Frankreich: Macron, Lichtgestalt und Retter ohne Programm

Seite 2: Modernisierung auf möglichst kapitalkompatible Weise

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Seine ersten Schritte in der etablierten Politik unternahm Macron, damals noch als Geschäftsbanker, allerdings im Jahr 2008. Pläne für eine Kandidatur zu den Kommunalwahlen im Frühjahr jenes Jahres hatte er aufgegeben. Doch der damals erst 30jährige wurde im selben Jahr von Jacques Attali entdeckt, einem mondänen Vordenker der französischen Eliten und ehemaligen Berater von Präsident François Mitterrand, der unter seinem Nachfolger Nicolas Sarkozy mit der Leitung einer "Zukunftskommission" beauftragt worden war.

Der junge Emmanuel Macron wurde zu ihrem "Berichterstatter" eingesetzt. Die Kommission unterbreitete 316 Vorschläge dafür, wie Frankreich auf möglichst kapitalkompatible Weise "zukunftsfähig" gestaltet, sprich: durch eine ordentliche Portion Reformterror durchmodernisiert werden solle.

So sollte etwa das geltende Umweltrecht als Wachstumshindernis entsorgt (allerdings auch neue "Ökostädte" aus dem Boden gestampft), das Bildungswesen sollte umgekrempelt und die "Kosten der Arbeit" sollten drastisch gesenkt werden.

Dies alles kam dem konservativ-wirtschaftsliberalen Nicolas Sarkozy sehr zupass, und der von 2007 bis 2012 amtierende Präsident zeigte sich bemüht, zumindest eine Reihe der Vorschläge aus der Kommission umzusetzen. Doch auch dessen sozialdemokratischer Nachfolger François Hollande trat in die Fußstapfen eben dieser Politik.

Kapitalverbände sollten beruhigt werden

Macrons Ernennung zum Wirtschaftsminister im Hochsommer 2014 erfolgte just, um die Kapitalverbände über die Absichten der sozialdemokratischen Regierung zu beruhigen. Sie erfolgte zur selben Zeit, als der damalige Premierminister Manuel Valls - inhaltlich in Sachen Wirtschaftspolitik auf einer Wellenlänge mit Macron, jedoch auch sein großer persönlich-politischer Rivale - auf einer Tagung des Unternehmerverbands MEDEF seine Liebeserklärung an das Kapital verkündete: "J’aime l’entreprise."

Ein Wiedergänger von Nicolas Sarkozy als Präsidentschaftskandidat, den einige in Macron sehen, ist er aber nicht wirklich, weil - jenseits der sozialdemokratisch klingenden Wahlkampfreden aus dem Jahr 2012 - Hollande im Kern dieselbe Politik fortsetzte. Und dies mit Macron an seiner Seite. Dies gilt jedenfalls für die Themen der Sozial- und Wirtschaftspolitik.

Auf anderen Politikfeldern hingegen setzt Macron sich doch deutlich von den Vorgaben Nicolas Sarkozys ab, der in seiner Zeit als Wahlkämpfer und als Präsident etliche symbolpolitische Gesten an die Wählerschaft der extremen Rechten richtete - wie die Einrichtung eines "Ministeriums für Einwanderung und nationale Identität", aber auch an religiös-konservative Kreise.

Die Idee einer "glücklichen Globalisierung"

Emmanuel Macron ist dagegen der Mann, der in allererste Linie für die Idee einer "glücklichen Globalisierung" steht, die angeblich ohne größere soziale Widersprüche auskommt - was man in Zeiten des Neoliberalismus für ein lustiges Gerücht halten darf -, aber auch für Toleranz- und Weltoffenheitsversprechen steht.

Macron dürften in erster Linie diejenigen wählen, vor allem in den jüngeren und mittleren Generationen, die das Interesse und/oder die Mittel dazu haben, zu reisen, dank Erasmus-Programmen im europäischen Ausland zu studieren oder multikulturell-kulinarisch zu speisen. Er findet selbstverständlich Anklang bei "exportorientierten" Unternehmern, leitenden Angestellten und sonstigen so genannten Leistungsträgern. Dass er seine letzte Rede vor dem Osterwochende vor Start Up-Gründern hielt, ist insofern kein Zufall.