Freie Wähler und Co. jubeln:
Bundesverfassungsgericht kippt auch Drei-Prozent-Hürde bei Europawahlen
Das Bundesverfassungsgericht hat heute Vormittag ein Urteil verkündet, nach dem die im letzten Sommer von CDU, CSU, SPD, Grünen und FDP eingeführte Drei-Prozent-Hürde bei Europawahlen verfassungswidrig und nichtig ist, weil sie gegen den in Gleichbehandlungsgrundsatz und die in Artikel 21 Absatz 1 des Grundgesetzes geschützte Chancengleichheit verstößt und dazu führt, dass die Stimmen zahlreicher Bürger ohne triftigen Grund Parteien zugeschlagen werden, die sie gar nicht gewählt haben.
Dem unter anderem vom sozialdemokratischen Europawahl-Spitzenkandidaten Martin Schulz ins Feld geführten Argument, das mit über 160 Parteien bestückte Europaparlament sei in seiner Beschlussfähigkeit unangemessen beeinträchtigt, wenn ein paar neue dazukommen, wollten die Karlsruher Richter nicht folgen. Erst dann, wenn sich in der Zukunft tatsächlich "Fehlentwicklungen" abzeichnen sollten, dürfte eine Sperrklausel eingeführt werden. Eine rein vorsorgliche Einführung ist dagegen nicht zulässig.
Die Drei-Prozent-Hürde bei Europawahlen wurde von den etablierten Parteien beschlossen, nachdem das Bundesverfassungsgericht im November 2011 entschieden hatte, dass die bei der Bundestagswahl geltenden Begründungen für die Fünf-Prozent-Hürde hier nicht greifen. In einem vom damaligen Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich in Auftrag gegebenen Stellungnahme kamen zwei Hausjuristen zum Ergebnis, dass die in diesem Urteil aufgeführten Entscheidungsgründe dazu führen, dass bei Europawahlen auch eine niedrigere Sperrklauseln grundgesetzwidrig ist. Als diese Stellungnahme Ende letzten Jahres geleakt wurde, mahnte das Innenministerium das Portal Frag den Staat unter Verweis auf das Urheberrecht ab.
Hätte es bei der Europawahl 2009 keine Sperrklausel gegeben, dann hätten die Freien Wähler zwei Abgeordnete und die ÖDP, die Tierschutzpartei, die Republikaner, die Piraten, die Rentnerpartei und die Familienpartei jeweils einen Mandatsträger im Europaparlament unterbringen können. Entscheidet das Bundesverfassungsgericht gegen die neue Sperrklausel, dann können diese Parteien am 25. Mai nicht nur mit einem Einzug ins Europaparlament, sondern sogar mit einem höheren Stimmenanteil rechnen, weil sich mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit Wähler für sie entscheiden, die dies vorher nicht taten, weil sie glaubten, ihre Stimme zu verschenken. Entsprechend groß ist der Jubel in diesen Parteien - mit einer Ausnahme: Den Piraten.
Nach einem von vielen Mitgliedern und Anhängern kritisierten Umgang des Bundesvorstandes mit Skandalen wie #Bombergate und #Molligate liegt die Partei in einer aktuellen Umfrage bei nur mehr einem Prozent. Weil viele Basismitglieder unter dem Hashtag #keinhandschlag verkünden, dass sie für eine Europawahlliste mit Kandidaten wie Anne Helm und für einen Bundesvorstand, der gegen Mitglieder wie Mercedes Reichstein, Oliver Höfinghoff oder Julia Schramm keine Parteiausschlussverfahren anstrengt, keinen Wahlkampf machen werden, könnte dieser Wert in den nächsten Monaten noch sinken.
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