Frankreich: Neues Gesetz gegen Fake News

"Macron vergisst nie": Adressaten neuer Sanktionsmöglichkeiten sind russische Sender. Richter sollen künftig schnell Webseiten sperren können

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Das Gesetz gegen Fake News sei so gut wie fertig und werde in den nächsten Tagen vorgestellt, berichten französische Medien. Ausgearbeitet wurde das Gesetz unter Aufsicht der Kulturministerin Françoise Nyssen schon seit September letzten Jahres; angekündigt und seither mit einiger Spannung erwartet wurde es nach der Ankündigung des Staatspräsidenten Anfang Januar ( Macron bläst zum Angriff gegen Fake-News im Wahlkampf).

Die Spannung rührt daher, dass sich Macron - wie gewohnt - sehr entschlossen zeigte, "das demokratische Leben vor falschen Neuigkeiten zu schützen". Der Entschlossenheit stand auf der anderen Seite entgegen, dass aller Welt klar war, dass der Kampf gegen die "fausses nouvelles", aka Fake News, mit größeren Schwierigkeiten zu tun haben würde, die aus internationalen Debatten bekannt waren, nämlich mit den genauen Abgrenzungen. Zum Beispiel: Wo fängt die "fake news" an, wo gehört sie noch zur Meinungsfreiheit, wann kann man eine Störung der öffentlichen Ordnung feststellen?

Schlechte Erfahrungen mit RT und Sputnik

Klar war ein Motiv: "Macron vergisst nicht". Bei seinem Wahlkampf gegen Le Pen wurde gegen Macron mehrere Stories ("Narrative") entwickelt und aufgetragen, die seinen Ruf beschädigen sollten. Sie liefen in der Grobzeichnung darauf hinaus, dass der Kandidat ein "Strohmann des Kapitals" sei, der seine Steuern am Fiskus vorbeischmuggelt und der in Wirklichkeit trotz Heirat "homosexuell" ist. Dass mit der Verbreitung und einer gewissen Aufschärfung solcher Erzählungen intrigenmäßig Gift gestreut wird, muss nicht weiter beschrieben werden.

Ein wichtiger Punkt ist, dass sich Macron insbesondere über die Rolle der russischen Sender RT und Sputnik bei der Verbreitung ärgerte, woraus er auch bei einem Treffen mit Putin nach seiner Wahl kein Hehl machte. Aber die Dingel lagen eben nicht so eindeutig, dass RT oder Sputnik ganz klar Fake News nachgewiesen werden konnten, zu dem arbeitete Macrons Team bei den Recherchen auch nicht sauber. Es blieben Fragen, mit denen auch das neue Gesetz zu tun haben wird.

… welche Kritik akzeptabel ist, ob man Kritik aussperren darf, wann die Grenze zwischen Kritik und Denunziation überschritten wird, welche Methoden erlaubt sind und wer die Grenzen festsetzt, wer die Deutungshoheit hat? Auch Macron muss sich fragen lassen, welche Methoden erlaubt sind.

Präsident Macron legt sich mit Sputnik und RT an

Die Störung des öffentlichen Friedens

Schon im ersten Echo auf die Macronsche Ankündigung wurde von Juristen darauf verwiesen, dass das Lancieren falscher Neuigkeiten auf der Basis eines Gesetz, das bis 1881 zurückreicht, bestraft werden kann: mit 45.000 Euro - falls der "öffentliche Friede gestört wird" ("troubler la paix publique", siehe Article 27 des Loi du 29 juillet 1881 sur la liberté de la presse).

Das sei so gut wie nie angewendet worden, wird ein Fachjurist zitiert, weil die Störung des öffentlichen Friedens (im Original "le trouble à la paix publique") sehr schwierig nachzuweisen sei. Das Gesetz, das Macron in Auftrag gegeben hat, nimmt hier allerdings eine bemerkenswerte Eingrenzung des Zeitraumes vor. Es soll besonders im Wahlkampf zur Anwendung kommen, wird die Kulturministerin zitiert.

