Frankreich: Kein Gesundheitspass, kein Gehalt
Ab kommenden Montag treten verschärfte Regelungen für Angestellte in der Gastronomie und anderen Bereichen des öffentlichen Lebens in Kraft
Der Druck auf die Nicht-Geimpften in Frankreich wird erhöht. Ab kommenden Montag, den 30. August, steigt ihr Aufwand, wenn sei weiterhin ihr Gehalt bekommen wollen. Laut dem Anfang dieses Monats in Kraft getretenen Gesetzes zur Bewältigung der Corona-Krise müssen Personen in Berufen, die mit der Öffentlichkeit in Kontakt sind, einen Gesundheitspass (pass sanitaire) vorweisen, ansonsten können sie vom Arbeitgeber suspendiert werden. Auch das Gehalt wird ausgesetzt.
Wenn Ihr Arbeitsplatz ab dem 30. August 2021 von der Pflicht zur Vorlage eines Gesundheitspasses betroffen ist, Sie nicht im Besitz eines solchen Dokuments sind und Sie sich nicht im Einvernehmen mit Ihrem Arbeitgeber für einen Urlaub entscheiden, wird Ihr Arbeitgeber Sie in irgendeiner Form über die Aussetzung Ihrer Pflichten oder Ihres Arbeitsvertrags informieren. Sie werden nicht mehr bezahlt. Diese Aussetzung endet, sobald Sie eines dieser drei Dokumente vorlegen.
service-public.fr
Für den Gesundheitspass, der entweder auf einem Smartphone ausgewiesen wird oder in Papierform, wird vorausgesetzt: der Nachweis einer Zweifach-Corona-Impfung, der Nachweis eines negativen Tests, der nicht älter als 72 Stunden sein darf, oder der medizinische Nachweis der Genesung von einer Covid-19-Erkrankung, seit der mindestens elf Tage und höchstens sechs Monate vergangen sind.
Die Dauer des zugrundeliegenden Gesetzes ist bis zum 15. November anberaumt; aus den bisherigen Erfahrungen der Corona-Krise zu schließen, ist, je nach Infektionsgeschehen und der Krankenhausbelegung, mit einer Verlängerung zu rechnen.
Auf der Webseite der französischen Verwaltung - service-public.fr - wird eine längere Liste der Tätigkeitsfelder präsentiert, die unter diese Regelungen fallen: die Gastronomie, Cafés, Bars, Restaurants, Clubs, Diskotheken, kulturelle, sportliche, touristische oder Freizeit-Veranstaltungen, Kinos, Casinos, Museen, Zoos, Seminare etc., Züge und Flugzeuge sowie Kaufhäuser und große Einkaufszentren mit mehr als 20.000 m2, wobei hier die zuständigen Präfekten eine Liste anfertigen, wie die Verwaltung wissen lässt.
Allerdings zeigte sich gerade beim letzten Punkt, beim Zugang zu großen Einkaufszentren, die letzten Tage, dass die Vorgaben juristisch nicht wasserdicht sind: Der Klage von Anwälten, deren Anlass der beschränkte Zutritt zum Einkaufszentrum Parly 2 in Yvelines war, wurde Recht gegeben. Seither wird die Verpflichtung zur Vorlage eines Gesundheitspasses in Einkaufszentren mit mehr als 20.000 Quadratmetern nicht nur im Departement Yvelines in Frage gestellt.
Das Verwaltungsgericht von Versailles hat die Präfekturverordnung, die die Vorlage eines Gesundheitspasses am Eingang der vierzehn größten Einkaufszentren des Departements vorschreibt, ausgesetzt. Der Grund dafür ist, dass sie keine Vorkehrungen für Menschen trifft, die keinen Gesundheitspass haben und die sich mit dem Nötigsten versorgen müssen.
Le Parisien
Unsicheres Gelände findet man auch an anderen Stellen der repressiven Regelungen. Ein aktueller Bericht des Mediums Mediapart hat in Jobcentern nachgefragt:
Kann die Ablehnung eines Stellenangebots wegen eines fehlenden Gesundheitspasses ein Grund für eine Sanktion (i. O. "radiation", Aussetzung des Arbeitslosengeldes, Anm. d. Verf.) sein? Derzeit führt die Ablehnung von zwei "angemessenen Arbeitsangeboten" (die dem Projekt des Arbeitsuchenden entsprechen) zu einem Verlust des Arbeitslosengeldes für einen Monat.
Wird ein Arbeitsloser, der aus dem oben genannten Grund keine "aktive Suche" nachweisen kann, mit einer Sanktion belegt? Mediapart hat diese Fragen seit Mitte Juli an das Arbeitsministerium und den Pôle emploi gestellt. Keine Antwort.
Übrigens bekommt auch ein Angestellter, der wegen eines fehlenden Gesundheitspasses von der Arbeit suspendiert wurde, kein Arbeitslosengeld, da der Arbeitsvertrag in Kraft bleibt.
Der Bericht von Cécile Hautefeuille bringt noch ein paar heikle Stellen der Gesetzesvorgabe ans Tageslicht. Zum Beispiel, ob es Arbeitgebern ab Montag erlaubt ist, Bewerbern für einen Job, einen Arbeitsplatz, ein Praktikum, die Frage zu stellen, ob sie doppelt geimpft sind? Das geht Anwälten, die auf den Schutz der Privatsphäre pochen, zu weit.
In Deutschland verbietet sich der stellvertretende Ministerpräsident von Bayern, Hubert Aiwanger Nachfragen zu seiner Einstellung zum Impfen. Wie wird es mit der Einstellung der deutschen Regierung im Herbst zum Gesundheitspass à la francaise bestellt sein?