Freier Tausch statt Knast in Frankreich?
Neues Urheberrecht in Frankreich bringt Überraschungen. Statt Haftstrafen für Musiktausch soll dieser nun legalisiert werden
Lange hatte sich Frankreich Zeit gelassen für die Umsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie von 2001. Doch nun wollte die Regierung im Eilverfahren noch in dieses Jahr ein Gesetz durchpeitschen, das sogar den Einsatz freier Software zum Abspielen von Multimedia-Dateien verboten hätte, wenn diese auch kopiergeschützte DVDs lesen können. Bis zu drei Jahre Haft und Geldstrafen bis zu 300.000 Euro drohten. Doch es kam anders: Das Parlament beschloss die Legalisierung des Tauschs für private Nutzung über eine „Kulturflatrate“.
Der Kultusminister der konservativen französische Regierung Renaud Donnedieu de Vabres musste in der Nacht zum Donnerstag eine schwere Schlappe einstecken. Dafür waren vor allem die 22 Abgeordneten seiner regierenden UMP verantwortlich. Denn sie stimmten mit acht Abgeordneten der Opposition dafür, den Download aus P2P-Netzen wie eine Privatkopie zu behandeln, womit sie straffrei blieben. Bisher hatten kein Gericht in Frankreich eine Straftat im Download von Filmen oder Musik aus dem Internet gesehen.
Gegen 21 Uhr, als mit der Diskussion um das Gesetz begann, waren nur noch wenige der 577 Abgeordneten anwesend. Das bescherte zwei Änderungsanträgen an dem Gesetzesentwurf für die Urheberrechtsnovelle (DADVSI) dann bei der Abstimmung die knappe Mehrheit von 30:28 in der Nationalversammlung.
Weil ein unerlaubter Dateitausch über das Internet nicht zu verhindern sei, müsse er legalisiert werden, damit die betroffenen Künstler Tantiemen erhielten, argumentierte der UMP-Abgeordnete und Bürgermeister der Stadt Beaunne, Alain Sugenot. Er hatte schon im Juli einen Antrag eingebracht, um den Dateiaustausch zu legalisieren.
Sugenot hatte sich auch für die „licence globale“ eingesetzt, wie eine Arte „Kulturflatrate“ bezeichnet wird, die auch seit längerem in Deutschland diskutiert. Die Zeitung Liberation spricht dabei von einer Gebühr von 4 – 7 Euro, die für den freien Zugang zur Kultur verlangt werde. Das Geld solle demnach über die Verwertungsgesellschaft SACEM an die Autoren verteilt werden.
Wie die Musik- und die Filmindustrie hatte sich die SACEM bisher gegen die Flatrate ausgesprochen, weil so die fallenden Umsätze nicht kompensiert werden könnten. Dagegen hatte eine Allianz aus Konsumentenvereinigungen, Künstlergewerkschaften und diverse Vereinigungen gegen den Gesetzesentwurf gekämpft. Über das Manifest: “Befreit die Musik” hatte sich Anfang des Jahres eine breite Ablehnungsfront gegen die repressiven Maßnahmen formiert ("Befreit die Musik").
Noch ist unklar, wie sich die Änderungen auf das eigentliche Gesetz auswirken, denn sie stehen dem ursprünglichen Geist des Entwurfs diametral entgegen. Wenn der Austausch von Dateien zum privaten Gebrauch erlaubt ist, kann das Umgehen des Kopierschutzes kaum drakonisch bestraft werden. Ähnlich, wie es in Spanien schon Gesetz ist (Knast für Privatkopien von CDs und DVDs?), sieht der französische Entwurf vor, die Benutzung von Programmen zum Knacken des Kopierschutzes mit bis zu drei Jahren Gefängnis und bis zu 300.000 Euro Geldstrafe zu ahnden. Verboten werden sollte auch der Einsatz freier Software zum Abspielen von Multimedia-Dateien wie VLC. Die erlauben zum Beispiel den Zugriff auf DVDs mit DeCSS-Verschlüsselung.
Sogar die “direkte oder indirekte” Verbreitung von Wissen darüber, wie geschützte Dateien gelesen werden können, sollte kriminalisiert werden. Dies gehe weit über die EU-Richtlinie hinaus, kritisierte das Info-Center, weil damit "Türen für die Zensur“ geöffnet würden. Mehr als 130.000 Unterschriften hatte das Center gegen das Gesetz gesammelt, weil es auch die freie Meinungsäußerung von Autoren freier Software, Sicherheitsexperten, Akademikern und Journalisten in Gefahr sah.
Empört hatten sich Internetbenutzer auch über einen kürzlich eingebrachten Änderungsvorschlag gezeigt, der zur allgemeinen Kontrolle des Internet gedacht sei. Er sieht das Verbot von Software vor, die kopiergeschütztes Material verbreitet. Demnach müssten die Softwarehersteller ihre Produkte mit digitalem Rechte-Management (DRM) versehen und könnten haftbar gemacht werden, wenn ihre Software “illegal” eingesetzt wird.
Insgesamt hoffen nun viele darauf, wie die die Free Software Foundation France (FSFF), dass die neue Situation die Regierung dazu bringt, das Eilverfahren zurückzunehmen. Damit wäre eine ernsthafte Debatte über das Gesetz möglich und die Gegner erhielten eine Chance zum Widerspruch. Die nun eingefügten Änderungen könnten noch im Senat abgewiesen werden oder noch einmal zur Abstimmung kommen. Jedoch haben die Gegner einen Etappensieg errungen, die Diskussion ist entfacht.