Frierende Deutsche oder gar Kältetote im Winter

Der politische Streit um die Energie- und Atompolitik hat an einem warmen Sommerwochenende rhetorisch zugelegt

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Der politische Kampf um die Energieversorgung ist aufgrund der hohen Preise für Benzin, Öl und Gas im Vorblick auf die Bundestagswahlen voll entbrannt. Der Ton wird entsprechend schärfer. Zentrales Thema ist für die einen die Atomenergie, für die anderen Energieeffizienz und der Ausbau der Erneuerbaren Energien.

Mitten im Sommer warnte DGB-Chef Sommer vor den Folgen der hohen Heizkosten: "Es droht der erste Winter seit Langem zu werden, in dem Zehntausende Deutsche frieren müssen." Frieren sei genau so schlimm wie Hungern, sagte er der Bild-Zeitung und forderte Sozialtarife für Heizung und Strom. Das ist auch die Politik der SPD. So kündigte SPD-Vorstandsmitglied Hermann Scheer einen Gesetzesentwurf für Sozialtarife an. Nach dem Bund der Energiezahler, so Bild, würde bereits einer Million Kunden jährlich vorübergehend wegen Zahlungsschwierigkeiten vorübergehend Strom oder Gas gesperrt. Befürchtet werde eine "deutliche Steigerung" der Energiepreise.

Gregor Gysi, Fraktionschef der Linken, warnte im Tagesspiegel sogar vor "Kältetoten" im kommenden Winter. Bundeskanzlerin Merkel warf er vor, es sei beschämend, dass sie nicht wusste, dass HartzIV-Empfänger ihre Strfomrechnung selbst bezahlen müssten. Auch er fordert Sozialtarife oder eine Aufstockung von HartzIV.

Die CSU will bekanntlich die alte Pendlerpauschale wieder einführen und zumindest die Laufzeiten der Atomkraftwerke verlängern. Der BamS erzählte CSU-Chef Erwin Huber, dass sein Haus in der Nähe von zwei AKWs stehe und das irgendwie zeige, dass man davor keine Angst haben müsse. Warum braucht man Atomstrom?

Ich vertraue auf die Sicherheitsvorkehrungen. Die Risiken der Kernkraft sind beherrschbar, der Treibhauseffekt, der das Weltklima bedroht, ist es nicht. Wir haben hier ein BMW-Werk mit 20 000 Leuten – Arbeitsplätze für eine ganze Region. Das kann man nicht mit ein bisschen Solartechnik und ein paar Windrädern betreiben.

Erwin Huber

Noch ein Bonmot aus Hubers Mund:

Das ist CO2-freier Strom aus einer heimischen Energiequelle. Und Strom aus Kernkraftwerken ist der preisgünstigste, den es auf der Welt gibt.

Erwin Huber

Er schlägt einen "Pakt" mit den Energiekonzernen vor. Die sollen die AKWs länger laufen lassen dürfen, die Gewinne sollen zur Dämpfung der Stromkosten verwendet werden. Wie das gemacht und überprüft werden soll, verrät Huber allerdings nicht, der der SPD und den Grünen verspricht, in Sachen Atomenergie bald "alt" auszusehen.

Umweltorganisationen wie der BUND halten wenig von Sozialtarifen und schlagen hingegen vor, stärker auf Energieeffizienz zu setzen. Das würde auch ärmeren Haushalten nutzen.

Vor ein paar Tagen hat ein Bündnis von Umweltverbänden eine Online-Erklärung gegen eine Weiterführung der Atomenergie gestartet und ruft zur Unterzeichnung. Auf der Website Atomkraft abschalten wird gefordert, am Atomausstieg festzuhalten und die alten Reaktoren abzuschalten. Nach dem Bündnis wird, so die Begründung, durch die Atomkraft der Strom schon deswegen nicht billiger, weil der Preis an der Strombörse ausgehandelt wird. Zudem sei Atomstrom nur deswegen günstig, weil er von den Steuerzahlern subventioniert wurde und wird. Dass durch den Ausstieg eine "Stromlücke" entstünde, wie auch Huber behauptet, sei Unsinn.

Ob das beschworene Risiko wirklich größer wird und irgendwann ein GAU bevorsteht, dürfte wohl derzeit die Menschen nicht so sehr beeindrucken wie noch in der Zeit kurz nach Tschernobyl. Aber das weltweit existente Problem der Lagerung von Atommüll, die Gefahr der Proliferation, das Risiko, dass Terroristen doch noch schmutzige Bomben bauen und einsetzen könnten, sind doch starke Argumente gegen einen weltweite Renaissance der Atomenergie.