauen haben über ihre Anwälte den Wunsch geäußert, dass sie mit ihren Kindern nach Frankreich zurückkehren wollen, darunter befindet sich auch Emilie König, die zuvor zwar wenig bekannt war, nun aber in den Medien als meistgesuchte französische Dschihadistin, die auch auf der US-Terrorliste aufgeführt ist, präsentiert wird.

Die Bretonin, eine Konvertitin, reiste bereits 2012 nach Syrien, um sich dem IS anzuschließen, war aber bereits zuvor als Radikale aufgefallen und tauchte danach in Videos auf, wo sie das Leben im Kalifat rühmte und ihre Landsleute aufforderte, sich ebenfalls dem IS anzuschließen und gegen Frankreich zu kämpfen. König gilt als große Rekrutiererin für den IS. Angesichts der vielen Opfer von Terroranschlägen des IS in Frankreich hat das im Nachbarland noch mal ein ganz besonderes Gewicht.

"Reue"

Vergangene Woche wurde bekannt, dass sie am 2. Dezember von kurdischen Milizen gefangen genommen wurde und nun über ihren Anwalt darauf drängt, nach Frankreich zurückzukommen. Sie hat in Syrien drei Kinder mit einem IS-Mann, der angeblich tot ist. Zwei andere Kinder hatte sie vor ihrer Abreise nach Syrien in Frankreich gelassen in der Obhut ihrer Mutter.

Nach deren Darstellung bereut Emilie König nun (und leidet darüber hinaus unter den Haftbedingungen). Laut französischen Medien haben noch weitere Frauen ihre Anwälte mit dem gleichen Rückkehrwunsch betraut.

In einem TV-Interview am Mittwoch ging der französische Regierungssprecher Benjamin Griveaux (hier, ab Minute 12:07) auf die Situation ein. Dabei relativierte er das Ausmaß der "Reue" und den Willen der französischen Regierung, dem Rückkehrwunsch zu entsprechen.

Die Frau habe sich nicht freiwillig gestellt, sondern sei in einem Kampfgeschehen gefangengenommen worden, stellte Griveaux klar und er betonte, dass die Dschihadisten auch an Ort und Stelle vor Gericht kommen und verurteilt werden können.

Keinerlei Interesse aus Paris

Sie müssten nicht in Frankreich vor Gericht - wenn rechtsstaatliche Grundsätze gewahrt seien, wenn ihnen Verteidiger zu Seite gestellt werden und der Prozess gerecht vonstatten gehe. Im Klartext bedeutet dies, dass die Regierung in Paris keinerlei Interesse daran hat, dass die Frauen wieder französischen Boden betreten. Aber was ist mit den Kindern, wie steht es mit dem Recht auf Heimkehr von französischen Staatsbürgern und wie um die Gültigkeit der Rechtsprechung von Kurden, die keinen eigenen Staat haben?

Im Fall von französischen Extremisten, die im Irak gefangen genommen werden, sei die Sache einfach, klärt Le Monde auf. Es gelte die irakische Rechtsprechung. Außer bei einem Todesurteil sehe die französische Regierung keinen Anlass, sich dort einzumischen.

Auf syrischem Boden sei die Angelegenheit sehr viel schwieriger, weil Frankreich keine diplomatischen Beziehungen mehr mit der Regierung Baschar al-Assad hat. Französische Dschihadisten seien bislang aber auch nur von kurdischen Milizen gemacht worden, was rechtlich gesehen der komplizierteste Fall sei, da die Kurden keinen eigenen Staat in Syrien und damit auch keine eigene Rechtsprechung haben. Juristisch sei das nicht möglich, zitiert Le Monde einen Regierungsbeamten, der mit der Sache befasst ist.

"Lieber sollen sie von einer Kugel getroffen werden"

Laut Medienberichten äußerte sich der Vertreter der nordsyrischen Föderation in Paris, Khaled Issa, auch nicht besonders erpicht darauf, dass die französischen Gefangenen in den syrischen Kurdengebieten vor Gericht kommen. Dagegen, so berichtet Libération, herrsche in der französischen Regierung die Ansicht vor, dass die Extremisten besser von einer Kugel getroffen werden oder in den Kellern irgendwo in der Region dahinvegetieren, als sie zurückzunehmen.

Von Macron gibt es die Anweisung, dass von "Fall zu Fall" entschieden werde. Wie das in den genannten Fällen aussieht, ist nach Medienberichten noch völlig offen. Dort rätselt man darüber, ob die Aussage des Regierungssprechers eine Unvorsichtigkeit war oder ob sie die Unentschiedenheit der Regierung bloßlegt.

Erpressbarkeit?

Manche fragen sich auch, ob nicht die Geheimdienst Interesse an den Rückkehrern haben und der Dschidad-Experte unter den französischen Journalisten Wassim Nasr hält die Einstellung der französischen Regierung für einen großen Fehler - nicht so sehr aus humanitären Gründen, sondern weil sich die Regierung damit der Möglichkeit der Erpressung aussetzt.

Sollten die französischen Staatsbürger in andere Hände fallen, so sei dies politisches Kapital. Das Interesse Frankreichs müsse darin liegen, das Schicksal dieser Gefangenen selbst in der Hand zu haben.