Front National will "Nationaler Zusammenschluss" heißen

Seite 2: Steven Bannon und die neuen Möglichkeiten

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Nun aber noch zur Überraschung: Diese resultierte daraus, dass am Samstagabend in Lille ein unerwarteter Stargast auftrat, in Gestalt des vormaligen (mittlerweile geschassten) Donald Trump-Beraters Steven Bannon. In dieser rechtsextremen Gesellschaft fühlte der vormalige Breitbart-Agitator sich sichtlich wohl, und donnerte in den Saal: "Die Geschichte steht auf unserer Seite!"

Zum Beleg führte Bannon auch, in triumphierendem Tonfall, den Erfolg der rassistischen Regionalpartei Lega Nord - oder offiziell seit kurzem nur noch La Lega - in Italien an.

Blickt man daneben auch auf die derzeitigen politischen Verhältnisse in Ungarn, denkt man an die Regierungsbildung unter Einbeziehung der postnazistischen FPÖ auf Bundesebene in Österreich oder den relativen Aufstieg der AfD in Deutschland, dann könnte man sich wundern, dass sich die Parteiführung des französischen FN derzeit eher unwohl in ihrer Haut fühlt.

Der Hauptgrund dafür dürfte darin liegen, dass Viele in der rechtsextreme Partei heute der Auffassung sind, dass ihre Organisation es genau in dieser theoretisch günstigen historischen Situation nicht schaffe, ihr Potenzial wirklich auszuschöpfen.

Bündnismöglichkeiten

Bemängelt wird von den innerparteilichen Widersachern der aktuellen Führung vor allem, dass derzeit die Bündnismöglichkeiten auf der konservativen und wirtschaftsliberalen Rechten verschlossen scheinen. Denn vor allem auf wirtschaftspolitischem Gebiet entwickelten sich beide seit 25 Jahren in gegenläufiger Richtung.

Nach dem Berliner Mauerfall 1989 und dem Einsturz der UdSSR behaupteten führende Intellektuelle und Kader im und rund um den FN, nunmehr sei der "Tod des Marxismus" eingetreten, und weil es keine ökonomische Systemalternative mehr gebe, bleibe nur noch die "nationale Rechte" als Fundamentalopposition zum Bestehenden im Angebot. (In anderen Breitengraden machten Kader des radikalen politischen Islamismus zeitgleich zum Teil eine sehr ähnliche Rechnung auf.)

Also: Statt Klassenkampf "unten gegen oben" gebe es, schematisch gesprochen, nur noch "Ausländer raus", den Rassen- oder Religionskampf sowie - als Beigabe - die Infragestellung des wirtschaftlichen Globalisierungsprozesses und des Freihandels als zugkräftigen Mobilisierungsmotor.

Tatsächlich ist es dem französischen FN daraufhin seit den 1990er Jahren gelungen, auch Millionen enttäuschte vormalige Wähler der Sozialdemokratie sowie der Parteikommunisten anzuziehen. Allerdings nicht ganz im erhofften Ausmaß, denn anders als durch die Rechtsextremen erhofft, verschwanden etwa die französischen Gewerkschaften nicht als Akteure von der Bildfläche, um ihnen einfach das Feld zu überlassen.

Die konservative Rechte in Frankreich radikalisierte sich hingegen in Richtung eines voranschreitenden Wirtschaftsliberalismus und Marktradikalismus; ihr gescheiterter Präsidentschaftskandidat (2017) François Fillon portraitierte sich selbst als französischen Margaret Thatcher-Verschnitt.

Auf dieser Ebene konnten und können Konservative und Rechtsextreme, welch Letztere eher auf eine gewisse sozialdemagogische Note in ihrem Diskurs setzen, sich nicht näher kommen.

Einige Jahre hindurch begünstigte dies eher den Aufstieg des FN, da er dadurch an Angehörige der sozialen "Unterklassen" als Wählerinnen und Wähler heran kam, die im Leben wohl niemals für eine elitäre wirtschaftsliberale Rechtspartei stimmen würden. Doch nun hat diese Strategie sich auf anderer Ebene als Hemmschuh erwiesen: Dem FN bieten sich keine Bündnispartner von Gewicht auf der politischen Rechten an, er bleibt rechts von der Mitte ziemlich weitgehend isoliert.

Annäherungen an Konservative

Mit seiner Strategie "Allein gegen Alle" stößt der FN an Grenzen, man spricht mittlerweile von einer "gläsernen Decke": Bei vielen Wahlen verzeichnet er im ersten Durchgang hohe Ergebnisse, doch scheitert der FN mangels Bündnispartnern im zweiten Wahlgang - welcher im französischen politischen System absolut entscheidend ist, und bei dem Bündnisse zwischen stärkeren und schwächeren Parteien eingegangen werden - in schöner Regelmäßigkeit.

So war es bei den Bezirksparlamentswahlen im März 2015, bei den Regionalparlamentswahlen im Dezember 2015 (entgegen anderslautender Vorhersagen fiel keine einzige Regionalregierung an ihn), und erneut bei den Präsidentschafts- sowie den nachfolgenden Parlamentswahlen vom Juni 2017 (doch nur acht Sitze in der Nationalversammlung).

Seit Anfang 2016 werden deswegen innerparteilich die Stimmen lauter, die meinen, mehr Wasser in den Wein des demagogischen Sozialdiskurses zu schütten, wirtschaftlich "verantwortungsbewusst", auch auf die Forderung nach dem EU-Austritt zu verzichten und bei den Konservativen besseres Ansehen zu gewinnen - dies sei das Gebot der Stunde.

Aus ihrer Sicht soll die Partei nicht unbedingt kleinlauter werden, jedoch ihre Attacken auf Einwanderer und Muslime konzentrieren (vom Antisemitismus wollen inzwischen beide Fraktionen eher die Finger lassen) - und tunlichst beim Ausnutzen sozialer Unzufriedenheit darauf achten, nicht allzu weit zu gehen.

Marine Le Pen in der Zwickmühle

Es sollte auch einen Gegenkandidaten geben, der diese Linie in Lille auf dem Parteitag gegen Marine Le Pen vertrete. Es handelte sich um den örtlichen Parteichef in Lille, Eric Dillies. Im Herbst 2017 bereitete er seine Kampfkandidatur für den Chefsessel gegen Marine Le Pen vor, doch er scheiterte an formalen Voraussetzungen: einer ungenügenden Zahl von Unterstützungsunterschriften aus dem mittleren Leitungsapparat der Partei.

Die Richtungsentscheidung zwischen den beiden widerstrebenden Polen innerhalb der rechtsextremen Partei blieb also bei diesem Mal aus, der Kongress hatte letztendlich nur sekundäre Fragen zu entscheiden. Dennoch wird sich die Frage erneut, und in naher Zukunft schärfer als im Augenblick, stellen - auch die nach der ferneren politischen Zukunft Marine Le Pens.

Angesichts ihrer strategischen Zwickmühle hat Marine Le Pen sogar eine gewisse Müdigkeit zu ernennen geben und mindestens zwei Mal - am 26. Dezember 2017 und am 15. Februar 2018 - zu erkennen gegeben, sie könnte eventuell auf eine Kandidatur zur nächsten Präsidentschaftswahl verzichten. Diese steht turnusmäßig im Jahr 2022 an.