Fünf Sterne für die Luca-App: "Das Essen war sehr gut"
Warum die Luca-App Android-Usern so viel besser schmeckt als den Apple-Anwendern. Die seltsame Rolle der Gatekeeper in der Luca-Affäre. Teil 2 und Schluss
Die Frage, warum Google und Apple angesichts der vielen Verfehlungen nicht gegen die Luca-App mit gleicher Schärfe vorgehen wie sie das bei vergleichbaren Apps getan haben, beantwortet sich auch nicht beim Blick auf die Beliebtheit oder die Bewertung der Apps in den App-Stores.
Über Monate dümpelte Luca auf beiden Portalen bei grottenschlechten Bewertungen um die zwei von fünf Sternen dahin - von April bis Juli landete die App stets unter drei Sternen. Lange dominierten enttäuschte Anwenderberichte, nur unterbrochen von wenigen euphorischen Kommentaren, alles glaubwürdig untermauert von Expertenberichten über die Softwarequalität im Internet. Aber seit Anfang Juli ist das anders, zumindest im Google Playstore:
Schlagartig schnellt die durchschnittliche Bewertung durch Anwender nach oben, pendelt sich auf 4,5 von 5 Sternen ein. Nicht so bei Apple: Das Urteil der Apple-Anwender bleibt mager, maximal zweieinhalb Sterne Mittelmaß erreicht Luca dort. Woher kommen so plötzlich all die guten Bewertungen bei Google?
Teil 1: Google, Apple und die Luca-App
Das Zauberwort lautet "In-App-Ratings". Auf Twitter und in diversen Blogs machte es zuerst die Runde: Die neueste Version 1.9 der Luca-App hatte eine Funktion bekommen, die es dem Anwender erlaubt, die App direkt während der Benutzung zu bewerten. Das ist quasi Standard bei vielen Apps, auch dass man da als Entwickler dem Benutzer unter die Arme greift und schon mal fünf Sterne vorauswählt, ist verbreitet und somit nicht wirklich unlauter. Auch der Code (siehe Abbildung) scheint nicht weiter auffällig, man benutzt das Framework, alles gut. Eigentlich.
Ein Gesinnungswechsel, der nur bei Android-Usern stattfand, infolgedessen sich das Rating auf einer Art Plateau einpendelte, es war kein einmaliger "Spike" oder Ausrutscher, sondern eine permanente Veränderung, nur durch eine neue Funktion? Aufschluss darüber erhält man, wirft man einen Blick in die Kommentare und die Texte zu den Bewertungen im Play Store: "leckere Waffeln" - "nettes Lokal" - "freundliche Bedienung" - "Sehr lecker. Und top Service".
Es scheint, als würde ein sehr großer Anteil der Android-Anwender vielmehr Essen, Service oder generell das Lokal oder den Betreiber einer Location bewerten als die App. Ein bedauerliches Missverständnis, vermutlich, allerdings erneut zum Nutzen der Luca-App, und angesichts von mehr als 20.000 neuen, positiven Bewertungen sehr auffällig. Apple-Anwender sind übrigens nicht etwa schlauer als die Android-User, keineswegs, nur gibt es heute (Stand Ende Juli 2021) besagte In-App-Rating-Funktion nicht auf Apples Geräten. Die Luca-App für iOS steht bei Version 1.7, während ihr Android-Pendant in Version 1.9 das missverständliche Rating erhielt
Dementsprechend findet sich in allen Bewertungen für Luca in App Store kein einziges Missverständnis, wo ein Anwender das Essen oder die Location bewertete, und die iPhone-Variante dümpelt erwartungsgemäß bei 2 von 5 Sternen. Honi soit qui mal y pense.
Was haben Apple und Google davon? Nichts.
All diese Vorkommnisse haben eines gemeinsam: Auf nahezu magische Weise nutzen sie dem Hersteller der Luca-App, und Google und Apple tolerieren es, gegen die eigenen Regeln. Warum? Weil Google gar nicht antwortet, Apple erst auch nicht, dann auf verschlungenen Wegen eine inhaltsleere Aussage (siehe Teil I) produziert, ist man hier auf Vermutungen angewiesen.
Wer mit Entwicklern von abgewiesenen Apps über deren Erfahrungen mit den Gatekeepern redet, erhält den Eindruck, die Konzerne haben Luca wahrscheinlich schlicht nicht auf dem Radar. Vielleicht haben es die App-Entwickler geschickt geschafft, so lange unter dem Radar der Konzernbürokratie zu bleiben, bis der Image-Schaden, den Google und Apple durch das Durchsetzen ihrer eigenen Regeln erleiden würden, so groß ist (wir denken an die 20 Millionen "Premiumkunden"), dass es niemand im Konzern auch nur mehr wagt, an ein Sperren zu denken. Sicher halfen Luca auch die Verträge mit den Ländern bei der Legitimierung a posteriori - was anderen Apps jedoch verwehrt blieb. Einen Rapper hatten die ja auch nicht, oder einen Fernsehauftritt zur Prime Time.
IT-Fehler auf der Organisationsebene
Das muss jetzt nicht heißen, Google oder Apple hätten Angst vor Luca - wohl kaum. Aber mit dem Benutzerkreis von Luca wachsen auch die Bedenken von Mitarbeitern, Reviewern oder deren Managern, Regelverstöße zu ahnden. Ohne Frage ist es da einfacher, eine kleine, neue App - selbst wenn sie mehr als 10.000 Anwender hat wie Trauths Kontakt-Tagebuch - drakonisch, unmissverständlich und dauerhaft in die Schranken zu weisen. Vermutlich haben Google und Apple das einfach verpasst, nicht auszuschließen ist, dass diverse Mitarbeiter dort das heute bereuen.
Viel problematischer ist aber doch die Macht, die zwei US-amerikanische Großkonzerne hier demonstrieren - absichtlich oder durch Unterlassung. Bluetooth LE, Kontact Tracing, Impfzertifikate, dubiose Ratingfunktionen, ungeahndete Regelverstöße. "Apple geht nicht auf Wünsche aus Berlin ein", sagte Domscheit-Berg, und sie hat recht. "Wir haben alles richtig gemacht" - das könnte auch von Spahn, Google, Apple oder auch von den Luca-App-Herstellern stammen. Und genau darin liegt das Problem, wenn sich ein Staat mit einem Gatekeeper mit kommerziellen Interessen einlässt: der Kontrollverlust ist immens, Vertrauen nicht immer angebracht, der Schaden groß.