Freiheit für Roger Waters!
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Kaum jemandem fällt auf, wie skurril die Debatte über den Pink-Floyd-Gründer verläuft. Und welche Gefahren sie birgt. Ein Telepolis-Leitartikel.
Es geht um ein fliegendes Schwein, einen Ledermantel auf der Bühne, eine Armbinde mit gekreuzten Hämmern: Die Debatte um die Konzerte des Pink-Floyd-Gründers Roger Waters ist an Skurrilität kaum mehr zu überbieten. Man könnte sie mit einem müden Schulterzucken abtun – offenbarte sie nicht eine ebenso autoritäre wie revisionistische Tendenz.
Immerhin ermittelt jetzt sogar die Polizei der ehemaligen Reichs- und heutigen Bundeshauptstadt Berlin gegen den 79-jährigen Briten. Es bestehe der Anfangsverdacht, wird berichtet, dass der Auftritt des Musikers in einem langen schwarzen Ledermantel, der an SS-Uniformen erinnern soll, geeignet sei, "die Würde der Opfer des Nationalsozialismus zu verletzen, den Nationalsozialismus zu verherrlichen und den öffentlichen Frieden zu stören".
Moment mal! Haben die wirklich geschrieben "... den Nationalsozialismus zu verherrlichen"?
Man kann Waters einiges vorwerfen. Einen gewissen Altersstarrsinn etwa, wenn es um seine Kritiker geht, die ihn anscheinend nur zu noch heftigeren Äußerungen provozieren.
Eine plumpe politische Argumentation, wenn er die 16-jährige Anne Frank, die 1945 von den Nazis ermordet wurde, mit der palästinensischen Journalistin Shireen Abu Akleh vergleicht, die 2022 von israelischen Soldaten erschossen wurde.
Fehlenden politischen Instinkt, wenn er sich mitten im Krieg gegen die Ukraine von der russischen UN-Delegation in den UN-Sicherheitsrat einladen lässt.
Aber haben die in Berlin wirklich geschrieben: "... den Nationalsozialismus zu verherrlichen"? Weil der Alt-Linke Waters mit schwarzem Mantel und einer Armbinde mit gekreuzten Hämmern auftritt? Also in einem Kostüm, das schon im „Victoria and Albert“-Museum in London ausgestellt wurde?!
Wer auch immer in der Berliner Justizbehörde diese Formulierung und diesen Vorwurf zu Papier gebracht hat, beweist damit allenfalls seine (oder ihre) Unkenntnis der Musikgeschichte. Denn beide Stilmittel sind der Figur "Pink" aus "The Wall" von 1979 entlehnt, einem fiktiven faschistoiden Rockstar. Und schon im Video zu "The Wall" marschierten die Hämmer mit – wenig missverständlich – Stilen in Schwarz und Rot.
Wer auch immer meint, daraus einen strafrechtlichen Vorwurf der Verherrlichung – nicht nur Verharmlosung! – des Nationalsozialismus abzuleiten zu können, versteht von Sujet so viel wie Milli Vanilli von Gesang. Und im Grunde müsste diese Einlassung der Berliner Justiz wegen des offensichtlichen Ehrdelikts selbst einer strafrechtlichen Prüfung unterzogen werden.
Fakt ist, dass Kunst und Künstler immer wieder faschistische Symbolik aufgegriffen und dekonstruiert haben. Harald Schmidt als Adolf Hitler etwa. Art Spiegelman mit dem Hakenkreuz auf dem Cover seiner preisgekrönten Graphic novel "Maus". Und vielleicht sogar – darüber wird bis heute diskutiert – für Jonny Buchardt beim Kölner Karneval 1973.
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