Fußball regiert die Republik Griechenland
PAOK Thessaloniki und Xanthi, die beide dem russisch-griechischen Oligarchen Ivan Savvidis gehören, wurden zum Zwangsabstieg verurteilt, die Politik ist in Panik
Die Nachricht schlug am Montagabend, wie griechische Medien titeln, "wie eine Bombe ein", der amtierende Meister des griechischen Profifußballs PAOK Thessaloniki wurde von der Kommission für den professionellen Sport zum Zwangsabstieg verurteilt.
Ein in Griechenland gern verwandtes Zitat besagt, dass eine Revolution im Land erst dann möglich ist, wenn eine der "großen Mannschaften" zum Zwangsabstieg verurteilt wird. Diese Härteprobe steht der griechischen Politik nun bevor. Das bedeutet konkret, PAOK Thessaloniki wurde zum Abstieg in die zweite Liga verurteilt, kann aber damit rechnen, dass die geltenden Gesetzte schlicht außer Kraft gesetzt werden. Denn obwohl die Kommission für den professionellen Sport rein rechtlich eine unabhängiges Amt ist, dessen Urteile von der Regierung umzusetzen sind, schaltete sich der ministerielle Staatssekretär für Sport, Lefteris Avgenakis, bereits ein.
"Die Regierung respektiert die Selbstverwaltung des griechischen Fußballs und das Urteil des Profisportkomitees. Aber es ist nicht möglich, die schwerste Strafe, die des Abstiegs, gegen historische Fußballvereine zu verhängen, ohne dass es eine absolute Beweislage gibt", twitterte er.
Dabei ist das beiden zum Abstieg verurteilten Mannschaften zur Last gelegte Vergehen eindeutig und die Strafe des Zwangsabstiegs unumgänglich. Sowohl PAOK, als auch Xanthi haben nach der vorliegenden Aktenlage der Kommission den gleichen Besitzer. Es geht um den russisch-griechischen Oligarchen Ivan Savvidis. Savvidis wird vorgeworfen, dass er beide Teams, die beide in der gleichen Liga spielen, kontrolliert.
PAOK kündigte bereits an, dass im Falle des Zwangsabstiegs des Fußballteams sämtliche Wettkampfmannschaften aus allen Wettbewerben zurückgezogen werden. In Nordgriechenland werden gewalttätige Demonstrationen befürchtet.
Der Verein geht in die Offensive und verkündet: "Bald wird ihr Traum, PAOK am Boden zu sehen, zum Albtraum." Der Club verlangt den Rücktritt von Avgenakis: "Heute heben wir den Fehdehandschuh, den Lefteris Avgenakis geworfen hat, auf und fordern den Premierminister auf, ihn sofort zu entfernen. Es ist gefährlich für den Sport und für den Zusammenhalt des Landes."
Avgenakis hat guten Grund, den Abstieg von PAOK zu fürchten. Als einer der ersten reagierte der Europaparlamentarier der Nea Dimokratia, Thodoris Zagorakis, auf die Nachricht. Zagorakis, Europameister von 2004 und langjähriger Spieler und Funktionär von PAOK, kündigte an, dass er die Partei verlassen würde, wenn das Abstiegsurteil tatsächlich umgesetzt würde.
In Zagorakis Stellungnahme heißt es unter anderen: "Da ich in meinem Leben nicht gelernt habe, meine Worte zu verdrehen und mich zu verstecken, sage ich klar: Die Selbstverwaltung des griechischen Fußballs kann nicht als Entschuldigung herangezogen werden. Diejenigen, die diese Kommission ernannt haben, sind für den aktuellen Stand des griechischen Fußballs verantwortlich."
Die Mitglieder der unabhängigen Kommission werden allerdings vom jeweiligen ministeriellen Staatssekretär für Sport ernannt. Somit greift Zagorakis seinen Parteikollegen direkt an. Zagorakis meint: "Das Wichtigste zu diesem Zeitpunkt ist, diese lächerliche Komödie sofort zu stoppen. Wenn dies nicht der Fall ist, wenn PAOK nicht Recht bekommt, kann ich mich nicht mit all jenen unter einem politischen Dach wiederfinden, die auf Weisung Dritter gegen die PAOK und den griechischen Fußball selbst vorgehen. Ich verspreche, für das Recht von PAOK, wo und wann immer nötig, mein Bestes zu geben."
Den Namen der "Dritten", welche gegen PAOK vorgehen sollen, nennt Zagorakis nicht. Er meint den Lenker von Olympiakos Piräus, dessen Namen viele aus Furcht vor Konsequenzen nicht aussprechen wollen.
Zagorakis Statement ist nicht die einzige Stellungnahme eines Politikers, die eindeutig die Interessen einer Sportmannschaft über das Wohl der eigenen politischen Partei stellt. So nahm auch der Bürgermeister von Katerini und frühere Abgeordnete der Nea Dimokratia, Kostas Koukodimos, Stellung gegen die Entscheidung und gegen Avgenakis. Etwas diplomatischer drückt sich der Regionalgouverneur von Makedonien und Thrakien, Apostolos Tzitzikostas aus. Der Politiker der Nea Dimokratia ruft die Verantwortlichen auf, ihre Entscheidung zu überdenken und Meisterschaften sportlich zu entscheiden.
