Frankreich verbietet Graue Wölfe
Der Konflikt zwischen Paris und Ankara verschärft sich - und die Vereinigten Arabischen Emirate zeigen Verständnis für Macron
Gestern gab der französische Innenminister Gerald Darmanin bekannt, dass die Bozkurtçular, die "Grauen Wölfe", auf eine Anweisung des französischen Staatspräsident Emmanuel Macron hin verboten wurden. Als Begründung des Verbots führte er "Diskriminierung" und eine "Verwicklung in Gewaltakte" an. In der Ortschaft Décines-Charpieu war zuvor eine Erinnerungsstätte an den Massenmord an Armeniern im Ersten Weltkrieg mit den Initialen des türkischen Staatspräsidenten und dem Namen der Organisation beschmiert worden - und in Lyon waren nationalistische Türken durch die Straßen gezogen und hatten gerufen: "Armenier, wo versteckt ihr euch?"
Nationalisten, aber nicht unbedingt Dschihadisten
Die Bozkurtçular streben eine Vereinigung aller Turkvölker an (vgl. Das Totemtier des Sozialdarwinismusstoßen). Vor allem aber eine Vereinigung mit den Aseris in Aserbaidschan, die sprachlich gesehen schiitische Türken sind und deren Staatsführung gerade versucht, die abgespaltene und von Armeniern bewohnte Region Arzach zurückzuerobern (vgl. "Mit allen Möglichkeiten an der Seite der aserbaidschanischen Geschwister").
Anhänger der Grauen Wölfe sind aber nicht unbedingt Dschihadisten, die teilweise auf Seiten Aserbaidschans in diesem Krieg kämpfen (vgl. Armenien vs. Aserbaidschan: Gestern Tschetschenen, heute Syrer?). Beim Terroranschlag eines Albaners mit österreichischer und nordmazedonischer Staatsangehörigkeit in Wien half der Türke Mikail Ö., der auf Facebook mit dem in Österreich verbotenen "Wolfsgruß" der Grauen Wölfe posierte, zusammen mit seinem Landsmann Recep Tayyip G. einem angeschossenen Polizisten und einer Frau, sich in Sicherheit zu bringen, wobei er selbst leicht verletzt wurde.
Als österreichische Medien danach das Foto mit dem Wolfsgruß entdeckten, meinte Ö., er habe "nichts mit denen [sic] Grauen Wölfen zu tun" - und G. postete, er sei "kein graue wolf anhänger [sic]", sondern möge "nur [s]einen [P]räsidenten". Mit diesem Politiker, nach dem ihn sein Vater benannte, telefonierte G. am Dienstag und bot ihm dabei an, die Hand zu küssen, "wenn Allah das will und [Erdoğan] das gestattet".
Çavuşoğlu will Meinungs- und Versammlungsfreiheit der Türken in Frankreich schützen
Erdoğan und die Grauen Wölfe zu mögen, muss jedoch kein Gegensatz sein: Immerhin ist die türkischen Parlamentspartei MHP, die als politischer Arm der Organisation gilt, der Mehrheitsbeschaffers der türkischen Regierungspartei AKP. Und nach dem Verbot der Grauen Wölfe in Frankreich kündigte der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu an, die türkische Staatsführung werde nun "so entschieden wie möglich" reagieren, um die Meinungs- und Versammlungsfreiheit der Türken in Frankreich zu schützen.
Vor vier Jahren, am 19. Dezember 2016, hatte G. auf Facebook nach dem Anschlag eines IS-Islamisten auf einen Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz noch gepostet, es tue ihm "überhaupt ned [sic] leid, was in Berlin passiert ist". Dazu meinte er jetzt, er sei damals "jung und dumm" gewesen und sehe "die Welt seit Jahren anders". Tatsächlich deutet bei ihm seine Tat am Montag darauf hin, dass das nicht nur eine Behauptung ist. Für den Albaner, der den Terroranschlag an diesem Tag durchführte, gilt das eher nicht:
Er wollte 2018 in den von Dschihadisten beherrschten Teil Syriens ausreisen, wurde dabei aber erwischt. Beim Prozess machte sein Anwalt geltend, der Albaner sei lediglich in die falsche Moschee geraten und habe nun dem IS abgeschworen. Das führte zu einem milden Urteil mit vorzeitiger Entlassung und der Teilnahme an einem Deradikalisierungsprogramm. Die österreichischen Behörden glaubten an dessen Funktionieren anscheinend auch dann noch, als sie aus der Slowakei vor dem Mann gewarnt wurden. Außer dorthin hatte er offenbar auch Kontakte in die Schweiz, wo zwei Albaner festgenommen wurden. In Wien hatten weitere Festgenommene Wurzeln im Kosovo in Tschetschenien und in Bangladesch.
Macron will Österreich besuchen
Emmanuel Macron will nun Österreich besuchen, um mit dem dortigen Bundeskanzler Sebastian Kurz über das Islamistenproblem zu sprechen. In Frankreich wurden in den vergangenen Wochen ein Lehrer und zwei Kirchgängerinnen enthauptet, ein Mesner getötet und ein Priester angeschossen. Eine nach der Enthauptung des Lehrers getätigte Äußerung Macrons, dass Mohammedkarikaturen in Frankreich unter die Meinungsfreiheit fallen, führte dazu, dass Erdoğan ihm nahe legte, sich auf seinen Geisteszustand untersuchen zu lassen (vgl. Erdoğan: Macron hat "psychologische Behandlung nötig").
Deutlich verschlechtert hatte sich das Verhältnis zwischen den Staatsführungen der beiden Länder allerdings schon davor, als Macron Erdoğan den Einsatz syrischer Dschihadisten gegen Armenien vorwarf und ein härteres Vorgehen gegen den "Separatismus" der Moslembrüder in den französischen Vorstädten ankündigte. Diese Moslembrüder werden (ebenso wie die ihnen nahe stehende Hamas) von Erdoğan unterstützt, was dazu führte, dass sich im Nahen Osten und in Nordafrika Fronten gebildet haben: Das Emirat Katar, dass die Moslembrüder und die Hamas ebenfalls unterstützt, steht dort ebenso auf Seiten Erdoğans wie die libysche Bürgerkriegspartei Hukumat al-Wifaq al-Watani.
Auf der anderen Seite finden sich unter anderem Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate, die ihr Verhältnis zu Israel normalisierten und deren Außenminister Anwar Gargasch im Gespräch mit der Tageszeitung Die Welt meinte, er fühle sich zwar als Moslem durch die Karikaturen "beleidigt", aber als "denkender Mensch" sehe er auch "die Politik, die rund um dieses Thema betrieben wird". Erdoğan verbreite damit "die Ideologie der Moslembrüder", mit der er "eine imperialistische Politik" betreibe, was "eine der Hauptgefahren in der Region" sei.
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