Freiheit für Mickey Mouse

Larry Lessig streitet vor dem Supreme Court für ein kürzeres Copyright

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Am kommenden Mittwoch verhandelt der US Supreme Court den Fall Eldred vs. Ashcroft. Zur Disposition stehen dabei nicht nur die aktuelle Copyright-Gesetzgebung, sondern auch die Zukunft von Mickey Mouse und Winnie the Pooh.

Wenn der Stanford-Professor Lawrence Lessig am Mittwoch vor dem US-Supreme Court auftreten wird, dann könnte er damit die Welt von Entenhausen ganz schön durcheinander bringen. Zur Verhandlung steht der so genannte Sonny Bono Copyright Term Extension Act - ein 1998 verabschiedetes Gesetz, das die Gültigkeit von Copyright-Ansprüchen um 20 Jahre verlängert (s. a.: Aus für Micky Maus?).

Elf mal hat der US-Gesetzgeber in den letzten 40 Jahren solche Verlängerungen verfügt. Damit können Erben insgesamt 70 Jahre nach dem Tod eines Autors Ansprüche auf seine Werke anmelden. Auftragsarbeiten bleiben 95 Jahre im Besitz ihrer Eigentümer. Larry Lessig hält das für nicht verfassungsgemäß. Die Idee des Copyrights sei es gewesen, Rechte für einen "begrenzten Zeitraum" zu schützen. Ursprünglich ging der Gesetzgeber von maximal 28 Jahren aus. Danach sollte ein Werk Gemeineigentum werden, frei nutz- und reproduzierbar von jedermann.

Zum Beispiel von Eric Eldred, dem Hauptkläger des Verfahrens. Auf seiner Website Eldritch Press stellt Eldred Bücher zum kostenlosen Download bereit, deren Copyright ausgelaufen ist. Anton Tschechow, Emile Zola, Guy de Maupassant. Ein kleines Projekt Gutenberg, gegründet von einem idealistischen Literaturliebhabers Mitte der Neunziger. Bald, so hatte Eldred sich damals ausgerechnet, könnte er damit den Sprung in die Moderne wagen. Zahlreiche Werke würden dann frei verfügbar, darunter Texte von Ernest Hemmingway und A.A. Milnes Kinderbuchklassiker Winnie the Pooh.

Das Mickey Mouse-Gesetz

Doch an der Geschichte des Bären von geringem Verstand hält Disney die Rechte, ebenso wie an der ebenfalls schon recht betagten Mickey Mouse. Beide drohten, Ende der Neunziger den Copyright-Schutz zu verlieren. Beide sind für den Konzern gewaltige Geldmaschinen. Zwar hält die Firma an beiden zudem noch Markenrechte, doch ob diese sich zur Verlängerung eines bereits erloschenen Copyright-Anspruchs nutzen lassen, ist rechtlich umstritten. Disney warf deshalb seine Lobby-Maschine an, und der Gesetzgeber parierte - 1998 wie schon so oft zuvor. Böse Zungen nennen das US-Copyright deshalb schon lange Mickey Mouse-Gesetz.

Doch nun will Lawrence Lessig Winnie und Mickey der Allgemeinheit zukommen lassen. "Free the mouse!" heißt deshalb die Kampagne zur Begleitung des Eldred-Verfahrens. An Unterstützern mangelt es nicht. Dutzende von Ökonomie- und Jura-Professoren, die Free Software Foundation, Büchereivereinigungen, die Computer Electronics Association und viele andere unterstützten Eldred und Lessig in Einlassungen ans Gericht. Sogar Intel stellte sich mit Einschränkungen auf die Seite der Maus-Befreier. An Unterstützern mangelt es aber auch der Gegenseite nicht. Der Verband der US-Regisseure, die US-Verwertungsgesellschaften, AOL Time Warner, die MPAA, die RIAA und zahlreiche weitere Firmen und Vereinigungen argumentierten, dass nur ein langes Copyright genügend Anreize gibt, neue Werke zu erschaffen.

Wie das Gericht nun letztendlich entscheiden wird, ist noch völlig offen. Viele Beobachter waren überrascht, dass der Supreme Court das Verfahren überhaupt angenommen hat, und halten jetzt alles für möglich. Mit einer Entscheidung wird frühestens im nächsten Frühjahr gerechnet. Ein paar Monate ist also noch für Ruhe in Entenhausen gesorgt.