Friedensdiplomatie als Störfaktor

Seite 2: Eckpfeiler der Nato-Strategie

Bricht man die Pressekonferenz mit Lula auf ihren Kern herunter und nimmt weitere Informationen hinzu, die Scholz in den vergangenen Wochen häppchenweise verteilte, dann stellen sich die Strategie-Eckpfeiler der Bundesregierung folgendermaßen dar:

• Russland muss militärisch, wirtschaftlich und durch internationalen Druck dazu gebracht werden, seine Kriegsziele aufzugeben.Man ist bereit, den dafür notwendigen Preis zu zahlen.

• Russland muss erkennen, dass es nur zwei Alternativen hat: Seine Invasion zu beenden; oder militärisch aus der Ukraine hinausgejagt zu werden. Verhandlungsangebote stören diese Agenda, denn es geht nicht um eine Kompromisslösung.

• Wenn China, Indien, Indonesien oder Brasilien etwas beitragen möchten, sollen sie sich an den Waffen- und Finanzhilfen für die Ukraine beteiligen und den Druck auf Russland erhöhen (bestenfalls durch Sanktionen).

Da Scholz immer wieder seine enge Abstimmung mit den Nato-Verbündeten betont, kann man davon ausgehen, dass diese Punkte der Nato-Linie entsprechen.

Der Erfolg einer solchen Strategie wird von einer langen Liste erheblicher Risiken in Frage gestellt – nukleare Eskalation, Nachlassen der Unterstützungsbereitschaft der USA und vieles mehr. Es fällt auf, dass über diese Risiken noch weniger gerne geredet wird, als über die Strategie selbst.

Sollte die Rechnung irgendwann aufgehen, müssen bis dahin weitere Tausende Tote sowie massive Zerstörungen ukrainischer Infrastruktur und Lebensgrundlagen eingepreist werden.

UN-Generalsekretär setzt auf internationale Friedensdiplomatie

Auch UN-Generalsekretär Guterres ist vom Erfolg der Nato-Strategie alles andere als überzeugt. In einer Grundsatzrede an die UN-Vollversammlung äußerte er vor wenigen Tagen:

Die russische Invasion in der Ukraine fügt dem ukrainischen Volk unsägliches Leid zu, und hat tiefgreifende globale Auswirkungen. Die Aussichten auf Frieden werden immer trüber. Die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Eskalation und weiteren Blutvergießens nimmt zu.

Ich fürchte, dass die Welt nicht schlafwandlerisch in einen größeren Krieg hineinschlittert. Ich fürchte, sie tut dies mit weit geöffneten Augen.

António Guterres

Anschließend betonte er die herausragende Wichtigkeit von Friedensinitiativen und bestätigt damit den Ansatz des brasilianischen Präsidenten.

Ziel einer neuen Agenda für den Frieden soll sein, das vereinende Potential der UN zu maximieren. Breit angelegte Kooperationen zur Förderung von Friedensdiplomatie sollen sich optimal entfalten können.

Häufig wird behauptet, irgendwann endeten (fast) alle Kriege am Verhandlungstisch. Nicht nur Nato-Generalsekretär Stoltenberg und Bundespräsident Steinmeier haben sich in diese Richtung geäußert.

Doch was da als Quasi-Naturgesetz verkauft wird, ist historisch falsch. Zahlreiche Kriege endeten keineswegs am Verhandlungstisch, sondern zogen sich bis zu einem irgendwie gearteten Zusammenbruch elend über Jahre hin.

"Insbesondere für die Erkenntnis, dass ein Krieg nicht zu gewinnen ist, brauchten Großmächte in der Regel lange."

Ein Verhandlungsfrieden fällt nicht vom Himmel. Er muss herbeigeführt werden – von welchen Kräften auch immer.