Allen griechischen Politikern ist klar, dass ein Vorgehen gegen PAOK ihrer Partei in Nordgriechenland massive Stimmverluste einbringen wird. Pikant ist zudem, der von vielen Fans von AEK Athen und Olympiakos Piräus geäußerte Vorwurf, dass hinter der Meisterschaft von PAOK 2019 die damalige Regierung von Alexis Tsipras steckt. Avgenakis verdankt seinen bisherigen Aufstieg der Förderung durch Premierminister Mitsotakis.
Die "großen Vier" des griechischen Fußballs
In der vergangenen Woche hatten sich unter der Leitung von Avgenakis die "großen Vier" zu einer Aussprache im zentralen Athener Luxushotel Grande Bretagne getroffen. Die "großen Vier" das sind der Eigentümer von Olympiakos Piräus, Vangelis Marinakis, der Besitzer von Panathinaikos Athen, Yannis Alafouzos, sowie der Eigentümer von AEK Athen, Dimitris Melissanidis, und der Repräsentant von PAOK, Ivan Savvidis. Das Treffen endete ohne Einigung. Stattdessen gab es ein langes Statement von Marinakis, indem dieser mit drastischen Worten beschrieb, warum der griechische Fußball in einem gesetzeslosen Zustand versinken würde. Marinakis forderte von der Politik und der Sportsgerichtbarkeit, endlich zu handeln.
Savvidis trat bei dem Treffen der Fußballpräsidenten als der starke Mann von PAOK auf. Rein formal laufen die Mehrheitsaktien des Vereins jedoch auf seinen Sohn. Der PAOK zur Last gelegte Vorwurf begründet sich darauf, dass in Xanthi ein Neffe des russisch-griechischen Oligarchen Besitzer des Vereins wurde, aber dass der für diesen Kauf erforderliche Geldbetrag sich keineswegs mit Einkünften des Neffen erklären lässt.
Die Entscheidung der Kommission
Die Verkündung der Entscheidung der Kommission für den professionellen Sport ist lakonisch, sie behandelt die beiden am Montag entschiedenen Fälle mit einem kurzen, kompliziert formulierten juristischen Statement1
Entscheidend für den Zwangsabstieg ist der beide Mannschaften treffende Lizenzentzug, der Entzug der "Teilnahmebescheinigung". Dieser wird von der Kommission auf den Beginn der Saison gesetzt, womit sämtliche bislang gespielten Partien der beiden Teams juristisch als "nicht stattgefunden" gewertet werden müssten. Die Kommission ist de jure als Einzige berechtigt, in letzter Instanz über die Teilnahmebescheinigungen zu entscheiden. Um die Kommission zu übergehen, müsste von wem auch immer, das Gesetz gebrochen werden.
Griechenland befindet sich wegen zahlreicher Vorkommnisse in und um die Verflechtung von Politik, Sport und Sportwetten unter enger Beobachtung von FIFA und UEFA. Avgenakis sprach bereits in der vergangenen Woche davon, dass es im Ernstfall auch zum sportlichen Grexit kommen könne.
Mannschaften als Religionsersatz und Kader für Fan-Armeen
Die großen Mannschaften in Griechenland sind PAOK, Olympiakos Piräus, Panathinaikos Athen und AEK Athen. Sie haben, jeweils den Vereinspräsidenten gegenüber treu ergebene, große Fanclubs, die in ihrem Einflusskreis Wahlen entscheiden können. Die Sportvereine werden von den Fans nahezu religiös verehrt.
Die beliebtesten Sportarten im Land sind Fußball und Basketball. Tatsächlich gab es bereits Abstiege, die allerdings immer auch eine Mitwirkung der Vereinsführung hatten.
Im Basketball stieg in der vergangenen Saison Olympiakos Piräus zwangsweise in die zweite Liga ab. Sie hatten sich aus Protest gegen angezweifelte Schiedsrichterentscheidungen mehrfach geweigert, gegen den Erzrivalen Panathinaikos Athen anzutreten. Zwischenzeitlich kokettierte Olympiakos mit einer Teilnahme in der Adriatischen Basketballliga. Der Verein spielt momentan außer in der zweiten griechischen Basketballliga in der Basketball Euroleague. Im Basketball war zwischenzeitlich auch AEK Athen sportlich ab- und wieder aufgestiegen.
Im Fußball sanierte sich AEK Athen 2013 durch einen freiwilligen Abstieg bis in die dritte Liga. Die Millionenschulden verblieben beim Altverein. In der dritten Liga trat die Amateurabteilung an, stieg auf und wurde 2018 Meister. Panathinaikos Athen hätte der DFB in Deutschland wegen der Schulden bereits mehrfach die Lizenz entzogen, in Griechenland wird so etwas anders geregelt.
Rund um Olympiakos Piräus gab es bereits zahlreiche Skandale. So musste der Vereinspräsident der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts, Giorgos Koskotas, wegen Betrugs in Haft. Außer bei der Bank of Crete, die er mit seiner Veruntreuung von Millionenbeträgen in den Ruin führte, hatte er auch bei Olympiakos zahlreiche illegale Geldgeschäfte betätigt. Der Verein ging aus dieser Krise nahezu unbeschadet hervor und überstand auch seine Verwicklung in Wettskandale. Allen Clubs wurden im Lauf der Jahre mehrfach Schulden gegenüber dem Staat erlassen, gestundet oder rabattiert.
Einer der großen Vier kann nur dann absteigen, wenn die eigene Vereinsführung und die Fans das wollen. Dieses Gesetz scheint in Griechenland immer noch über jedem vom Parlament verabschiedeten Gesetz zu stehen.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.