Konkret: In einem Zeitraum, der mit höchstens 5 Wochen vor der Wahl abgesteckt wird, ist es etwa der Aufsichtsbehörde über TV-Sender, dem Conseil supérieur de l’audiovisuel, möglich, gegebenenfalls Vereinbarungen mit ausländischen Sendern aufzuheben. Damit würde deren Arbeitsgrundlage in Frankreich wegfallen. Ihre Sendeerlaubnis würde für einen bestimmten Zeitraum suspendiert.

Auch wenn die Namen im Gesetz nicht genannt werden, ist aus oben genannten Gründen klar, dass die russischen Sender RT und Sputnik, Adressaten dieser Maßnahme sind. Die "Störung der öffentlichen Ordnung" wird eingeengt auf einen "Einfluss auf den Wahlkampf", der über das Erlaubte hinausgeht. Offensichtlich ist, dass der Nachweis, wann der "Einfluss auf den Wahlkampf" zu einer unerlaubten Manipulation wird, nicht unbedingt leicht zu führen ist.

Gesetz zur "Vertrauenswürdigkeit und Verlässlichkeit der Information"

Auch die anderen Maßnahmen, die das neue Gesetz laut französischen Medien vorsieht, dürften mit zum Teil wahrscheinlich langwierigen Debatten verbunden sein. Der neue Name des Gesetzes, das nun nicht mehr "Gesetz gegen falsche Nachrichten", sondern Gesetz zur "Vertrauenswürdigkeit und Verlässlichkeit der Information" (loi sur la confiance et la fiabilité de l’information) heißen soll, gibt Aufschluss darüber, dass Fake News eine schwierige Kategorie ist - und dass die Regierung Macron auf Umfragen achtet.

Im Wesentlichen konzentriere sich das Gesetz auf die neuen Verbreitungswege von Falsch-Informationen, wird die Kulturministerin zitiert. Damit kommen Facebook, YouTube, Twitter und Google ins Spiel. Inwieweit diese mit der französischen Regierung beim Vorgehen gegen Fake News zusammenarbeiten, muss sich noch herausstellen. Die Regierung zeigt sich laut Medienberichten zuversichtlich, weil man hier an bereits bestehende Kooperationserfahrungen etwa bei der Kinderpornographie anknüpfen könne.

Bislang ist, was etwa YouTube angeht, aber vor allem die Rede davon, dass dort mehr Transparenz gezeigt werden müsse. Dass Geldgeber ("ausländische Regierungen") von bestimmten "verdächtigen" Veröffentlichungen auf Facebookseiten und auf YouTube offengelegt und klar und deutlich beim Webauftritt angezeigt werden sollen. Wie das praktiziert werden und wie das konkret aussehen soll, wird nur vage angedeutet ("auf der Empfangsseite von YouTube").

Kein Gesetz wie in Deutschland

Klar ist dagegen aus manchen Berichten herauszulesen: In Frankreich will man kein Gesetz, wie es in Deutschland im Zusammenhang mit Fake News erarbeitet wurde ("Netzwerkdurchsetzungsgesetz" - NetzDG). Einige Debatten und Schwierigkeiten will man sich doch ersparen, ohne allerdings wirklich daran vorbei zu kommen.

So ist die Möglichkeit vorgesehen, dass Richter mit einer einstweiligen Verfügung Webseiten sperren können. Das soll eine möglichst schnelle Reaktion auf Fake News ermöglichen. Wer das Gericht anrufen kann, um eine solche einstweilige Verfügung oder Anordnung zu erwirken, geht aus den Berichten zum neuen Gesetz nicht deutlich hervor.

Allein das ist ein weiteres Politikum, das sich zum anderen gesellt, zur Frage, ob überhaupt eine Fake News vorliegt ob diese oder jene Richterin oder dieser oder jener Richter das überhaupt entscheiden kann, ob sie oder er politisch befangen sind, usf..

Man habe anhand des Studiums des Vorlaufs zum Brexit, zu den US-amerikanischen Wahlen und im Zusammenhang mit den katalanischen Unabhängigkeitsbestrebungen bestätigt gesehen, dass Fake News eine große Rolle spielten, sogar "massiv und bestimmend", wird aus der Regierung zitiert. Konkrete Beispiele werden noch nicht genannt. Es zeigt sich erstmal nur der Wille, dagegen vorzugehen.