Frankreich: Neue Maßnahmen zum Schutz vor Magersucht
Wer Models mit bedenklichem BMI beschäftigt, riskiert zukünftig eine Gefängnisstrafe
Kritische Appelle gegen Magersucht im Model-Business gibt es genügend. Auch eine wissenschaftliche Untersuchung, die sich 2015 mit Heidi Klums Casting- Show "Germany Next Topmodel" (GNTM) befasst hat, kam zum Ergebnis, dass die Sendung Essstörungen verstärken kann.
Die Leiterin der Studie, Maya Götz, stellte zu GNTM fest, dass die Sendereihe ein "Schönheitsideal setze, dass für Mädchen zum Maßstab werde, "den sie anzustreben versuchen, aber nie erreichen werden". Dieser Zusammenhang taucht auch in der Debatte zu einem Gesetz auf, das jetzt in Frankreich in Kraft tritt. Es begnügt sich nicht mit der bloßen Kritik an Magersuchtanreizen, sondern setzt Strafen aus.
Photoshopping muss gekennzeichnet werden
Ab heute steht ein Dekret zur Konturen-Manipulation von Modells auf Fotos (sogenanntes "Photoshopping") und ein Erlass, der ein ärztliches BMI-Gutachten von Models im Falle einer Beschäftigung verlangt, im offiziellen Gesetzesblatt der französischen Republik.
Demnach müssen künftig "kommerzielle Fotos" von Models, deren Silhouette fototechnisch manipuliert wurde, mit einem Hinweis gekennzeichnet werden, dass sie retuschiert wurden: "Photographie retouchée". Für Zuwiderhandlungen steht eine Strafe von 37.500 € aus.
Ärztliches Attest über Body-Mass-Index
Sollte ein Auftrag- oder Arbeitgeber ein Modell beschäftigen, das kein ärztliches Attest vorlegen kann, in dem der Body-Mass-Index (BMI) als unbedenklich ausgewiesen wird, so hat er laut der Neuerung im Gesundheitsgesetz eine Gefängnisstrafe von 6 Monaten und eine Geldstrafe von 75.000 € zu befürchten.
Der Weg zum Inkrafttreten der beiden gesetzlichen Maßnahmen, mit denen Frankreich eine Vorreiterrolle spielen dürfte, war lang, die Widerstände groß. Es ist nicht weniger als eine kleine Revolution, bemerkt die katholische Zeitung La Croix. Das Parlament sträubte sich lange.
Im März 2015 argumentierte die Kommission für Soziales in der Nationalversammlung gegen die neuen Zusätze im Gesundheitsgesetz mit der Begründung, dass damit eine Diskriminierung bei der Einstellung von Arbeitnehmern eingeführt werde. Die Gegenstimmen zu den neuen Regelungen kamen von linken wie rechten Abgeordneten.
Hunger und Schwäche und ein unerreichbares Ideal
Le Monde wie La Croix berichten beide von einem Fall eines Models, der anscheinend großen emotionalen Eindruck bei den Parlamentariern machte und eine Entscheidung für die neuen Regelungen mit herbeiführte.
Das Model, das auch mit einem Buch über seine Erfahrungen bekannt wurde, berichtet von einer berühmten französischen Modelagentur, wo man ihm, obwohl schon abgemagert, Beifall für eine weitere Gewichtsabnahme gespendet habe. Bei einer Größe von 1 Meter 80 habe sie schließlich nur mehr etwa 45 Kilogramm gewogen.
Eine Woche zuvor, so die junge Frau, sei sie wegen Hunger und Kraftlosigkeit auf der Straße zusammengebrochen. Die Agenturen, so ihre Erfahrung, würden die Models beständig dazu ermutigen, noch dünner zu werden.
Das französische Gesundheitsministerium möchte dem nun mit besagten Regelungen einen Riegel vorschieben, weil mit "normativen und nicht realistischen Fotos ein schlechtes Selbstwertgefühl erzeugt wird", das schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit haben kann. Es handele sich darum, gegen die Propagierung eines "unerreichbaren Schönheitsideals" in der Gesellschaft vorzugehen und namentlich die Berufsgruppe der Mannequins, die diesem Risiko besonders ausgesetzt sind, zu schützen.
Ob die Regelungen in der Modewelt für ein grundsätzliches Umdenken sorgen, wird von Kennern, die Le Monde zitiert, bezweifelt. Möglicherweise würden große Agenturen sich bemühen, aber generell sei die Prophezeiung die, dass die jungen Frauen "sehr schlank" bleiben werden.
Im Übrigen ist der Hinweis, dass ein Foto mit einem "sehr schlanken" Modell per Photoshop oder anderer Technik retuschiert wurde, nur für Werbefotos ("kommerziell") verpflichtend, nicht für redaktionelle Fotostrecken, wie man sie in der Vogue, Elle oder anderswo findet.